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Bundessozialgericht
Beschl. v. 11.09.2015, Az.: B 12 R 26/14 B
Gesetzliche Versicherungspflicht eines Notarztes; Begriff der Divergenz; Entwickeln anderer Maßstäbe; Verdeckte Widersprüche
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 11.09.2015
Referenz: JurionRS 2015, 28154
Aktenzeichen: B 12 R 26/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Niedersachsen-Bremen - 04.06.2014 - AZ: L 2/12 R 81/12

SG Oldenburg - AZ: S 5 R 52/10

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG

BSG, 11.09.2015 - B 12 R 26/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Divergenz bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind.

2. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat.

3. Das LSG weicht damit nur dann i.S. von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG von einer Entscheidung u.a. des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt.

4. Ist der Widerspruch zweier Rechtssätze nicht offensichtlich, so muss deren Unvereinbarkeit weiter begründet werden; verdeckte Widersprüche müssen herausgearbeitet werden.

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 R 26/14 B

L 2/12 R 81/12 (LSG Niedersachsen-Bremen)

S 5 R 52/10 (SG Oldenburg)

.................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: ..........................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

beigeladen:

Landkreis Wesermarsch,

Poggenburger Straße 15, 26919 Brake,

Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: ................................................. .

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 11. September 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. K r e t s c h m e r sowie den Richter Prof. Dr. B e r n s d o r f f und die Richterin Dr. K ö r n e r

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden des Klägers und des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 4. Juni 2014 werden als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob der klagende Arzt in seiner für den beigeladenen Landkreis ausgeübten Tätigkeit als Notarzt wegen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig war.

2

Die Beschwerden des Klägers und des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 4.6.2014 sind in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Sie haben in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Mit der Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Zulassung der Revision demgegenüber nicht erreichen.

4

1. Der Kläger und der Beigeladene machen in ihrer Beschwerdebegründung vom 24.9.2014 (S 6 bis 13) und dem ergänzenden Schriftsatz vom 13.8.2015 zunächst den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend. Hierzu muss die Beschwerdebegründung darlegen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

5

Die Beschwerdeführer formulieren auf Seite 7 f ihrer Beschwerdebegründung die folgenden vier Fragen,

"ob die Tatsache, dass ein freiberuflich tätiger Arzt, der neben dieser hauptberuflichen Tätigkeit im Umfang seiner noch verfügbaren Kapazität und seines eigenen Leistungswillens (not-)ärztliche Einzelaufträge annimmt und hierbei viele verschiedene Auftraggeber (zahlreiche eigene Patienten und verschiedene Träger des Rettungsdienstes in verschiedenen Regionen) haben kann, als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit zu werten ist,

ob die Berechtigung des Auftragnehmers, der zum einen überhaupt nicht zur Übernahme eines Auftrages verpflichtet ist, auch nach Annahme des Auftrages, theoretisch sogar nach Antritt eines Einsatzes ohne besondere Begründung, einen beliebigen Vertreter mit der gleichen Qualifikation zu stellen, als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit zu werten ist,

ob es als Indiz für eine abhängige Beschäftigung zu werten ist, wenn bei der Ausübung einer Tätigkeit innerhalb eines gesundheitssystemrelevanten Organisationsgefüges notwendigerweise - aufgrund des Sicherstellungsauftrages des Auftraggebers und gesetzlicher Regelungen - Vorgaben organisatorischer Art bestehen (wie zum Beispiel, dass die streitige Tätigkeit in den Räumlichkeiten des Auftraggebers bzw. in einem bestimmten vom Auftraggeber vorgegebenen Arbeitsbereich ausgeübt wird, Arbeitsmaterial zur Benutzung bereitgestellt wird und der Auftraggeber aufgrund der Art der Tätigkeit nur kurzfristig den einzelnen Arbeitsauftrag vorgeben kann), der Kernbereich der von dem Auftragnehmer zu übernehmenden Aufgaben aber weisungsfrei belassen wird,

ob die Tatsache, dass bei der ärztlichen Tätigkeit ein besonderes Pflichtengefüge vorherrscht, welches den Arzt dazu veranlasst, einen angetretenen Dienst geschweige denn einen begonnenen Notarzteinsatz nicht vorzeitig abzubrechen, als ein gewichtiges Argument für die Eingliederung in einen Betrieb herangezogen werden kann".

