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Bundessozialgericht
Beschl. v. 01.02.2016, Az.: B 13 R 437/15 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 01.02.2016
Referenz: JurionRS 2016, 10611
Aktenzeichen: B 13 R 437/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 11.11.2015 - AZ: L 13 R 62/15

SG Karlsruhe - AZ: S 16 R 1103/14

BSG, 01.02.2016 - B 13 R 437/15 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 437/15 B

L 13 R 62/15 (LSG Baden-Württemberg)

S 16 R 1103/14 (SG Karlsruhe)

......................................,

Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: .........................................,

.........................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 1. Februar 2016 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richter G a s s e r und Dr. K a l t e n s t e i n

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. November 2015 vor dem Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

Das LSG Baden-Württemberg hat im Beschluss vom 11.11.2015 einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2

Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Beschluss einen Verfahrensmangel geltend. Er hat Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt.

II

3

Gemäß § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist hier nicht der Fall. Deshalb hat der Kläger auch keinen Anspruch auf PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

4

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 17.1.2016 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, denn er hat einen Verfahrensmangel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

5

Wird die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnet sein. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus muss dargestellt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kapitel IX RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht.

6

Der Kläger macht eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) geltend. Das LSG sei seinem in der Berufungsbegründung "sinngemäß" gestellten Antrag auf "Einholung eines aktuellen, interdisziplinären ärztlichen Obergutachtens durch eine geeignete Fachklinik oder ein Universitätsklinikum" nicht nachgekommen. Auch "ein weiteres phlebologisches Gutachten" sei nicht erstellt oder vom LSG auch nur in Betracht gezogen worden.

7

Der Beschwerdevortrag des Klägers erfüllt nicht die Anforderungen an die ordnungsgemäße Bezeichnung einer Sachaufklärungsrüge. Denn für den Vorhalt, das Gericht habe seine Verpflichtung zur Amtsermittlung gemäß § 103 SGG verletzt, bestehen nach § 160a Abs 2 S 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG spezifische Darlegungserfordernisse. Insoweit muss die Beschwerdebegründung (1) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen oder in der Entscheidung wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5) erläutern, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 8, stRspr).

8

Diese Anforderungen gelten uneingeschränkt allerdings nur, wenn der Beschwerdeführer bereits in der Berufungsinstanz durch einen rechtskundigen und berufsmäßigen Prozessbevollmächtigten vertreten war (BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5 mwN). War dies - wie hier - nicht der Fall, so kommen zum einen weniger strenge Anforderungen an Form und Inhalt eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags zur Anwendung (BSG Beschluss vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - Juris RdNr 5). Zum anderen wird dann aus dem Fehlen eines in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zu Protokoll - bzw in der Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich - aufrechterhaltenen Beweisantrags oder aus einem nach einer Anhörungsmitteilung des LSG nach § 153 Abs 4 S 2 SGG nicht wiederholten Beweisantrag nicht stets der Schluss gezogen, dass dieser Beweisantrag bewusst nicht weiterverfolgt werden sollte und daher vom Berufungsgericht als erledigt angesehen werden kann (vgl Senatsbeschluss vom 27.12.2011 - B 13 R 253/11 B - Juris RdNr 7; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 52; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 11 RdNr 7).

9

Der Umstand, dass ein Beteiligter im Berufungsverfahren nicht durch einen rechtskundigen und berufsmäßigen Prozessbevollmächtigten vertreten war, führt jedoch nicht dazu, dass die in § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG normierten Anforderungen an eine Sachaufklärungsrüge insgesamt unbeachtlich wären. Deshalb kann auch bei einem solchen Beteiligten nicht darauf verzichtet werden, dass er darlegt, einen konkreten Beweisantrag zumindest sinngemäß gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten zu haben; dazu gehört die Angabe, welche konkreten Punkte am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten wurden und welcher Beweismittel sich das Gericht bedienen sollte, um die begehrte weitere Aufklärung herbeizuführen (Senatsbeschluss vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - Juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - Juris RdNr 4).

