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Bundessozialgericht
Beschl. v. 13.10.2015, Az.: B 10 ÜG 16/14 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.10.2015
Referenz: JurionRS 2015, 31025
Aktenzeichen: B 10 ÜG 16/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 30.04.2014 - AZ: L 2 SF 3694/12 EK

BSG, 13.10.2015 - B 10 ÜG 16/14 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 10 ÜG 16/14 B

L 2 SF 3694/12 EK (LSG Baden-Württemberg)

................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: ............................................,

gegen

Land Baden-Württemberg,

vertreten durch das Justizministerium Baden-Württemberg,

Schillerplatz 4, 70173 Stuttgart,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat am 13. Oktober 2015 durch die Richterin Dr. R o o s als Vorsitzende sowie die Richter O t h m e r und Dr. R ö h l

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 30. April 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 25 200 Euro festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger betreibt seit Jahren in der Sozialgerichtsbarkeit eine Vielzahl von Verfahren. So führte er allein von 2005 bis 2012 ca 660 Verfahren beim SG Karlsruhe und ca 1240 Verfahren beim LSG Baden-Württemberg. Beim BSG waren von 2006 bis 2012 ca 260 Verfahren anhängig.

2

Mit Urteil vom 30.4.2014 hat das LSG einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung wegen überlanger Dauer eines vorangegangenen Gerichtsverfahrens über Sozialhilfeansprüche des Klägers verneint.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, mit der er eine Reihe von Verfahrensfehlern rügt. Der Senat hat dem Kläger für dieses und weitere Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und eine Rechtsanwältin beigeordnet. Im Parallelverfahren B 10 ÜG 9/14 B hat diese Prozessbevollmächtigte die Beschwerde nicht begründet, sondern das Mandat niedergelegt. Im vorliegenden Verfahren trägt sie vor, das LSG habe die Prozessunfähigkeit des Klägers übersehen und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es seinen PKH-Antrag nicht beschieden und zudem ein Urteil aufgrund eines Erörterungstermins gesprochen habe. Außerdem habe das LSG ihm den gesetzlichen Richter entzogen, indem es über seinen Befangenheitsantrag unter Mitwirkung eines für ausgeschlossen erklärten Richters entschieden habe.

4

Eigenhändige Befangenheitsgesuche gegen den Vizepräsidenten des BSG und die Richter O. und Dr. R. vom 13.3.2015 sowie die Richterin Dr. Ro. vom 27.4.2015 sind als unzulässig verworfen worden (Beschluss vom 27.8.2015), dem Kläger zugestellt am 25.9.2015.

II

5

Der Kläger ist im vorliegenden Verfahren weiterhin wirksam von seiner Prozessbevollmächtigten vertreten, weil sie ihr Mandat nur in einem der anderen vom Kläger beim Senat betriebenen Verfahren mit dem Az B 10 ÜG 9/14 B niedergelegt hat. Sein Antrag, die Mandatsniederlegung auch im vorliegenden Verfahren abzulehnen, geht daher ins Leere.

6

Die von seiner Prozessbevollmächtigten begründete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

7

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung dieses Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargetan werden. Schon daran fehlt es hier.

8

1. Nicht festzustellen vermag der Senat die vom Kläger behauptete Prozessunfähigkeit, vgl § 71 Abs 1 SGG, § 104 Nr 2 BGB, und die daraus nach seiner Ansicht resultierende Erforderlichkeit, ihm einen besonderen Vertreter nach § 72 SGG zu bestellen. Wie der Senat bereits entschieden und dem Kläger schriftlich mitgeteilt hat, geht er von seiner Prozessfähigkeit aus (vgl ausführlich BSG Beschluss vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 8/14 B - SozR 4-1720 § 198 Nr 8 RdNr 10 mwN). Das LSG, dem als Grundlage seiner Überzeugungsbildung dieselben Gutachten wie dem Senat zur Verfügung standen, brauchte sich deshalb auch nicht gedrängt zu sehen, Beweisanträgen des Klägers im Zusammenhang mit einer vermeintlichen Prozessunfähigkeit nachzugehen. Ebenso wenig hatte das LSG Veranlassung, für den Kläger einen besonderen Vertreter zu bestellen. Damit liegt auch der absolute Revisionsgrund des § 202 SGG iVm § 547 Nr 4 ZPO nicht vor.