6

Die Beschwerdeführer vertreten hierzu die Auffassung, die vom BSG zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit entwickelten Grundsätze bedürften im Hinblick auf die (not)ärztliche Tätigkeit, die neben einer selbstständigen Tätigkeit ausgeführt wird, einer weiteren Entwicklung und Modifikation (S 7 der Beschwerdebegründung); das BSG müsse die Abgrenzungsmerkmale unter Bezugnahme auf die gestellten Fragen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung verfeinern (S 10). Sämtliche Einschränkungen der Autonomie der Notärzte beruhten auf gesetzlichen Vorgaben oder Rahmenbedingungen, die die Gewährleistung des Sicherstellungsauftrages mit sich bringe (S 9, 12 f). Die gesetzlichen Vorgaben und die Notwendigkeit von Rahmenbedingungen zur Gewährleistung des Sicherstellungsauftrages dürften nicht gleichgesetzt oder verwechselt werden mit einer Weisungsbefugnis des Auftraggebers, wenn jedenfalls der Kernbereich der zu übernehmenden Aufgaben weisungsfrei belassen werde, der Notarzt bei jedem einzelnen Auftragsabschnitt also selbstbestimmt und eigenverantwortlich entscheiden könne (S 8). Zur Begründung der Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Klärung der aufgeworfenen Fragen weisen die Beschwerdeführer unter Hervorhebung einschlägiger Rechtsprechung zunächst darauf hin, dass die Instanzgerichte den sozialversicherungsrechtlichen Status von Ärzten mit einer Nebentätigkeit als Notarzt nicht einheitlich bewerteten (S 10). Sodann legen sie dar, dass sich eine Entscheidung des BSG zur Fallgruppe der nebenberuflich tätigen Notärzte nicht finde und wenden sich einzelnen Entscheidungen des BSG im Kontext einzelner Indizien (Möglichkeit zur Benennung eines Vertreters: BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - Juris; Bedeutung der Vorgabe gewisser Eckpunkte und des äußeren Ablaufs: BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris; BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris) zu (S 11 f). Diese Entscheidungen sowie einschlägige Instanzrechtsprechung (S 12 f) habe das LSG trotz hierzu gegebener Hinweise "ignoriert" bzw "nicht berücksichtigt"; es habe "verabsäumt", den "richtigen Schluss zu treffen". Die Beschwerdeführer halten die herausgestellten Rechtsfragen für klärungsfähig, weil sich durch eine Beantwortung dieser Fragen in ihrem Sinne das Gewicht der in die Gesamtabwägung eingestellten Indizien so sehr verschöbe, "dass eine Beschäftigung nicht mehr hätte angenommen werden dürfen" (S 13).

7

Mit diesem Vorbringen genügen die Beschwerdeführer den an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) gestellten Anforderungen nicht. Sie legen die Klärungsbedürftigkeit der Fragen nicht in der gebotenen Weise dar.