10

Das Vorbringen des Klägers erfüllt die vorstehend genannten Erfordernisse nicht in gebotenem Maße. Dahingestellt bleiben kann, ob der vom Kläger nach seinem Beschwerdevortrag in seiner Berufungsbegründung sinngemäß formulierte Antrag auf Einholung eines sog Obergutachtens den vorgenannten Anforderungen an einen noch ausreichenden Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG bei nicht durch rechtskundige und berufsmäßige Prozessbevollmächtigte vertretenen Beteiligten erfüllt. Denn er stellt nicht schlüssig dar, dass und auf welche Weise er diesen Antrag wenigstens sinngemäß auch noch dann aufrechterhalten hat, nachdem ihm das LSG mitgeteilt hatte, dass es die Berufung im Verfahren nach § 153 Abs 4 SGG entscheiden wolle. In der Beschwerdebegründung heißt es insoweit lediglich: "Der Kläger hat an seinem Beweisantrag festgehalten." Diesem Vorbringen kann jedoch - anders als erforderlich - nicht entnommen werden, dass der Kläger auch nach der nach § 153 Abs 4 S 2 SGG erforderlichen Anhörungsmitteilung des LSG und noch vor Wirksamwerden des angefochtenen Beschlusses sein Begehren nach weiterer Sachaufklärung durch Einholung eines Obergutachtens wenigstens sinngemäß erneut geltend gemacht habe.

11

Sofern der Kläger rügt, das LSG habe auch "kein weiteres phlebologisches Gutachten eingeholt", ergibt sich aus der Beschwerdebegründung schon nicht, dass er einen entsprechenden (prozessordnungsgemäßen) Beweisantrag vor dem Berufungsgericht gestellt und diesen bis zuletzt aufrechterhalten habe.

12

Aber selbst wenn der Kläger seinen Beweisantrag auf Einholung eines Obergutachtens bis zuletzt aufrechterhalten haben sollte, versäumt er jedenfalls eine hinreichende Beschäftigung mit der weiteren Voraussetzung, weshalb sich das LSG angesichts der bereits vorliegenden Sachverständigengutachten zu einem Obergutachten hätte gedrängt sehen sollen. Eine Verpflichtung zur Einholung eines Obergutachtens besteht auch bei einander widersprechenden Gutachtensergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum. Gründe für eine Ausnahme sind hier nicht dargelegt. Liegen bereits mehrere Gutachten vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (BSG Beschluss vom 12.5.2015 - B 9 SB 93/14 B - Juris RdNr 6; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9). Derartige Umstände hat der Kläger nicht dargelegt; er gibt noch nicht einmal die vom LSG getroffenen (sozialmedizinischen) Feststellungen aus dem (von ihm auch nicht näher benannten) bereits vorliegenden phlebologischen Gutachten wieder. Vielmehr trägt er vor, dass aus den Berichten von Prof. Dr. M. vom 14.2.2014 und Prof. Dr. R. vom 7.5.2014 sich ergebe, dass "aus phlebologischer Sicht keine Einschränkungen bestünden". Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang rügt, das LSG sei zu Unrecht der Einschätzung des Dr. H., der "aufgrund von Einschränkungen im phlebologischen Bereich lediglich leichte körperliche Tätigkeiten von unter drei Stunden bzw drei bis sechs Stunden ausführbar" gehalten habe, sowie der "ähnlichen" Äußerung von "Dr. M. ", die ihm eine "Arbeitsunfähigkeit ohne Aussicht auf Besserung seiner Leistungsfähigkeit" bescheinigt habe, nicht gefolgt sei, weil es sich bei diesen Medizinern um auf dem Gebiet der Phlebologie fachfremde Ärzte handele, wendet er sich im Kern gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde auf die Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) von vornherein nicht gestützt werden.

13

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen einer Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

14

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Gasser
Dr. Kaltenstein

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