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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 30.04.2015, Az.: I ZR 85/14
Anforderungen an die Darlegung eines Gehörsverstoßes; Zulässigkeit einer Anhörungsüge; Verzicht auf eine Begründung der Entscheidung über die Anhörungsrüge
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 30.04.2015
Referenz: JurionRS 2015, 26278
Aktenzeichen: I ZR 85/14
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG Köln - 07.03.2014 - AZ: 6 U 160/13

BGH, 30.04.2015 - I ZR 85/14

Redaktioneller Leitsatz:

Wendet sich die Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde, bedarf es dazu Ausführungen in Bezug auf die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision. Insbesondere kann eine neue und eigenständige Gehörsverletzung nicht damit begründet werden, dass der Bundesgerichtshof von der vom Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise vorgesehenen Begründungserleichterung gemäß § 544 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher und die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen

beschlossen:

Tenor:

Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 5. Februar 2015 wird auf Kosten der Streithelferin der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die Anhörungsrüge ist unzulässig. Die Ausführungen der Streithelferin der Beklagten genügen nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Gehörsverstoßes durch den Senat.

2

1. Eine Anhörungsrüge muss Ausführungen dazu enthalten, aus welchen Umständen sich die entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Gericht ergeben soll. Wendet sich die Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde, bedarf es dazu Ausführungen in Bezug auf die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision (BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - V ZR 142/08, NJW 2009, 1609 Rn. 4). Die Anhörungsrüge ist insoweit nur zulässig, wenn durch die Entscheidung der Nichtzulassung der Revision das Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör neu und eigenständig durch den Bundesgerichtshof verletzt worden ist (BVerfGE 107, 395, 410 [BVerfG 30.04.2003 - 1 PBvU 1/02]; BVerfG, NJW 2008, 2126, 2127 [BGH 13.12.2007 - I ZR 47/06]; NJW 2008, 2635, 2636 [BVerfG 05.05.2008 - 1 BvR 562/08]; NJW 2011, 1497 [BVerfG 08.12.2010 - 1 BvR 1382/10]; BGH, Beschluss vom 15. August 2013 - I ZR 119/12, Rn. 2). Eine Anhörungsrüge muss sich damit auseinandersetzen und in diesem Zusammenhang die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG darlegen. Hierfür ist eine schlichte Behauptung einer Gehörsverletzung nicht ausreichend. Es ist vielmehr erforderlich, dass die Umstände vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, dass der Bundesgerichtshof bei seiner Entscheidung das Vorbringen des Beschwerdeführers übergangen haben muss (vgl. BGH, NJW 2009, 1609 Rn. 6 ff. [BGH 19.03.2009 - V ZR 142/08] mwN; BGH, Beschluss vom 15. August 2013 - I ZR 119/12, Rn. 2).

3

2. Diesen Anforderungen wird die Anhörungsrüge der Streithelferin der Beklagten nicht gerecht.

4

a) Soweit die Streithelferin der Beklagten mit ihrer Anhörungsrüge ihren Vortrag aus der Nichtzulassungsbeschwerde wiederholt, kann die Anhörungsrüge damit nicht begründet werden, weil damit keine neue und eigenständige Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Rechtsmittelgericht gerügt wird (BGH, Beschluss vom 18. September 2014 - I ZR 154/13, Rn. 4; Beschluss vom 9. Oktober 2014 - I ZR 135/13, Rn. 4; Beschluss vom 9. Oktober 2014 - I ZR 159/13, Rn. 4).

5

b) Ohne Erfolg macht die Streithelferin der Beklagten ferner geltend, es müsse deshalb von einer eigenständigen Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ausgegangen werden, weil sie im Rahmen der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde sehr wohl im Einzelnen aufgezeigt habe, dass und aus welchen Gründen die Zulassung der Revision sowohl wegen Grundsatzbedeutung als auch zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung geboten sei. Eine weitere "eigenständige Auseinandersetzung" mit dem Nichtzulassungsbeschluss des Senats sei ihr nicht möglich, weil dieser nicht näher begründet sei.