8

Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdeführer mit ihren Fragen überhaupt hinreichend konkrete Rechtsfragen stellen, die in einem späteren Revisionsverfahren zu beantworten wären, oder vielmehr nur (verdeckte) Tatsachenfragen, also solche der Subsumtion des individuellen Sachverhalts (Tätigkeit des Klägers als eigentlich freiberuflicher Arzt mit verschiedenen Auftraggebern [eigene Patienten und verschiedene Träger des Rettungsdienstes]; Berechtigung zur Benennung eines beliebigen Vertreters; Sicherstellungsauftrag für die betriebenen Rettungswachen; Pflicht des Klägers, einen Notarzteinsatz durchzuführen) unter die Norm des § 7 SGB IV. Jedenfalls legen die Beschwerdeführer die Klärungsbedürftigkeit ihrer Fragen nicht in einer die Zulässigkeit ihrer Nichtzulassungsbeschwerden begründenden Weise dar. Insbesondere zeigen sie nicht hinreichend auf, warum sich ihre Fragen nicht bereits auf der Grundlage vorhandener Rechtsprechung zu § 7 SGB IV beantworten lassen. Als höchstrichterlich geklärt müssen Rechtsfragen nämlich auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie - wie hier zur Statusbewertung von nebenberuflich tätigen Notärzten - zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung und (Anwendung) der einschlägigen Norm aber schon zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde herausgestellten Rechtsfragen geben. Der im Rechtsstreit aufgetretene rechtliche Problemgehalt muss nämlich eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangen; die Revisionszulassung dient nicht zur weiteren Entscheidung des Rechtsstreits. Vor diesem Hintergrund verleiht der Hinweis, dass die vorinstanzlichen Entscheidungen im Ergebnis voneinander abweichen oder Instanzgerichte aus unterschiedlichen Bundesländern zur Ausgestaltung der Notarzttätigkeit nach dem jeweiligen Landesrecht unterschiedlich entschieden haben, der Rechtssache ebenso wenig grundsätzliche Bedeutung wie der Vortrag der Beschwerdeführer, für den klagenden Arzt hätten wegen des "gesundheitssystemrelevanten Organisationsgefüges" und der "Gewährleistung des gesetzlichen Sicherstellungsauftrages" Vorgaben organisatorischer Art bestanden. Die Beschwerdeführer erläutern insoweit beispielsweise nicht, warum sich wegen dieses Umstandes an dem Tatbestand der vom LSG angenommenen Eingliederung des Notarztes in den Betrieb des Beigeladenen etwas ändern soll. Auch zu den Fragen, inwieweit das Vorhandensein weiterer Auftraggeber für die Bewertung der konkreten Rechtsbeziehung - des einzelnen "Notarzt(schicht)auftrags" - von Bedeutung sein kann, welche Relevanz die Berechtigung zur Stellung eines Vertreters und die Befugnis zum Abbruch eines Einsatzauftrags haben können, wie die Abhängigkeit von gewissen "Eckpunkten" des jeweiligen Auftrags in der Gesamtabwägung einzuordnen ist usw, liegt umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Hinzuweisen ist insbesondere auf die - von den Beschwerdeführern teilweise sogar zitierten - drei Urteile des BSG vom 28.5.2008 (B 12 KR 13/07 R - Juris), 28.9.2011 (B 12 R 17/09 R - Juris) und 30.10.2013 (B 12 KR 17/11 R - Juris), in denen es für die dort genannten Berufstätigen eine Beschäftigung verneint und Selbstständigkeit angenommen hat. Mit diesen Entscheidungen und den darin enthaltenen zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen setzen sich die Beschwerdeführer nicht in der gebotenen Weise auseinander. Allein die Behauptung, das BSG habe eine Rechtsfrage in Bezug auf eine bestimmte Berufsgruppe noch nicht entschieden, genügt regelmäßig nicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, selbst wenn der Einzelfall beispielgebend für eine Vielzahl von Angehörigen dieser Berufsgruppe wäre und es insoweit voneinander abweichende Entscheidungen der Instanzgerichte gibt (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22).

9

2. Die Beschwerdeführer berufen sich in ihrer Beschwerdebegründung (S 13 bis 18) außerdem auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Divergenz bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).

10

a) Die Beschwerdeführer behaupten zunächst eine Abweichung des Berufungsurteils vom Urteil des BSG vom 25.4.2012 (B 12 KR 24/10 R - Juris).

11

Als konkreten, tragenden Rechtssatz des angefochtenen Urteils arbeiten sie heraus (S 14 der Beschwerdebegründung):

"für die Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung seien nicht alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festzustellen, in ihrer Tragweite zutreffend anzuerkennen und zu gewichten, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht einzustellen und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abzuwägen."

