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Bundessozialgericht
Beschl. v. 05.01.2015, Az.: B 8 SO 64/14 B
Rüge unzureichender Sachaufklärung; Übergehen eines Beweisantrages; Rechtskundig vertretener Beteiligter
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 05.01.2015
Referenz: JurionRS 2015, 10159
Aktenzeichen: B 8 SO 64/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Berlin-Brandenburg - 17.07.2014 - AZ: L 15 SO 102/10

SG Berlin - AZ: S 47 SO 745/09

BSG, 05.01.2015 - B 8 SO 64/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Im Hinblick auf § 160 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz SGG muss die Beschwerdebegründung zunächst einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt ist, bezeichnen, sodann die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Basis bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, darlegen und die voraussichtlichen Ergebnisse der unterbliebenen Beweiserhebung angeben. Schließlich wäre zu schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich unterlassenen Beweisaufnahme beruhen könne, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können.

2. Das Übergehen eines Beweisantrags i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz SGG liegt zumindest bei rechtskundig vertretenen Beteiligten nur dann vor, wenn der Beweisantrag in der abschließenden mündlichen Verhandlung zu einem Zeitpunkt gestellt bzw wiederholt wurde, in dem feststand, dass das LSG von sich aus keine Ermittlungen mehr durchführen würde.

3. Wird ein zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt, so gilt er bei einem rechtskundig vertretenen Beteiligten als erledigt.

in dem Rechtsstreit

Az: B 8 SO 64/14 B

L 15 SO 102/10 (LSG Berlin-Brandenburg)

S 47 SO 745/09 (SG Berlin)

..............................,

Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: ..........................................,

gegen

Land Berlin,

Karl-Marx-Straße 83, 12043 Berlin,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat am 5. Januar 2015 durch den Vorsitzenden Richter E i c h e r sowie die Richterinnen K r a u ß und S i e f e r t

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Juli 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin K beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Der Kläger macht einen Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - geltend. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17.5.2010; Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Berlin-Brandenburg vom 17.7.2014).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und beantragt zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin K . Das LSG habe verfahrensfehlerhaft gehandelt, weil es dem von ihm zuletzt mit Schriftsatz vom 11.7.2014 gestellten Antrag, ein weiteres gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Es habe dagegen die Auffassung vertreten, die medizinischen Fragestellungen seien durch das Gutachten des Sachverständigen M vom 31.5.2012 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 24.9.2012 ausreichend geklärt. Den in diesem Zusammenhang gestellten Antrag, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, habe das LSG zurückgewiesen (Beschluss vom 2.8.2012), und das Urteil auf ein Gutachten gestützt, das ihn diffamiere sowie unsachlich in seinen Rechten verletze. Das LSG habe ihm ferner ein rechtsstaatliches Verfahren verwehrt und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil der gerichtlich bestellte Sachverständige nicht zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden sei. Die Anwesenheit des Sachverständigen sei aber als zwingend notwendig anzusehen gewesen, weil den Beteiligten die Möglichkeit hätte eingeräumt werden müssen, den Sachverständigen zu dem Gutachten unmittelbar und gezielt zu befragen, dies insbesondere deshalb, weil sich das LSG bei der Entscheidungsfindung die Ausführungen des Sachverständigen zu eigen gemacht habe. Auf diesem Verfahrensfehler beruhe das Urteil mithin. Der Rechtssache komme schließlich grundsätzliche Bedeutung zu, weil sich die Frage stelle, inwieweit ein gerichtliches Sachverständigengutachten die Menschenrechte aus Art 6 Abs 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu respektieren habe. Daran fehle es vorliegend; durch die Bezugnahme auf das ihn, den Kläger, diskriminierende Gutachten im Urteil des LSG sei seine Menschenwürde in Ausformung des Persönlichkeitsrechts unzulässig verletzt worden.

II

3

Die Beschwerde ist unzulässig; denn der Kläger hat weder die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) in der gebotenen Weise bezeichnet noch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) in der erforderlichen Weise dargelegt. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG entscheiden.

