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Bundessozialgericht
Beschl. v. 15.07.2015, Az.: B 1 KR 8/15 B
Erstattung von Kosten für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe; Mehrfach begründetes Berufungsurteil; Geltendmachung eines Verfahrensmangels; Materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.07.2015
Referenz: JurionRS 2015, 23179
Aktenzeichen: B 1 KR 8/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Schleswig-Holstein - 27.11.2014 - AZ: L 5 KR 83/11

SG Lübeck - AZ: S 3 KR 2/08

BSG, 15.07.2015 - B 1 KR 8/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Wird das Urteil des LSG (auch) auf eine mit der aufgeworfenen Frage nicht im Zusammenhang stehende, hiervon unabhängige Begründung gestützt, muss der geltend gemachte Zulassungsgrund für alle Begründungen gelten oder für jede Begründung ein Zulassungsgrund dargelegt werden.

2. Um einen Verfahrensmangel geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen.

3. Insoweit ist von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des LSG auszugehen.

in dem Rechtsstreit

Az: B 1 KR 8/15 B

L 5 KR 83/11 (Schleswig-Holsteinisches LSG)

S 3 KR 2/08 (SG Lübeck)

...............................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: ...............................................,

gegen

BARMER GEK,

Axel-Springer-Straße 44, 10969 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

Prozessbevollmächtigte: .............................................. .

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 15. Juli 2015 durch den Präsidenten M a s u c h sowie die Richter Prof. Dr. H a u c k und C o s e r i u

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. November 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Erstattung von 19 648,09 Euro Kosten für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe im Zeitraum vom 24.1. bis 27.12.2007 bei der Beklagten und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ua ausgeführt, ein Kostenerstattungsanspruch setze voraus, dass eine Leistung abgelehnt worden sei, bevor sie vom Versicherten selbst beschafft werde. Es lasse sich nicht zweifelsfrei klären, ob bei einem Telefonat zwischen der Mutter der Klägerin und dem Sachbearbeiter der Beklagten im Februar 2007 eine Haushaltshilfe bereits endgültig verweigert worden oder dem Sachbearbeiter der Beklagten ein Beratungsfehler unterlaufen sei. Das LSG hat dies schließlich mit der Begründung offengelassen, es habe sich nicht davon überzeugen können, dass ein eigenständiger Haushalt der Klägerin bestanden habe (Urteil vom 27.11.2014).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

3

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160 Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Die Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

4

1. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).

5

Die Klägerin formuliert die Frage,

"ob ein Hinweis auf einer Internetseite, der entgegen der geltenden Rechtslage empfiehlt, telefonisch Haushaltshilfe zu beantragen, zu einer Haftung führen kann".

6

Die von der Klägerin gestellte Frage lässt unabhängig von einem etwaigen Klärungsbedarf nicht erkennen, weshalb sie klärungsfähig (entscheidungserheblich) sein sollte. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin hat das LSG - soweit es das Telefonat im Februar 2007 betrifft - eine Beweislastentscheidung getroffen und gerade nicht die Auffassung vertreten, dass einem telefonischen (formlosen) Antrag die "geltende Rechtslage" entgegenstehe, der Hinweis also falsch sei. Da das LSG seine Entscheidung zudem darauf gestützt hat, dass die Klägerin keinen eigenen Haushalt geführt habe, wird die Relevanz dieses Telefonats für die Entscheidung des LSG nicht deutlich. Wird das Urteil des LSG - wie hier - (auch) auf eine mit der aufgeworfenen Frage nicht im Zusammenhang stehende, hiervon unabhängige Begründung gestützt, muss der geltend gemachte Zulassungsgrund für alle Begründungen gelten oder für jede Begründung ein Zulassungsgrund dargelegt werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 5; BSG SozR 1500 § 160a Nr 38; SozR 4-1500 § 160 Nr 21 RdNr 17). Hieran fehlt es.

7

2. Die Klägerin bezeichnet auch den behaupteten Verfahrensmangel nicht ausreichend. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist eine Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG und hierzu zB BSG Beschluss vom 10.8.2007 - B 1 KR 58/07 R - Juris RdNr 4 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin trägt zwar vor, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG beantragt habe, durch Vernehmung des Herrn H. (als Zeuge vom Hörensagen) Beweis darüber zu erheben, dass die Ablehnung der Haushaltshilfe in dem Telefonat mit dem Sachbearbeiter der Beklagten deswegen erfolgt sei, weil die Kosten der Haushaltshilfe von ihrem Vater übernommen würden. Sie legt aber nicht ausreichend dar, weshalb die Entscheidung des LSG hierauf beruhen soll. Soweit das LSG die Ablehnung des Beweisantrags auf die fehlende Entscheidungserheblichkeit stützt (vgl dazu auch die vom LSG gegebene Alternativbegründung für das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen, siehe oben II. 1.), trägt die Klägerin lediglich vor, die Begründung des LSG widerspreche "evident der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des Bundessozialgerichts". Das LSG unterliege einem "Zirkelschluss" und weiche "somit von der geltenden Rechtsprechung ab". Der Begründungsansatz des LSG sei "falsch". Soweit die Klägerin damit einen vom LSG abweichenden materiell-rechtlichen Standpunkt einnimmt, verkennt sie, dass für das Vorliegen eines Verfahrensmangels von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des LSG auszugehen ist. Im Übrigen ist auch nach dem Vortrag der Klägerin zum Inhalt des Beweisantrags nicht nachvollziehbar, weshalb der wahre Grund oder die Motivation für die Ablehnung einer Haushaltshilfe eine Bedeutung für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen haben könnte.

8

3. Der Senat sieht insgesamt von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

9

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Masuch
Prof. Dr. Hauck
Coseriu

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