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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 31.07.2013, Az.: IV ZR 158/12
Aufrechnung und Verjährung als Einrede gegenüber einem Anspruch auf Rückzahlung eines Teilbetrags aus einem Darlehensvertrag i.R.d. gemeinsamen Erwerbs von Grundstücken
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 31.07.2013
Referenz: JurionRS 2013, 42626
Aktenzeichen: IV ZR 158/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Erfurt - 21.04.2011 - AZ: 3 O 1520/09

OLG Jena - 11.04.2012 - AZ: 7 U 390/11

BGH, 31.07.2013 - IV ZR 158/12

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Der Anspruch der beklagten Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist verletzt, wenn das Berufungsgericht nach Abweisung der Klage in erster Instanz die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Einrede der Verjährung nicht zulässt mit der Begründung, der zugrunde liegende Sachvortrag sei streitig. Denn die beklagte Partei ist nicht gehalten, bereits erstinstanzlich die Einrede der Verjährung zu erheben, wenn erkennbar ist, dass das Gericht die Klage abweisen wird und die zugrunde liegenden Tatsachen somit nicht erheblich sind.

  2. 2.

Der Berufungsbeklagte darf sich in erster Linie darauf beschränken, die zu seinen Gunsten ergangene Entscheidung zu verteidigen und neue Angriffsmittel des Berufungsklägers abzuwehren. Eine Regelung, die es ihm auferlegt, erstinstanzliches Vorbringen zu wiederholen oder jedenfalls in Bezug zu nehmen, existiert nicht.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 11. April 2012 zugelassen.

Nach § 544 Abs. 7 ZPO wird das vorgenannte Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 25.000 €

Gründe

1

I. Der Kläger nimmt den Beklagten aus einem Darlehensvertrag auf Rückzahlung eines Teilbetrages in Höhe von 25.000 € in Anspruch.

2

Im Juli 1999 gründeten die Parteien eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck der Erwerb und die Verwaltung mehrerer Grundstücke war. Den in dem notariellen Kaufvertrag vom 14. Juli 1999 vereinbarten Kaufpreis von 140.000 € zahlte der Kläger in mehreren Teilzahlungen auf ein Notaranderkonto. Am 1. Mai 2000 unterzeichneten die Parteien einen Darlehensvertrag, wonach der Kläger dem Beklagten ein Darlehen in Höhe von 63.750 DM zu einem Zinssatz von 6% gewährte.

3

Der Kläger hat behauptet, Anlass für das Darlehen sei der gemeinsame Erwerb der Grundstücke gewesen. Der Beklagte habe keine finanziellen Mittel gehabt, um seinen Kaufpreisanteil bezahlen zu können.

4

Der Beklagte hat vorgetragen, der vom Kläger gezahlte Kaufpreis sei die Einlage in die Gesellschaft gewesen. Hilfsweise hat er in Höhe von 20.451,68 € die Aufrechnung mit einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung erklärt.

5

Das Landgericht hat einen Darlehensrückzahlungsanspruch verneint und die Klage abgewiesen.

6

Der Beklagte hat erstmals im Berufungsverfahren die Einrede der Verjährung erhoben.

7

Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat einen Anspruch des Klägers auf Darlehensrückzahlung mindestens in Höhe der streitgegenständlichen 25.000 € bejaht. Mit der Verjährungseinrede sei der Beklagte präkludiert, da die den Verjährungseintritt begründenden Tatsachen streitig seien. Bei Zugrundelegung des Vortrags des Beklagten wäre der Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag vom 1. Mai 2000 nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 EGBGB mit Ablauf des 31. Dezember 2004 verjährt. Anders läge es nach dem bestrittenen Vortrag des Klägers, dass der Beklagte am 28. Juni 2002 eine Barzahlung von 20.000 DM vorgenommen und danach bis Ende 2008 im Wege der Aufrechnung weitere Tilgungsleistungen erbracht habe. Mit diesen Teilzahlungen hätte die dreijährige Verjährungsfrist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB i.V.m. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB jeweils erneut zu laufen begonnen. Der Beklagte habe keine Tatsachen dargelegt, die gegen eine Nachlässigkeit i.S. des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO sprächen.

8

Die in der Berufungsinstanz erstmals mit einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz erklärte Hilfsaufrechnung sei verspätet. Diese sei nicht Gegenstand der Berufungserwiderung gewesen, da eine zumindest pauschale Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen gefehlt habe.

