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Bundessozialgericht
Beschl. v. 15.01.2015, Az.: B 5 R 186/14 B
Divergenzfähige Entscheidungen; Widersprüche innerhalb der Rechtsprechung
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.01.2015
Referenz: JurionRS 2015, 10625
Aktenzeichen: B 5 R 186/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Sachsen - 08.04.2014 - AZ: L 4 R 163/12

SG Dresden - AZ: S 42 R 706/11

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG

BSG, 15.01.2015 - B 5 R 186/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Von vornherein nicht divergenzfähig sind die "Abschließenden Bemerkungen des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" vom 20.05.2011 sowie die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16.10.2012 (49646/10, 3365/11).

2. Hierbei handelt es sich nicht um Entscheidungen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG.

3. Auch angebliche "Widersprüche" innerhalb der Rechtsprechung des BVerfG vor und nach 2004, insbesondere zwischen dem "Leiturteil" vom 28.04.1999 (1 BvL 32/95 u.a. - BVerfGE 100, 1 = SozR 3-8570 § 10 Nr. 3) einerseits und dem Beschluss des BVerfG vom 06.07.2010 (1 BvL 9/06, 1 BvL 2/08 - BVerfGE 126, 233 = SozR 4-8570 § 6 Nr. 5) andererseits können nicht zur Revisionszulassung führen.

in dem Rechtsstreit

Az: B 5 R 186/14 B

L 4 R 163/12 (Sächsisches LSG)

S 42 R 706/11 (SG Dresden)

......................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: .............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat am 15. Januar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. B e r c h t o l d sowie die Richter Dr. K o l o c z e k und K a r m a n s k i

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. April 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom 8.4.2014 hat das Sächsische LSG einen Anspruch der Klägerin auf höhere Altersrente abgelehnt.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, auf Rechtsprechungsabweichung (Divergenz) sowie auf Verfahrensfehler.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

6

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

7

Die Klägerin hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:

1. "Besitzen Feststellungen des UN-Ausschusses für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Angelegenheiten 'keine rechtliche Relevanz' und können sie in der Entscheidungspraxis/Rechtsprechung in Deutschland unbeachtet bleiben, wie es das LSG in dem hier angefochtenen Urteil tut, oder sind die Erkenntnisse solcher UN-Gremien von den Gerichten und Behörden den Entscheidungen zugrunde zu legen bzw. zumindest bei der Entscheidungsfindung und in den Gründen zu berücksichtigen? Welche Bedeutung besitzen auf Abkommen basierende Feststellungen internationaler Gremien für die Rechtsordnung, besonders für die Rechtsprechung und Entscheidungspraxis in Deutschland?"

2. "Dürfen Beweisanregungen in sozialgerichtlichen Verfahren als unbeachtlich behandelt werden, weil sie sich nach der - gegebenenfalls voreingenommenen bzw. fehlerhaften - Meinung von Richtern 'nicht auf die konkrete Rentenberechnung, sondern auf sozialpolitische Erwägungen' stützen, 'derentwegen kein Aufklärungsbedarf' bestehe (vgl. entsprechenden LSG-Beschluss unter Entscheidungsgründen)?"

3. "Ist es zulässig, Alterssicherungsansprüche, die von Bürgern in der DDR in unterschiedlichen Rechtsgebieten (Arbeits- und Sozialrecht, Verwaltungsrecht und Zivilrecht) rechtmäßig erworben wurden und denen Eigentumsschutz zusteht, zu liquidieren und nicht zu überführen, sondern an deren Stelle geringerwertige auf die gesetzliche Rentenversicherung (Sozialrecht) begrenzte Rentenansprüche zu setzen oder verletzt das die Grund- und Menschenrechte der Betroffenen, denen ihr Eigentum und die Gleichbehandlung mit den anderen Bürgern Deutschlands gemäß Grundgesetz und EMRK zu garantieren sind?"

8

Mit diesen Formulierungen wird die Beschwerdebegründung schon dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Denn es bleibt schon offen, welche konkreten revisiblen (Bundes-)Normen (§ 162 SGG) ausgelegt und/oder an welchem höherrangigem Recht gemessen werden sollen, um die Rechtseinheit zu wahren oder das Recht fortzubilden.

9

Darüber hinaus legt die Beschwerdebegründung nicht dar, welchen Sachverhalt das LSG festgestellt hat und ob gerade mit Blick hierauf die angesprochenen Probleme im erstrebten Revisionsverfahren klärungsfähig wären.

10

Soweit sich die Beschwerdebegründung auf die "Abschließenden Bemerkungen des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" vom 20.5.2011 beruft, lässt sie unerörtert, warum es sich bei diesen sog "concluding observations", die im Staatenberichtsverfahren nach Art 16 ff des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) vom 19.12.1966 ergehen, um Bundesrecht handeln könnte. Im Übrigen bleibt unklar, auf welche völkervertragsrechtliche(n) Bestimmung(en) des IPwskR sich die Klägerin überhaupt stützen will und dass diese Bestimmungen, die als revisibles Bundesrecht in Betracht kommen (zur Revisibilität völkerrechtlicher Verträge: BVerwGE 134, 1, 20; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 162 RdNr 4b), ohne weitere normative Ausgestaltung durch innerstaatliche Rechtsetzungsorgane unmittelbar anwendbar sind, also nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet und hinreichend bestimmt sind, wie innerstaatliche Rechtsvorschriften zu wirken (zu diesen Voraussetzungen allgemein vgl: BVerwGE 87, 11, 13; 92, 116, 118; 134, 1, 20). Schließlich legt die Begründung nicht dar, welchen Sachverhalt das LSG festgestellt hat und ob gerade im Blick hierauf die angesprochenen Probleme im erstrebten Revisionsverfahren klärungsfähig wären.

11

Ebenso wenig ist der Zulassungsgrund der Divergenz schlüssig dargetan.

12

Von vornherein nicht divergenzfähig sind die "Abschließenden Bemerkungen des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" vom 20.5.2011 sowie die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16.10.2012 (49646/10, 3365/11). Denn hierbei handelt es sich nicht um Entscheidungen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG. Auch angebliche "Widersprüche" innerhalb der Rechtsprechung des BVerfG vor und nach 2004, insbesondere zwischen dem "Leiturteil" vom 28.4.1999 (1 BvL 32/95 ua - BVerfGE 100, 1 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3) einerseits und dem Beschluss des BVerfG vom 6.7.2010 (1 BvL 9/06, 1 BvL 2/08 - BVerfGE 126, 233 = SozR 4-8570 § 6 Nr 5) andererseits können nicht zur Revisionszulassung führen.

13

Ebenso wenig sind Verfahrensmängel schlüssig bezeichnet. Soweit die Klägerin Verletzungen des Amtsermittlungsprinzips (§ 103 SGG) und des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG iVm Art 103 Abs 1 GG) geltend macht, weil das "im GG verbürgte(s) Recht auf Gehör durch ungenügende Untersuchungen durch das Gericht und wegen der Unterlassung von Beweiserhebungen nicht ausreichend berücksichtigt bzw. sogar verletzt" werde, hat sie weder Fundstelle oder Wortlaut prozessordnungskonformer Beweisanträge wiedergegeben noch behauptet, derartige Anträge in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG wiederholt bzw gestellt und damit alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen.

14

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

15

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Dr. Berchtold
Dr. Koloczek
Karmanski

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