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Bundessozialgericht
Beschl. v. 04.09.2015, Az.: B 13 R 280/15 B
Rente wegen Erwerbsminderung; Verletzung des rechtlichen Gehör; Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge; Unzulässige Umgehung von Darlegungserfordernissen
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 04.09.2015
Referenz: JurionRS 2015, 25768
Aktenzeichen: B 13 R 280/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Hessen - 19.06.2015 - AZ: L 5 R 76/14

SG Gießen - AZ: S 4 R 519/11

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG

BSG, 04.09.2015 - B 13 R 280/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Wird eine Verletzung des rechtlichen Gehörs damit begründet, dass das Berufungsgericht einem Antrag auf "Einholung einer ergänzenden Stellungnahme" nicht nachgekommen sei, liegt hierin keine Gehörs-, sondern allenfalls eine Sachaufklärungsrüge.

2. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird.

3. Dass ein Beschwerdeführer mit der Auswertung und Würdigung der Sachverständigengutachten durch das LSG nicht einverstanden ist, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich.

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 280/15 B

L 5 R 76/14 (Hessisches LSG)

S 4 R 519/11 (SG Gießen)

.....................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: .....................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Hessen,

Städelstraße 28, 60596 Frankfurt am Main,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 4. September 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richter Dr. F i c h t e und Dr. K a l t e n s t e i n

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Juni 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom 19.6.2015 hat das Hessische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2

In ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil macht die Klägerin ausschließlich Verfahrensmängel geltend.

3

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 28.8.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie hat einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

5

1. Die Klägerin rügt, das LSG habe seine Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG verletzt, indem es dem "mündlich im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung am 19.06.2015 gestellten Antrag ... auf Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Frau Dr. med. S. nicht gefolgt" sei. Begründet habe es seine ablehnende Entscheidung damit, dass erfahrungsgemäß damit zu rechnen sei, dass der Gutachter nicht von seiner ursprünglichen Position abweiche, sondern auf seiner Auffassung beharre und keine sachaufklärende Stellungnahme mehr zu erwarten sei.

6

Mit diesem Vortrag hat die Klägerin einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) nicht in der gebotenen Weise dargelegt.

7

Sie hat bereits nicht hinreichend aufgezeigt, dass sie einen entsprechenden (prozessordnungsgemäßen) Beweisantrag gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG gestellt und bis zuletzt vor dem Berufungsgericht auch aufrechterhalten habe.

8

Ein - wie die Klägerin - in der Berufungsinstanz bereits anwaltlich vertretener Beteiligter kann nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG soll die Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Nr 31 S 52).

9

Die Klägerin hat schon keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG bezeichnet (s hierzu W. Fichte, SGb 2000, 653-659). Denn es fehlt bereits an der Angabe zu welchem ergänzenden Beweisthema eine weitere gutachterliche Stellungnahme von Dr. S. vom LSG eingeholt werden sollte. Zudem hat die Klägerin weder aufgezeigt, dass sie den vorgenannten "mündlichen" Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG durch Hinweis zu Protokoll ausdrücklich aufrechterhalten habe, noch hat sie ausgeführt, dass das Gericht diesen Antrag in seinem Urteil wiedergegeben habe.

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2. Soweit die Klägerin (auch) eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs darin sehen sollte, dass das Berufungsgericht ihrem Antrag auf "Einholung einer ergänzenden Stellungnahme durch Dr. S." nicht nachgekommen sei, liegt hierin keine Gehörs-, sondern allenfalls eine Sachaufklärungsrüge. Deren Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung - wie oben aufgezeigt - nicht. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird (Senatsbeschlüsse vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - Juris RdNr 15 und vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 12).

11

3. Dass die Klägerin mit der Auswertung und Würdigung der Sachverständigengutachten durch das LSG nicht einverstanden ist, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich. Denn insoweit wendet sie sich gegen die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) des Berufungsgerichts. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann hierauf eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden. Wenn die Klägerin ohne nähere inhaltliche Ausführungen meint, das LSG habe insoweit seine Fach- bzw Sachkompetenz nicht dargelegt, verkennt sie, dass die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Gutachtensergebnissen zur Beweiswürdigung selbst und damit zu den Kernaufgaben der Tatsacheninstanzen gehört (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 8).

12

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

13

5. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter.

14

6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Fichte
Dr. Kaltenstein

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