9

Das Oberlandesgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

10

II. Die Beschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

11

1. Die Zulassung der Revision ist nicht, wie die Beschwerde meint, geboten, soweit das Berufungsgericht die Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruchs bejaht hat. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

12

2. Die Revision ist aber zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zuzulassen, weil das Berufungsgericht unter Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten seine Verjährungseinrede und die von ihm erklärte Hilfsaufrechnung wegen Verspätung nicht berücksichtigt hat.

13

a) Das Berufungsgericht hätte das Vorbringen des Beklagten zur Verjährung gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zulassen müssen.

14

aa) Nach dieser Vorschrift sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist. Die Parteien müssen in diesem Fall Gelegenheit erhalten, sich auf die gegenüber der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts abweichende rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht einzustellen und deshalb erforderlich gewordene neue Angriffs - und Verteidigungsmittel vorzubringen. Hierbei kann es sich auch um Gegenrechte handeln, deren Geltendmachung die Partei erst im Hinblick auf den neuen Gesichtspunkt für notwendig erachtet. Darauf, ob es ihr möglich gewesen wäre, das Gegenrecht schon in erster Instanz vorzubringen, kommt es nicht an. Die Parteien sollen nicht gezwungen sein, in erster Instanz vorsorglich auch solche Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzutragen, die vom Standpunkt des erstinstanzlichen Gerichts aus erkennbar unerheblich sind. Allerdings findet § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nur unter der weiteren ungeschriebenen Voraussetzung Anwendung, dass die (objektiv fehlerhafte) Rechtsansicht des Gerichts den erstinstanzlichen Sachvortrag der Partei beeinflusst hat und daher, ohne dass deswegen ein Verfahrensfehler gegeben wäre, mitursächlich dafür geworden ist, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert. Diese Voraussetzung ist unter anderem erfüllt, wenn die Partei durch die Prozessleitung des Erstrichters davon abgehalten worden ist, zu bestimmten Gesichtspunkten (weiter) vorzutragen oder ein vorhandenes Gegenrecht in den Prozess einzuführen. Gehörte ein bestimmter Gesichtspunkt hingegen zum erstinstanzlichen Streitstoff und konnte die Partei nicht darauf vertrauen, dass das Gericht ihn für unerheblich halten würde, muss sie ihre Prozessführung auch auf diesen Gesichtspunkt einrichten (BGH, Urteile vom 30. Juni 2006 V ZR 148/05, NJW -RR 2006, 1292 Rn. 16 ff.; vom 23. September 2004 VII ZR 173/03, NJW -RR 2005, 167 unter III 2 b aa; vom 19. Februar 2004 - III ZR 147/03, NJW -RR 2004, 927 unter II 2 a; jeweils m.w.N.).

15

bb) Der Beklagte wurde durch die Prozessleitung des Landgerichts davon abgehalten, zu Gegenrechten vorzutragen, etwa die Einrede der Verjährung zu erheben. Auf die Frage der Verjährung kam es nach Auffassung des Landgerichts nicht an, da es einen Rückzahlungsanspruch des Klägers schon dem Grunde nach verneinte. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 hat es die Parteien darauf hingewiesen, dass es eine Valutierung des Darlehens nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für nicht erwiesen erachte. Mit Blick darauf bestand für den Beklagten kein Anlass, die Verjährungseinrede zu erheben und dazu vorzutragen.

16

b) Zu Unrecht und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs hat das Berufungsgericht den Beklagten gemäß den §§ 525 Satz 1, 296a Satz 1 ZPO als mit der Hilfsaufrechnung ausgeschlossen angesehen, da diese mangels Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen nicht Gegenstand der Berufungserwiderung gewesen sei. Mit seiner Auffassung, die Berufungserwiderung hätte mindestens eine pauschale Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen enthalten müssen, hat das Berufungsgericht die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung verkannt, nach der keine Regelung existiert, die es dem Berufungsbeklagten auferlegte, erstinstanzliches Vorbringen zu wiederholen oder jedenfalls in Bezug zu nehmen. Dem Berufungsbeklagten obliegt es nur, seine Verteidigungsmittel insoweit vorzubringen, als es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Er darf sich in erster Linie darauf beschränken, die zu seinen Gunsten ergangene Entscheidung zu verteidigen und neue Angriffsmittel des Berufungsbeklagten abzuwehren (BVerfG NJW 2000, 131 [BVerfG 23.06.1999 - 2 BvR 762/98]).

17

c) Das Berufungsurteil beruht auf den Gehörsverletzungen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn es die Verjährungseinrede des Beklagten sowie sein Vorbringen zur Hilfsaufrechnung berücksichtigt hätte.

Mayen

Wendt

Felsch

Harsdorf-Gebhardt

Dr. Karczewski

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