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Bundessozialgericht
Beschl. v. 09.04.2015, Az.: B 4 AS 249/14 B
Rücknahme eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids; Substantiierung einer Grundsatzrüge; Rüge der unzutreffenden Würdigung eines BSG-Urteils
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 09.04.2015
Referenz: JurionRS 2015, 16907
Aktenzeichen: B 4 AS 249/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Berlin-Brandenburg - 09.04.2015 - AZ: L 31 AS 694/13

SG Berlin - AZ: S 8 AS 19010/09

BSG, 09.04.2015 - B 4 AS 249/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Eine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist.

2. Soweit eine vermeintliche unzutreffende Würdigung eines BSG-Urteils durch das Berufungsgericht kritisiert wird, setzt sich ein Beschwerdeführer mit der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung auseinander, die jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde ist.

in dem Rechtsstreit

Az: B 4 AS 249/14 B

L 31 AS 694/13 (LSG Berlin-Brandenburg)

S 8 AS 19010/09 (SG Berlin)

..............................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter: ..............................,

gegen

Jobcenter Berlin Tempelhof-Schöneberg,

Wolframstraße 89 - 92, 12105 Berlin,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat am 9. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. V o e l z k e sowie die Richterinnen S. K n i c k r e h m und B e h r e n d

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juli 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Streitig ist die Rücknahme des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 25.9.2006, mit dem der Beklagte die SGB II-Leistungsbewilligungen an die Klägerin wegen des Bezugs von Alg I teilweise aufgehoben und die Erstattung verlangt hat. Den Antrag der Klägerin auf Überprüfung und Rücknahme dieses Bescheides lehnte der Beklagte ab. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des SG vom 19.12.2012; Urteil des LSG vom 3.7.2014).

2

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, es liege eine Divergenz bzw grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vor. Das LSG habe für seine Annahme, dass bei einer teilweisen Aufhebung der bewilligten SGB II-Leistungen im Rahmen einer Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung nicht nach den verschiedenen Leistungsarten (KdU bzw Mehrbedarf oder Regelbedarf) differenziert werden müsse, auf das Urteil des BSG vom 7.7.2011 (B 14 AS 152/10 R) Bezug genommen. Dabei habe das Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen, dass der 14. Senat des BSG in dem bezeichneten Urteil lediglich eine Aussage zur hinreichenden Bestimmtheit einer isolierten Erstattungsentscheidung getroffen habe. Der weiteren Entscheidung des BSG vom 10.9.2013 (B 4 AS 89/12 R) sei im Umkehrschluss zu entnehmen, dass eine Differenzierung nach KdU, Regel- und Mehrbedarf bei einer teilweisen Leistungsaufhebung erforderlich sei. Mit seinen Formulierungen ("einer näheren Differenzierung nach Monaten sowie nach dem Umfang der Aufhebung bezüglich der Leistungsarten [Regelleistung, Kosten der Unterkunft und Heizung] bedurfte es hier wegen der vollumfänglichen Aufhebung nicht, weil für die Klägerin erkennbar war, welche Bezugsmonate von der Aufhebung in vollem Umfang betroffen waren"), habe das BSG im Umkehrschluss klarstellen wollen, dass eine Differenzierung bei einer nur teilweisen Aufhebungsentscheidung notwendig sei.

II

3

Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die als Zulassungsgründe geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) bzw einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 SGG zu verwerfen.

4

Eine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN, stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Der Beschwerdeführer hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ggf des Schrifttums nicht ohne Weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

5

Diesen Darlegungserfordernissen wird die Klägerin mit ihrem Vorbringen nicht gerecht, weil sie schon keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung formuliert hat. Soweit sie eine aus ihrer Sicht unzutreffende Würdigung des BSG-Urteils vom 7.7.2011 (B 14 AS 153/10 R) durch das Berufungsgericht kritisiert, setzt sie sich mit der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung auseinander, die jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

6

Unabhängig hiervon fehlt es an einer ausreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit des formulierten Fragenkomplexes zur Bestimmtheit von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden, weil die Klägerin die bisherige Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG nur unvollständig in ihre Beschwerdebegründung einbezieht und aktuelle Entscheidungen, die hier einschlägig sind, nicht berücksichtigt (vgl zu diesem Erfordernis Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 14d). Zwar zitiert die Klägerin das Urteil des 14. Senats des BSG vom 29.11.2012 (B 4 AS 196/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 2 RdNr 17). Sie befasst sich jedoch nicht damit, dass - nach den dort gegebenen Einzelfallumständen - eine nicht nach den bewilligten Regelbedarfen und den Leistungen für Unterkunft und Heizung differenzierende Aufhebungsverfügung als ausreichend bestimmt iS des § 33 SGB X angesehen worden ist. Sie ist in ihrer Beschwerdebegründung auch nicht darauf eingegangen, dass nach der Rechtsprechung des BSG eine hinreichende Klarheit über die intendierte Regelung selbst dann bestehen kann, wenn zur Auslegung des Verfügungsatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26; BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, RdNr 15; BSG Urteil vom 14.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 30 ff).

7

Auch eine Divergenz ist nicht ausreichend bezeichnet. Die Klägerin hat keinen abstrakten Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen Urteil und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnet, dass die Divergenz erkennbar wird. Sie hat lediglich einzelne Passagen aus verschiedenen Entscheidungen des BSG wiedergegeben.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Prof. Dr. Voelzke
Knickrehm
Behrend

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