4

Die Beschwerde genügt den Begründungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht, soweit der Kläger die unzureichende Sachaufklärung durch das LSG (§ 103 SGG) rügt. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zwar zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nach Halbsatz 2 der Regelung aber auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Im Hinblick auf § 160 Abs 2 Nr 3 2. Halbsatz SGG muss die Beschwerdebegründung insoweit zunächst einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt ist, bezeichnen, sodann die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Basis bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, darlegen und die voraussichtlichen Ergebnisse der unterbliebenen Beweiserhebung angeben; schließlich wäre zu schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich unterlassenen Beweisaufnahme beruhen könne, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45 und § 160a Nr 24, 34). Diesen Erfordernissen ist der Kläger nicht gerecht geworden.

5

Vorliegend hat der Kläger schon nicht vorgetragen, dass er den schriftsätzlich gestellten Antrag vom 11.7.2014, auf den er sich in der Beschwerdebegründung bezieht, in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 17.7.2014 ausdrücklich aufrechterhalten hat. Das Übergehen eines Beweisantrags iS des § 160 Abs 2 Nr 3 2. Halbsatz SGG liegt aber zumindest bei rechtskundig vertretenen Beteiligten nur dann vor, wenn der Beweisantrag in der abschließenden mündlichen Verhandlung zu einem Zeitpunkt gestellt bzw wiederholt wurde, in dem feststand, dass das LSG von sich aus keine Ermittlungen mehr durchführen würde. Wird ein zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt, so gilt er bei einem rechtskundig vertretenen Beteiligten als erledigt (vgl nur BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 6 mwN). Wegen aller weiteren Punkte hätte es zudem des klägerseitigen Vortrags bedurft, welche Ansprüche im Einzelnen er überhaupt verfolgt und über welchen Sachverhalt vorliegend zu entscheiden war. Erst dann wäre das Revisionsgericht in die Lage versetzt zu prüfen, ob nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des LSG erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestand. Die Beschwerdebegründung lässt schon eine Darstellung des zur Entscheidung stehenden Sachverhalts vermissen; eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Begründung des LSG fehlt. Der Kläger behauptet lediglich, das LSG hätte dem vorliegenden Sachverständigengutachten nicht folgen dürfen. Es ist aber nicht Aufgabe des Senats, Streitgegenstand und Sachverhalt selbst den Akten zu entnehmen.

6

Auch mit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Grundgesetz; § 62 SGG) müssen nicht nur die genauen Umstände des geltend gemachten Verstoßes bezeichnet, also schlüssig dargelegt, werden. Da die Verletzung des rechtlichen Gehörs im sozialgerichtlichen Verfahren nicht als absoluter Revisionsgrund geregelt ist (vgl § 202 SGG iVm § 547 Zivilprozessordnung [ZPO]), ist zudem der Vortrag erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen Rechtsansicht - auf dem Gehörsverstoß beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36). Wie bereits dargelegt, fehlen indes jeglicher Vortrag zum Sach- und Streitstand sowie eine Auseinandersetzung mit der Begründung des LSG, sodass auch den Darlegungserfordernissen insoweit nicht im Ansatz Genüge getan ist.

7

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer deshalb eine konkrete Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie grundsätzlich auch deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung) darlegen.

8

Schon eine Frage hat der Kläger nicht ausreichend deutlich formuliert. Er macht lediglich geltend, dass die behaupteten, aus seiner Sicht besonders schwerwiegenden Verletzungen von Verfahrensgrundrechten durch das LSG zur grundsätzlichen Bedeutung der Sache führen würden. Welche Fragen rechtsgrundsätzlicher Art sich insoweit stellen sollten, wird aus seinem Vortrag nicht deutlich. Die Frage, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat, eröffnet die Revision jedoch nicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

9

Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 SGG, § 114 ZPO), ist dem Kläger auch keine PKH zu bewilligen; damit entfällt gleichzeitig die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 ZPO).

10

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.

Eicher
Krauß
Siefert

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