6

aa) Eine neue und eigenständige Gehörsverletzung kann nicht damit begründet werden, dass der Bundesgerichtshof von der vom Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise vorgesehenen Begründungserleichterung gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat (BGH, NJW 2009, 1609 Rn. 6 [BGH 19.03.2009 - V ZR 142/08]; BGH, Beschluss vom 15. August 2013 - I ZR 119/12, Rn. 2). Die Partei hat auch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2011 - I ZB 68/10, GRUR 2012, 314 Rn. 12 - Medicus.log).

7

bb) Der Bundesgerichtshof ist auch in Ansehung der grundgesetzlichen Ansprüche auf Justizgewährung und effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie des Rechts auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht gehalten, seine Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde über einen formelhaften Hinweis auf die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO hinaus näher zu begründen; § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO räumt diese Möglichkeit ausdrücklich ein (vgl. BVerfG, NJW 2011, 1497 [BVerfG 08.12.2010 - 1 BvR 1382/10]). Dies steht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Einklang, dass eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung von Verfassungs wegen regelmäßig keiner Begründung bedarf (BVerfG, NJW 2011, 1497 [BVerfG 08.12.2010 - 1 BvR 1382/10] mwN). Die Effektivität der Kontrolle der Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht auf eine Gehörsverletzung wird nicht davon beeinflusst, ob der Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde näher begründet wird (BVerfG, NJW 2011, 1497, 1498 [BVerfG 08.12.2010 - 1 BvR 1382/10]). Eine Gehörsrüge gegen die Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auch nicht mit dem Ziel eingelegt werden, eine Ergänzung der Begründung herbeizuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2014 - I ZR 237/12, MarkenR 2014, 343 Rn. 4 mwN.).

8

cc) Eine ausführliche Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht deswegen geboten, weil gegen sie eine Anhörungsrüge nach § 321a ZPO erhoben werden kann, mit der nicht nur sekundäre, sondern neue und eigenständige Gehörsverletzungen durch den Bundesgerichtshof gerügt werden. Zwar wird es einem Beschwerdeführer durch das Fehlen einer näheren Begründung zu den Zulassungsvoraussetzungen erschwert, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf eine neue und eigenständige Gehörsverletzung zu überprüfen. Dies lässt jedoch die verfassungsrechtlich gewährleistete einmalige fachgerichtliche Kontrolle auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG weder leerlaufen noch macht sie diese unzumutbar (BGH, Beschluss vom 15. August 2013 - I ZR 119/12, Rn. 8). Die Begründungserleichterung in § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ist mit Blick auf die besonderen Aufgaben eines obersten Gerichts des Bundes sachgerecht und dient der Erhaltung seiner Funktionsfähigkeit und damit der Effektivität der Rechtsverfolgung im Interesse aller Rechtssuchenden. Von Verfassungs wegen geboten ist lediglich eine einmalige Kontrolle gerichtlichen Verfahrenshandelns auf eine Gehörsverletzung, nicht aber eine Begründung der hierauf ergehenden Entscheidung (BVerfG, NJW 2011, 1497, 1498 [BVerfG 08.12.2010 - 1 BvR 1382/10] mwN). Deshalb begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn vom Bundesgerichtshof in entsprechender Anwendung des § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO auf eine Begründung der Entscheidung über die Anhörungsrüge verzichtet wird (BVerfG NJW 2011, 1497, 1499 [BVerfG 08.12.2010 - 1 BvR 1382/10]). Eine Begründung ist nur ausnahmsweise geboten, wenn vom eindeutigen Wortlaut einer Norm abgewichen wird und der Grund hierfür nicht ohne weiteres erkennbar ist oder wenn ein im Zeitpunkt der Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde bestehender Zulassungsgrund vor der Entscheidung über diese wegfällt und deswegen eine Prüfung der Erfolgsaussichten auf der Grundlage anderer als der von der Vorinstanz als tragend angesehenen Gründe erforderlich ist (BVerfG, NJW 2011, 1497 [BVerfG 08.12.2010 - 1 BvR 1382/10]). Eine solche Ausnahme ist aber weder dargetan noch sonst ersichtlich.

9

II. Im Übrigen wäre die Anhörungsrüge auch unbegründet. Der Senat hat bei seiner Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde den Vortrag der Streithelferin der Beklagten, auch zu den unionsrechtlichen Fragestellungen und zur Frage der Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Union, berücksichtigt. Er rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht.

Büscher

Koch

Löffler

Schwonke

Richter am BGH Feddersen ist im Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben.
Büscher

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