12

Diesem stellen sie als Rechtssatz der höchstrichterlichen Entscheidung gegenüber:

"die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als 'nicht-selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis' im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw. selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb [...] voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend anerkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 25.04.2012, Az.: B 12 KR 24/10 R, Rn. 25, zitiert nach juris)."

13

Zur Erläuterung tragen die Beschwerdeführer vor (S 14 ff), das LSG habe viele für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers sprechende Indizien gar nicht in seine Entscheidung eingestellt, insbesondere den tatsächlich auch so umgesetzten übereinstimmenden Willen der Vertragspartner, keine versicherungspflichtige Beschäftigung zu wollen (Hinweis auf BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris), die Verhältnisse vor Annahme des Einzelauftrags (Hinweis auf BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 24/10 R - Juris, mwN), den Umstand, dass der Beigeladene dem Kläger Fortbildungsmaßnahmen nicht bezahlt habe, was unter dem Topos "Unternehmerrisiko" zu diskutieren sei, usw.

14

Eine entscheidungserhebliche "Abweichung" des angefochtenen Berufungsurteils von der Rechtsprechung des BSG begründen die Beschwerdeführer damit nicht in der gebotenen Weise. Vielmehr wenden sie sich mit ihren Angriffen nur gegen die berufungsgerichtliche Rechtsanwendung im Einzelfall. In einer - angeblich - unrichtigen Anwendung eines in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten und vom LSG nicht infrage gestellten (das herangezogene Urteil des BSG wird von ihnen selbst zitiert) Rechtssatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall liegt keine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG. Nicht ein Rechtsanwendungsfehler, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Divergenzzulassung.

15

b) Die Beschwerdeführer behaupten sodann eine Abweichung des Berufungsurteils von den Urteilen des BSG vom 28.5.2008 (B 12 KR 13/07 R - Juris) und 12.2.2004 (B 12 KR 26/02 R - Juris).

16

Als Rechtssatz des Berufungsurteils stellen sie heraus (S 18 der Beschwerdebegründung),

"dass die Festlegung von Rahmenbedingungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen und organisatorischer Notwendigkeiten und die daraus folgende eingeschränkte Autonomie des Auftragnehmers als Indiz für eine abhängige Beschäftigung zu werten ist".

17

Als widersprechenden Rechtssatz der beiden höchstrichterlichen Urteile arbeiten sie heraus:

"dem Umstand, dass die jeweiligen 'Eckpunkte' des jeweiligen Auftrags wie Anfangs-, Endzeit und zu transportierende (hier auch zu behandelnde) Personen von dem Auftraggeber und der äußere Ablauf durch gesetzliche Vorgaben vorgegeben sind, dürfe keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden (BSG, Urt. v. 28.05.2008, Az.: B 12 KR 13/07 R, Rdn. 23, zitiert nach juris). Dies widerspricht aber auch dem vom Bundessozialgericht aufgestellten Rechtssatz im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung von Lehrtätigkeiten, dass eine abhängige Beschäftigung nicht bereits deswegen anzunehmen ist, weil dem Auftragnehmer der äußere Ablauf seiner Tätigkeit vorgegeben wird (BSG, Urt. v. 12.02.2004, Az.: B 12 KR 26/02 R)."

18

Ist der Widerspruch zweier Rechtssätze nicht offensichtlich, so muss deren Unvereinbarkeit weiter begründet werden. Verdeckte Widersprüche müssen herausgearbeitet werden. Hieran fehlt es vorliegend, zumal das BSG - wie die Beschwerdeführer selbst darlegen - ausgeführt hat, dass der Vorgabe von "Eckpunkten" und des äußeren Ablaufs als Indizien lediglich keine "entscheidende" Bedeutung beigemessen werden dürfe. Auch insoweit legen die Beschwerdeführer eine Divergenz also nicht in der geforderten Weise dar.

19

3. Die Kostenentscheidung beruht, weil jedenfalls der Kläger zu dem nach § 183 SGG begünstigten Personenkreis gehört, einheitlich auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dr. Kretschmer
Prof. Dr. Bernsdorff
Dr. Körner

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