9

2. Ebenfalls nicht dargetan ist ein Verfahrensmangel im Zusammenhang mit der vom Kläger mehrfach wiederholten Beantragung von PKH für das Entschädigungsverfahren. Als Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann nicht die rechtswidrige Ablehnung von PKH als solche geltend gemacht werden, sondern nur eine Ablehnung, die eine Verletzung von verfassungsrechtlich fundierten prozessualen Gewährleistungen beinhaltet, weil sie auf Willkür beruht und damit gegen Art 3 Abs 1 GG und das Gebot der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten verstößt (BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 21). Für einen solchen willkürlichen Umgang des LSG mit den wiederholten PKH-Anträgen des Klägers ist nichts ersichtlich. Nachdem es mit Beschluss vom 19.11.2013 über den ersten PKH-Antrag des Klägers entschieden hatte, durfte es die mehrfache Wiederholung der Anträge auf PKH bei unverändertem Sach- und Streitstand (vgl BGH NJW 2009, 857 [BGH 16.12.2008 - VIII ZB 78/06]) insbesondere im Kontext des übrigen prozessualen Verhaltens des Klägers als rechtsmissbräuchlich ansehen und solche Anträge kursorisch in den Urteilsgründen abhandeln, ohne damit willkürlich zu handeln.

10

3. Genauso wenig substantiiert dargetan hat der Kläger die von ihm behaupteten Verstöße gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs.

11

Die von ihm vermisste Anhörung zur Frage der Prozessunfähigkeit durch das LSG hat ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung in Form einer nicht-öffentlichen Erörterung stattgefunden. Die Gutachten, zu denen der Kläger angeblich im Verfahren nicht Stellung beziehen konnte, hat er selber in das Verfahren eingeführt bzw darauf Bezug genommen, wie der Beklagte in seiner Erwiderung im Einzelnen zutreffend dargelegt hat. Wie der Beklagte ebenfalls zu Recht ausgeführt hat, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG zudem nicht gerügt, die Gutachten nicht zu kennen, mithin also nicht alles Zumutbare unternommen, sich Gehör zu verschaffen. Vor allem wurden die Gutachten vom LSG mit dem Kläger erörtert. Ein Gehörsverstoß liegt deshalb in diesem Zusammenhang ebenfalls fern.

12

4. Ebenfalls nicht substantiiert dargelegt hat die Beschwerde den von ihr behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters durch die Mitwirkung des vom Kläger zum wiederholten Mal als befangen abgelehnten Vorsitzenden Richters an Verhandlung und Entscheidung seines Rechtsstreits.

13

Grundsätzlich unterliegen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind und - wie im Falle einer Ablehnung eines Befangenheitsantrages durch ein LSG - unanfechtbar sind (§ 177 SGG), nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts (§ 202 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO). Deshalb kommt ein Verstoß gegen Art 101 Abs 1 S 2 GG nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften in Betracht (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 9 f). Hier liegt der Fall indes anders, weil das LSG die Befangenheitsanträge zuletzt nicht durch Zwischenentscheidung abgelehnt hat; vielmehr ist es - auch nach dem Vortrag des Klägers - in seinen Urteilsgründen von rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen, die unbeachtlich seien, ausgegangen. In einem solchen Fall kann sich die fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts - anders als in den Fällen einer Zwischenentscheidung - als Verfahrensfehler erweisen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (BSG Beschluss vom 13.8.2009 - B 8 SO 13/09 B - Juris; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 11). Auch eine solche fehlerhafte Anwendung einfachen Verfahrensrechts, hier § 60 SGG iVm § 42 ZPO, bei der Behandlung der Befangenheitsgesuche des Klägers hat die Beschwerde indes nicht hinreichend substantiiert dargelegt und damit noch weniger seines Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art 101 Abs 1 S 2 GG.

