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Bundessozialgericht
Beschl. v. 10.06.2015, Az.: B 12 KR 33/14 B
Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Lebensversicherungen; Substantiierung einer Grundsatzrüge; Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Regelungen; Bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit im Groben
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.06.2015
Referenz: JurionRS 2015, 20003
Aktenzeichen: B 12 KR 33/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Rheinland-Pfalz - 06.03.2014 - AZ: L 5 KR 226/13

SG Trier - AZ: S 1 KR 5/13

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG

BSG, 10.06.2015 - B 12 KR 33/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Zwar kann auch eine Frage, mit der die Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Regelungen geltend gemacht wird, Gegenstand einer Grundsatzrüge sein, jedoch muss die Frage dann hinreichend klar in den jeweiligen gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Kontext eingeordnet werden.

2. Dazu bedarf es substanzieller Argumentation und einer Erörterung der Ausgestaltung und des Bedeutungsgehalts der in Frage stehenden Normen sowie der Auseinandersetzung mit dazu ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung.

3. Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit im Groben genügt dazu nicht, vielmehr sind insoweit nähere erläuternde Ausführungen und eine sorgfältige Analyse der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG geboten.

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 KR 33/14 B

L 5 KR 226/13 (LSG Rheinland-Pfalz)

S 1 KR 5/13 (SG Trier)

......................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigter: ............................................,

gegen

DAK-Gesundheit,

Nagelsweg 27 - 31, 20097 Hamburg,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

beigeladen:

DAK-Gesundheit-Pflegekasse,

Nagelsweg 27 - 31, 20097 Hamburg.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 10. Juni 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. K r e t s c h m e r sowie die Richter Dr. M e c k e und Dr. K a l t e n s t e i n

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. März 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der bei der Beklagten freiwillig krankenversicherte und bei der Beigeladenen in der sozialen Pflegeversicherung versicherte Kläger gegen die Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Lebensversicherungen im Zeitraum 1.3.2011 bis 30.11.2012, währenddessen er (früher: selbstständig Erwerbstätiger) im Rentenbezug stand, eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausübte sowie Kapitalleistungen aus einer Lebensversicherung (Gesamtsumme 240 903,16 Euro) bezog.

2

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 6.3.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet. Der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 29.9.2014 war nicht zu berücksichtigen, weil er und der mit dem 13.5.2014 endenden Beschwerdebegründungsfrist beim BSG eingegangen ist (vgl § 160a Abs 2 S 1 SGG).

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4

1. Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 5.5.2014 allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Bei der Geltendmachung dieses Zulassungsgrundes muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

5

Der Kläger macht auf Seite 4 seiner Beschwerdebegründung geltend, der Rechtsstreit werfe die "Frage nach der Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Lebensversicherungen in der freiwilligen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung" auf. Es sei eine "grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage, ob bei der Beitragspflicht zu unterscheiden ist, ob eine Pflichtversicherung zur Krankenkasse und sozialen Pflegekasse besteht oder der Versicherte als freiwillig Versicherter Mitglied der Krankenkasse und Pflegekasse ist". Er rügt in diesem Zusammenhang eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung freiwillig Versicherter im Vergleich zu Pflichtversicherten und ist der Ansicht, dass "die Frage, ob man bei einer 'zwangsweisen' freiwilligen Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse zusätzlich zu einer Beitragspflicht herangezogen werden kann, ... eine Neubewertung in der Rechtsprechung" erfordere. Die vom BVerfG "1 BvR 1924/07" (= SozR 4-2500 § 229 Nr 5) vertretene Auffassung sei nicht mehr haltbar und widerspreche der Lebenswirklichkeit; er (der Kläger) habe in seiner aktiven Tätigkeitsphase als von der Pflichtversicherung ausgeschlossener und auf die freiwillige Mitgliedschaft in der Krankenversicherung angewiesener Selbstständiger nicht zwischen einer Pflichtversicherung und einer privatautonomen freiwilligen Versicherung wählen können.

6

Die Beschwerdebegründung erfüllt mit diesem Vorbringen offensichtlich nicht die Darlegungsanforderungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Der Kläger formuliert schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl dazu allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7), sondern macht im Kern lediglich die Unrichtigkeit des angegriffenen LSG-Urteils mit Rücksicht auf eine vermeintlich nicht mehr haltbare und der Lebenswirklichkeit widersprechende höchstrichterliche Rechtsprechung geltend. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181). Darüber hinaus erkennt der Kläger schon nicht hinreichend, dass (auch) freiwillig Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert sind (§ 20 Abs 3 SGB XI) sowie dass der von ihm angeführte BVerfG-Beschluss thematisch nur die Beitragspflicht von Leistungen aus einer Direktversicherung bei kraft Versicherungspflicht krankenversicherten Personen betrifft; die Frage der Rechtmäßigkeit einer ungleichen Beitragspflicht im Rahmen der - beim Kläger einschlägigen - freiwilligen Versicherung (§ 240 SGB V) einerseits und der Pflichtversicherung (§ 5 SGB V) andererseits hat der Beschluss nicht zum Gegenstand. Zwar kann auch eine Frage, mit der die Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Regelungen geltend gemacht wird, Gegenstand einer Grundsatzrüge sein, jedoch muss die Frage dann hinreichend klar in den jeweiligen gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Kontext eingeordnet werden. Dazu bedarf es substanzieller Argumentation und einer Erörterung der Ausgestaltung und des Bedeutungsgehalts der in Frage stehenden Normen sowie der Auseinandersetzung mit dazu ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung. Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit im Groben genügt dazu nicht, vielmehr sind insoweit nähere erläuternde Ausführungen und eine sorgfältige Analyse der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG geboten (vgl zum Ganzen zB Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 14e mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen). Dem wird der Kläger nicht annähernd gerecht. So geht er auf § 240 SGB V und die dazu ergangene umfangreiche Rechtsprechung des BSG zu den beitragspflichtigen Einnahmen freiwillig Versicherter der gesetzlichen Krankenversicherung überhaupt nicht ein und unterlässt es ebenso, die Rechtsprechung des BVerfG zu den Anforderungen an einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz näher in den Blick zu nehmen.

7

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG.

8

3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung aus § 193 SGG.

Dr. Kretschmer
Dr. Mecke
Dr. Kaltenstein

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