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Bundesgerichtshof
Urt. v. 29.06.2010, Az.: KZR 46/07
Anspruch eines Betreibers von Auskunftsdiensten gegen ein Telekommunikationsunternehmen auf Rückzahlung geleisteter Entgelte für überlassene Teilnehmerdaten und deren Aufbereitung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 29.06.2010
Referenz: JurionRS 2010, 21153
Aktenzeichen: KZR 46/07
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Köln - 31.08.2005 - AZ: 91 O 229/04

OLG Düsseldorf - 27.06.2007 - AZ: VI-2 U (Kart) 9/05

BGH, 29.06.2010 - KZR 46/07

Redaktioneller Leitsatz:

§ 12 TKG 1996 ist dahingehend auszulegen, dass sowohl von einem Anbieter von Sprachkommunikationsdienstleistungen nach Absatz 1 als auch von einem Dritten im Sinne des Absatzes 2 für die Überlassung von sogenannten Basisdaten der eigenen Kunden des Herausgabepflichtigen kein Entgelt verlangt werden darf, das die Kosten der Datenübermittlung übersteigt oder nach dem Umfang der Nutzung berechnet wird.
Für die sogenannten Zusatzdaten und Fremddaten gilt diese Beschränkung nicht. Insoweit können im Rahmen der Kosten der effizienten Bereitstellung auch die Kosten für die Datenbank unter Berücksichtigung von Kapitalkosten, Betriebskosten und Datenbankentwicklungskosten sowie die Prozesskosten für die Pflege des Bestands der Standardeinträge nutzungsabhängig umgelegt werden.
Von Dritten im Sinne des § 12 Abs. 2 TKG 1996 kann ein darüber hinausgehendes angemessenes Entgelt verlangt werden.

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat
im schriftlichen Verfahren, in dem bis zum 1. Juni 2010 Schriftsätze eingereicht werden konnten,
durch
den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf und
die Richter Dr. Raum, Dr. Bergmann, Dr. Strohn und Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. Februar 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die beklagte Deutsche Telekom AG (DTAG) ist der in Deutschland führende Betreiber von öffentlich zugänglichen Telefondiensten. Die klagende datagate GmbH befasst sich mit der Beschaffung und Aufbereitung von Teilnehmerdaten, auf deren Grundlage sie und ihre Muttergesellschaft telegate AG Auskunftsdienste betreiben. Überwiegend bezieht datagate die Teilnehmerdaten von DTAG. Grundlage dafür ist ein Vertrag vom 11./31. Oktober 2000. Danach hat datagate ein Entgelt zu entrichten, dessen Höhe sich einerseits nach der Zahl der Zugriffe auf die Auskunftsdienste, andererseits nach den Kosten einer von DTAG betriebenen Datenbank "DaRed" (Datenredaktion) und der Pflege der darin gespeicherten Daten sowie nach den Kosten für deren Übermittlung richtet.

2

DTAG speichert die Daten ihrer Kunden einschließlich vertrags- und abrechnungstechnischer Informationen in einer Datenbank "Andi" (Anmeldedienst). Von dort werden diejenigen Daten, die in Auskunftsdienste oder Teilnehmerverzeichnisse aufgenommen werden sollen, in die Datenbank DaRed übertragen und entsprechend aufbereitet. In diese Datenbank werden auch Teilnehmerdaten übernommen, die DTAG von Wettbewerbern zum Zwecke der Bereitstellung eines Telefonauskunftsdienstes und von Teilnehmerverzeichnissen überlassen werden (sog. Carrierdaten).

3

Für die überlassenen Daten zahlte datagate in der Zeit von November 2000 bis Oktober 2004 insgesamt 25.488.356,97 € brutto zuzüglich der Kosten der Datenübermittlung. Unter Berufung auf eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. November 2004 (C-109/03, Slg. 2004, I-11273 = EuZW 2005, 17 - KPN Telecom) vertritt sie die Auffassung, nur ein Entgelt in Höhe der Kosten der Datenübermittlung geschuldet zu haben; mit den Kosten der Datenbank DaRed und denen der Aufbereitung der Teilnehmerdaten durch DTAG dürfe sie dagegen nicht belastet werden; deshalb müsse DTAG insoweit das erhaltene Entgelt zurückzahlen.

4

Mit der Klage verlangt datagate die Rückzahlung der 25.488.356,97 €, Ersatz entgangener Nutzungen in Höhe von 5.232.473,91 € und Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen. Das Berufungsgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Rechtshängigkeitszinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt DTAG ihren Antrag auf volle Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat Erfolg und führt, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

