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Bundessozialgericht
Beschl. v. 11.06.2015, Az.: B 9 V 2/15 B
Einmalige Entschädigung nach dem BVG im Zugunstenverfahren; Divergenzrüge; Ausgeschlossene Kriegsopfer
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 11.06.2015
Referenz: JurionRS 2015, 20294
Aktenzeichen: B 9 V 2/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Hessen - 01.08.2014 - AZ: L 1 VE 8/13

SG Gießen - AZ: S 10 VE 32/11

Rechtsgrundlagen:

§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG

§ 7 Abs. 2 BVG

§ 8 S. 1 BVG

BSG, 11.06.2015 - B 9 V 2/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dürfen Kriegsopfer, die nach § 7 Abs. 2 BVG aus dem berechtigten Personenkreis ausgeschlossen sind, auch nicht über § 8 S. 1 BVG im Ermessenswege einbezogen werden.

in dem Rechtsstreit

Az: B 9 V 2/15 B

L 1 VE 8/13 (Hessisches LSG)

S 10 VE 32/11 (SG Gießen)

...............................................,

Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer,

gegen

Land Hessen,

vertreten durch das Regierungspräsidium Gießen - Landesversorgungsamt Hessen -,

Landgraf-Philipp-Platz 1 - 7, 35390 Gießen,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 11. Juni 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richterin Dr. R o o s und den Richter Dr. R ö h l

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 1. August 2014 Prozesskostenhilfe zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 1. August 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt im Zugunstenverfahren eine einmalige Entschädigung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

2

Der 1933 geborene Kläger lebt in Bosnien-Herzegowina. Er beantragte 1988 beim Versorgungsamt Fulda die Gewährung von Beschädigtenversorgung, weil er im Juli 1945 durch liegengelassenes Kriegsmaterial verletzt worden sei. Der Kläger bezieht in seinem Heimatland als ziviles Kriegsopfer eine Rente.

3

Der ursprüngliche Versorgungsantrag des Klägers blieb ebenso ohne Erfolg (Bescheide vom 20.6.1989 und 11.9.1991, Widerspruchsbescheid vom 21.8.1996) wie das anschließend von ihm angestrengte Sozialgerichtsverfahren. Das Hessische LSG lehnte seinen Anspruch ab, weil das BVG nach seinem § 7 Abs 2 auf den Kläger keine Anwendung finde, da er aus derselben Ursache einen Anspruch auf Versorgung gegen einen anderen Staat habe und zwischenstaatliche Vereinbarungen nichts anderes bestimmten (Urteil vom 7.5.1998).

4

Im März 2011 beantragte der Kläger die Überprüfung der ablehnenden Bescheide sowie die Gewährung einer einmaligen Beihilfe. Der Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 28.3.2011, Widerspruchsbescheid vom 27.6.2011). Das vom Kläger angerufene Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 8.6.2012), weil § 7 Abs 2 BVG eine Gewährung von Leistungen ausschließe und das BVG ohnehin keine einmaligen Entschädigungsleistungen vorsehe. Das Hessische LSG hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung auf die erstinstanzliche Entscheidung sowie auf sein eigenes Urteil aus dem Jahr 1998 verwiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 19.8.2014 zugestellt worden (Urteil vom 1.8.2014).

5

Mit seiner am 6.1.2015 beim BSG eingegangenen Beschwerde, für die er zugleich Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt, wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Bei der Feststellung des Tatbestands im angeführten Urteil seien wesentliche Verletzungen begangen worden. Er erinnere sich noch sehr gut, dass deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg in seiner Heimatstadt gewesen seien. Außerdem weise er darauf hin, dass einzelne seiner Bekannten und Nachbarn vor dem Jahr 1992 ihre Ansprüche als Zivilopfer des Zweiten Weltkriegs nach den gesetzlichen Bestimmungen der Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht hätten.

II

6

1. Der PKH-Antrag des Klägers ist unbeschadet vorhandener Wiedereinsetzungsgründe unbegründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die von dem Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.

7

Die Nichtzulassungsbeschwerde würde aller Voraussicht nach in der Sache scheitern. Hinreichende Erfolgsaussicht hätte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Vorbringens des Klägers - Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Nach § 7 Abs 2 BVG wird auf Kriegsopfer, die aus derselben Ursache einen Anspruch auf Versorgung gegen einen anderen Staat besitzen, das BVG nicht angewendet, es sei denn, dass zwischenstaatliche Vereinbarungen etwas anderes bestimmen. Nach den Feststellungen der Instanzgerichte sind die Voraussetzungen dieses Anspruchsausschlusses im vorliegenden Fall gegeben, da der Kläger wegen der hier geltend gemachten Schädigungsfolgen Leistungen als ziviles Kriegsopfer von seinem Heimatstaat erhält und anderslautende zwischenstaatliche Vereinbarungen nicht bestehen. Weiter ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats Kriegsopfer, die nach § 7 Abs 2 BVG aus dem berechtigten Personenkreis ausgeschlossen sind, auch nicht über § 8 S 1 BVG im Ermessenswege einbezogen werden dürfen (BSG Urteil vom 8.11.2007 - B 9/9a V 1/06 R - RdNr 20, Juris). Daher ist auch nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

8

Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dafür ist hier nichts ersichtlich. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob sich in seiner Kindheit deutsche Truppen in seiner Heimatstadt aufgehalten hätten, kommt es ohnehin nicht an, weil § 7 Abs 2 BVG ihn pauschal von einer Entschädigung nach deutschem Recht ausschließt.

9

Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO).

10

2. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen, da er nicht selbst zum Kreis vertretungsbefugter Personen gehört. Sowohl die Beschwerdeschrift als auch die Beschwerdebegründungsschrift muss von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden.

11

3. Die Verwerfung der nicht formgerecht eingelegten Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.

12

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Roos
Dr. Röhl

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