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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 29.04.2014, Az.: 2 StR 636/13
Erfordernis einer nachträglichen gerichtlichen Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.04.2014
Referenz: JurionRS 2014, 17591
Aktenzeichen: 2 StR 636/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Wiesbaden - 15.04.2013

Rechtsgrundlagen:

§ 460 StPO

§ 462 StPO

Verfahrensgegenstand:

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

BGH, 29.04.2014 - 2 StR 636/13

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Hebt das Revisionsgericht einen Gesamtstrafenausspruch auf, darf die wegen desselben Verfahrensgegenstands neu zu bildende Gesamtstrafe die frühere nicht übersteigen.

2.

Hatte das erste Tatgericht in der aufgehobenen Entscheidung bei der Bildung der Gesamtstrafe rechtsfehlerhaft eine Einzelstrafe aus einem früherem Urteil herangezogen, so ergibt sich wegen des Verschlechterungsverbots die Obergrenze für die neu zu bildende Gesamtstrafe aus der Höhe der vom ersten Tatrichter verhängten Gesamtstrafe abzüglich der rechtsfehlerhaft einbezogenen Strafe.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 29. April 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b StPO
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 15. April 2013 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.

  2. 2.

    Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

  3. 3.

    Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Gründe

1

Das Landgericht hatte den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 27 Fällen, in vier Fällen davon wegen Handeltreibens in nicht geringer Menge, unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 19. April 2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat dieses Urteil in acht Fällen sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Ergänzend hatte der Senat darauf hingewiesen, dass dem Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 19. April 2010 keine Zäsurwirkung zukommen könne.

2

Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln in fünf Fällen, des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen und - unter Berücksichtigung der bereits rechtskräftigen Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 24 Fällen, davon in zwei Fällen in nicht geringer Menge - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. An der Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 19. April 2010 hat es sich wegen fehlender Zäsurwirkung des Urteils gehindert gesehen.

3

Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

4

1. Das Landgericht hat die Gesamtstrafe unter Verstoß gegen § 358 Abs. 2 StPO zu hoch festgesetzt, weshalb der Ausspruch über die Gesamtstrafe keinen Bestand haben kann.

5

Hebt das Revisionsgericht einen Gesamtstrafenausspruch auf, darf die wegen desselben Verfahrensgegenstands neu zu bildende Gesamtstrafe die frühere nicht übersteigen. Hatte das erste Tatgericht in der aufgehobenen Entscheidung bei der Bildung der Gesamtstrafe rechtsfehlerhaft eine Einzelstrafe aus einem früherem Urteil herangezogen, so ergibt sich wegen des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 StPO) die Obergrenze für die neu zu bildende Gesamtstrafe aus der Höhe der vom ersten Tatrichter verhängten Gesamtstrafe abzüglich der rechtsfehlerhaft einbezogenen Strafe (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Dezember 1990 - 2 StR 513/90, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 4; Beschluss vom 7. April 2006 - 2 StR 63/06, NStZ-RR 2006, 232; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 3 StR 370/11, NStZ-RR 2012, 170).

6

Obergrenze für die vom Tatgericht festzusetzende Gesamtfreiheitsstrafe war daher die Summe der früher verhängten Gesamtstrafen (zwei Jahre und neun Monate sowie ein Jahr und drei Monate) vermindert um die dort einbezogene Geldstrafe von 70 Tagessätzen. Dies hat das Landgericht bei Bildung der nunmehr einheitlichen Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren nicht bedacht.

7

2. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über die neu zu bildende Gesamtstrafe dem Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO zuzuweisen; das danach zuständige Gericht wird auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden haben.

Appl

Zeng

Ott

Eschelbach

Kreh

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