14

Vielmehr hat das LSG den wiederholten substanzlosen Befangenheitsantrag des Klägers nachvollziehbar als rechtsmissbräuchlich angesehen. Das LSG durfte darüber deshalb in der geschäftsplanmäßigen Besetzung unter Beteiligung des abgelehnten Vorsitzenden in den Urteilsgründen entscheiden (vgl BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 7; BVerfG NJW 2013, 1665 [BVerfG 11.03.2013 - 1 BvR 2853/11]; BVerfG NJW 2007, 3771 [BVerfG 20.07.2007 - 1 BvR 2228/06]; BFH NJW 2009, 3806 mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 60 RdNr 10d mwN; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 60 RdNr 79 ff). Das gilt auch vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechtsansichten des Gerichts und des Klägers über die Reichweite von dessen Akteneinsichtsrecht, vgl § 120 Abs 1 und 3 SGG. Die Ablehnung eines Akteneinsichtsgesuchs begründet, wenn sie nicht aus erkennbar sachfremden Erwägungen erfolgt, keine Besorgnis der Befangenheit, sondern eröffnet lediglich die Erinnerung des § 120 Abs 3 S 2 SGG; eine solche eingelegt zu haben trägt der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht vor. Ebenso wenig hat die Beschwerde dargelegt, an welchem entscheidungserheblichen Vortrag die angeblich zu Unrecht vorenthaltene Akteneinsicht den Kläger gehindert und weshalb sie deshalb sein rechtliches Gehör verletzt haben sollte.

15

5. Nicht substantiiert hat die Beschwerde schließlich ihren Vorwurf, das LSG habe zu Unrecht über einen vom Kläger erhobenen Amtshaftungsanspruch in der Sache entschieden und ihn damit gleichfalls seinem gesetzlichen Richter entzogen. Wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, hat das LSG einen eventuellen Amtshaftungsanspruch des Klägers zur Begründung seiner Klage überhaupt nicht in Erwägung gezogen und somit auch nicht darüber, sondern einzig und allein über einen Anspruch des Klägers aus § 198 GVG entschieden. Ohnehin hatte der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung keinen auf Entschädigung wegen Amtshaftung gerichteten Klageantrag oder einen Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits mehr gestellt. Die vom Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang einer sozialgerichtlichen Entscheidung über einen Amtshaftungsanspruch stellen sich daher nicht. Unabhängig davon enthält die Beschwerde auch keinerlei Darlegungen dazu, warum ein Amtshaftungsanspruch des Klägers gegen das beklagte Land bestehen und dafür eine zivilrechtliche Zuständigkeit begründet gewesen sein könnte.

16

6. Auch ein Verstoß gegen §§ 124 Abs 1, 129 Abs 1 SGG durch Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist nicht dargetan und kann auch nicht dargetan werden, weil das LSG den Kläger entgegen seiner Behauptung zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung geladen und diesen Termin auch durchgeführt hat. Dies ergibt sich übereinstimmend aus der Ladungsverfügung des Vorsitzenden und vor allem aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung, deren Richtigkeit die Beschwerde nicht substantiell infrage stellt. Die Frage, ob das Gericht mündlich verhandelt oder den Rechtsstreit nur erörtert hat, gehört zu wesentlichen Vorgängen der Verhandlung, die zur Nachprüfbarkeit des Verfahrenshergangs vom Rechtsmittelgericht benötigt werden. Sie sind deshalb von der besonderen Beweiskraft der Niederschrift gemäß § 122 SGG iVm § 165 ZPO umfasst (vgl Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl 2015, § 160 RdNr 2; BGH Urteil vom 26.4.1989 - I ZR 220/87 - Juris = NJW 1990, 121 [BGH 26.04.1989 - I ZR 220/87]). Eine mögliche Verwendung falscher Vordrucke für das Empfangsbekenntnis zur Ladung ändert daran nichts.

17

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

18

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

19

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.

20

8. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 47 Abs 2 und 3, § 52 Abs 1 bis 3, § 63 Abs 2 S 1 GKG und trägt dem explizit geäußerten Begehren des Klägers Rechnung.

Dr. Roos
Othmer
Dr. Röhl

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