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Bundessozialgericht
Beschl. v. 14.04.2015, Az.: B 13 R 72/15 B
Rente wegen Erwerbsminderung; Verfahrensrüge; Nicht rechtskundig vertretener Beteiligter; Verlangen eines weiteren Gutachtens
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 14.04.2015
Referenz: JurionRS 2015, 15816
Aktenzeichen: B 13 R 72/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Niedersachsen-Bremen - 27.01.2015 - AZ: L 12 R 7/14

SG Aurich - AZ: S 6 R 144/11

BSG, 14.04.2015 - B 13 R 72/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Auch wenn ein Beteiligter im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertreten war, muss er nach § 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 SGG darlegen, einen konkreten Beweisantrag zumindest sinngemäß gestellt zu haben, und deshalb angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um den Fall weiter aufzuklären.

2. Daher müssen auch unvertretene Kläger dem Berufungsgericht verdeutlichen, dass und ggf. aus welchem Grund sie die Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansehen, und deshalb im Berufungsverfahren auf die weitere Sachverhaltsaufklärung hinwirken.

3. Es ist nicht ausreichend, lediglich in der Beschwerdebegründung vorzutragen, das Berufungsgericht habe den tatsächlichen Gesundheitszustand nicht hinreichend berücksichtigt und es hätte unter Berücksichtigung weiterer ärztlicher Atteste ein "neues umfangreiches Gutachten" einholen müssen.

4. Ein solcher Vortrag enthält keinen im Berufungsverfahren auch nur sinngemäß gestellten Beweisantrag.

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 72/15 B

L 12 R 7/14 (LSG Niedersachsen-Bremen)

S 6 R 144/11 (SG Aurich)

........................,

Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: ............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover,

Lange Weihe 2, 30880 Laatzen,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 14. April 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l , den Richter Dr. F i c h t e und die Richterin Dr. O p p e r m a n n

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Januar 2015 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin S. aus A. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Beschluss vom 27.1.2015 einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten beantragt. Sie rügt eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG).

II

3

Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen.

4

Gemäß § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall. Deshalb kommt eine Beiordnung von Rechtsanwältin S. aus A. für das Beschwerdeverfahren nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

5

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 26.3.2015 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

6

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7

Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).

8

Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, dass sie einen entsprechenden (prozessordnungsgemäßen) Beweisantrag gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG gestellt und bis zuletzt vor dem Berufungsgericht aufrechterhalten habe.

9

Auch wenn - wie hier - ein Beteiligter im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertreten war, muss er nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG darlegen, einen konkreten Beweisantrag zumindest sinngemäß gestellt zu haben, und deshalb angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um den Fall weiter aufzuklären. Daher müssen auch unvertretene Kläger dem Berufungsgericht verdeutlichen, dass und ggf aus welchem Grund sie die Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansehen, und deshalb im Berufungsverfahren auf die weitere Sachverhaltsaufklärung hinwirken (vgl BSG vom 28.5.2013 - B 5 R 38/13 B - BeckRS 2013, 69985 RdNr 8; Senatsbeschluss vom 3.12.2013 - B 13 R 447/12 B - BeckRS 2013, 75098 RdNr 13, jeweils mwN). Ebenso wie bei vor dem LSG rechtskundig vertretenen Beteiligten ist im Rahmen der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde der Beweisantrag so genau zu bezeichnen, dass ihn das Revisionsgericht ohne Weiteres auffinden kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; Nr 21 RdNr 5). Es ist daher auch bei im Berufungsverfahren unvertretenen Beteiligten darzulegen, wann und wie sie dem LSG gegenüber den aus ihrer Sicht noch notwendigen Aufklärungsbedarf geltend gemacht haben (vgl BSG vom 18.1.2011 - B 5 RS 55/10 B - BeckRS 2011, 68263 RdNr 9; Senatsbeschluss vom 3.12.2013, aaO). Wird - wie hier - im Beschlussverfahren (§ 153 Abs 4 S 1 SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden, ist der Beweisantrag, der nach Erhalt einer Anhörungsmitteilung (§ 153 Abs 4 S 2 SGG) nicht wiederholt wird, grundsätzlich so zu behandeln, als habe er sich erledigt (vgl BSG vom 18.12.2000 - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; BSG vom 6.7.2006 - SozR 4-1500 § 160 Nr 11 RdNr 7, stRspr).

10

Der Beschwerdevortrag entspricht nicht den aufgezeigten Anforderungen. Es ist nicht ausreichend, lediglich in der Beschwerdebegründung vorzutragen, das Berufungsgericht habe den tatsächlichen Gesundheitszustand der Klägerin nicht hinreichend berücksichtigt und es hätte unter Berücksichtigung weiterer von der Klägerin vorgelegter ärztlicher Atteste ein "neues umfangreiches Gutachten von einem Nervenarzt und Psychiater" einholen müssen. Dieser Vortrag enthält keinen im Berufungsverfahren auch nur sinngemäß gestellten Beweisantrag. Ihr weiterer Vortrag, das LSG hätte feststellen müssen, "dass sämtliche Beweisangebote der Klägerin nicht ausgeschöpft wurden", entzieht sich einer Überprüfung durch den Senat. Es bleibt schon unklar, um welche Beweisangebote der Klägerin es sich zumindest sinngemäß gehandelt habe. Jedenfalls ergibt sich aus dem Beschwerdevortrag nicht, dass die Klägerin den aus ihrer Sicht notwendigen Aufklärungsbedarf dem LSG im Laufe des Berufungsverfahrens hinreichend verdeutlicht hätte.

11

Soweit der Vortrag der Klägerin dahin geht, dass das LSG medizinische Unterlagen bei seiner Entscheidungsfindung und den Gesundheitszustand der Klägerin nicht hinreichend berücksichtigt habe, zielt der Vortrag auf Mängel in der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts ab. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ein Verfahrensmangel nicht auf § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) gestützt werden.

12

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

13

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Fichte
Dr. Oppermann

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