7

DTAG sei nach § 33 Satz 1 GWB in der Fassung der 6. GWB-Novelle 1998 (im Folgenden: a.F.) i.V.m. § 19 Abs. 1, 4 Nr. 1 GWB zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie als marktbeherrschendes Unternehmen die Wettbewerbsmöglichkeiten von datagate in erheblicher Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt habe. Denn sie habe die von ihr vorgehaltenen Teilnehmerdaten nur zu Preisen überlassen, die über den nach § 12 TKG vom 25. Juli 1996 (im Folgenden: TKG 1996) zulässigen Entgelten gelegen hätten. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Abnehmer der Teilnehmerdaten als Lizenznehmer Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbiete (§ 12 Abs. 1 TKG 1996) oder als Dritter anzusehen sei (§ 12 Abs. 2 TKG 1996). In jedem Fall sei DTAG nur berechtigt, ein Entgelt in Höhe der Kosten einer effizienten Bereitstellung der Daten zu verlangen. Unter "angemessenem Entgelt" in Absatz 2 der Vorschrift, der sich auf Nicht-Lizenznehmer beziehe, sei nämlich dasselbe zu verstehen wie unter "Kosten der effizienten Bereitstellung" in Absatz 1. Darunter fielen nur die Kosten des tatsächlichen Zurverfügungstellens, nicht dagegen die - von der Preisvereinbarung der Parteien ebenfalls erfassten - Kosten des Aufbaus und der Unterhaltung der Datenbank DaRed. Das ergebe sich aus einer an der Richtlinie 98/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 1998 über die Anwendung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld (ONP II-RL) orientierten Auslegung des § 12 TKG 1996. DTAG treffe auch ein Verschulden.

8

Daneben sei DTAG aus § 812 BGB zur Rückzahlung der Bruttoentgelte verpflichtet. Denn § 12 TKG 1996 sei ein Verbotsgesetz i.S. des § 134 BGB, so dass die Entgeltvereinbarung der Parteien nichtig sei.

9

Nach §§ 812, 818 Abs. 1, 2 BGB schulde DTAG zudem Ersatz der aus dem unberechtigt überlassenen Kapital gezogenen Nutzungen.

10

II.

Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

11

Das Berufungsgericht hat § 12 TKG 1996 fehlerhaft ausgelegt und ist so zu einem unrichtigen Ergebnis gelangt.

12

Gemäß § 12 TKG 1996 hat ein Lizenznehmer, der Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, anderen Unternehmen zum Zwecke der Aufnahme eines Auskunftsdienstes oder der Herausgabe eines Verzeichnisses Teilnehmerdaten in kundengerechter Form zugänglich zu machen. Ist der Empfänger der Teilnehmerdaten ebenfalls ein Lizenznehmer, der Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, kann der die Daten überlassende Lizenznehmer nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TKG 1996 dafür ein Entgelt erheben, das sich an den "Kosten der effizienten Bereitstellung orientiert". Werden die Daten einem Dritten i.S. des § 12 Abs. 2 TKG 1996 zugänglich gemacht, kann von diesem ein "angemessenes Entgelt" verlangt werden.

13

Wie der Senat in seinen Urteilen "Teilnehmerdaten I" und "Teilnehmerdaten II" (jeweils vom 13.10.2009 - KZR 34/06, K&R 2010, 349 Tz. 14 ff. und KZR 41/07 Tz. 16 ff., [...]) näher ausgeführt hat, ist § 12 TKG 1996 ab dem Ende der Umsetzungsfrist der ONP II-Richtlinie am 30. Juni 1998 dahingehend auszulegen, dass sowohl von einem Anbieter von Sprachkommunikationsdienstleistungen i.S. des Absatzes 1 als auch von einem Dritten i.S. des Absatzes 2 für die Überlassung von sogenannten Basisdaten (Name, Anschrift, Rufnummer) der eigenen Kunden des Herausgabepflichtigen kein Entgelt verlangt werden darf, das die (Grenz-)Kosten der Datenübermittlung (Kostenkategorie 3 nach der Definition der Urteile vom 13.10.2009, aaO Tz. 16 bzw. 19) übersteigt oder nach dem Umfang der Nutzung berechnet wird, während für die sogenannten Zusatzdaten (wie Beruf, Branche, Art des Anschlusses oder Mitbenutzer) und die sogenannten Fremddaten (Carrierdaten) diese Beschränkung nicht gilt. Insoweit können im Rahmen der Kosten der effizienten Bereitstellung auch die Kosten gemäß Kostenkategorie 1 (Kosten für die Datenbank unter Berücksichtigung von Kapitalkosten, Betriebskosten und Datenbankentwicklungskosten) und Kostenkategorie 2 (Prozesskosten für die Pflege des Bestands der Standardeinträge) nutzungsabhängig umgelegt werden; von Dritten i.S. des § 12 Abs. 2 TKG 1996 kann ein darüber hinausgehendes angemessenes Entgelt verlangt werden. Der Senat hat dabei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 16.7.2006 - 6 C 2/07, NVwZ-RR 2008, 832 Tz. 19 ff.) das nationale Recht anhand der hier maßgeblichen ONP II-Richtlinie und der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. November 2004 (aaO Tz. 37 ff. - KPN Telecom) gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt.

14

III.

Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen zur Höhe des zulässigen Entgelts getroffen werden können.

Tolksdorf
Raum
Bergmann
Strohn
Kirchhoff

Von Rechts wegen

Verkündet am: 29. Juni 2010

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