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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 27.04.2010, Az.: VIII ZB 81/09
Wirksamkeit der Zulassung einer Rechtsbeschwerde trotz Zulassung durch einen Einzelrichter bei Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache; Vereinbarkeit einer unterlassenen Übertragung des Verfahrens an das Kollegium mit dem Gebot des gesetzlichen Richters trotz Annahme einer grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 27.04.2010
Referenz: JurionRS 2010, 15827
Aktenzeichen: VIII ZB 81/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Grevesmühlen - 17.07.2009 - AZ: 5 C 353/08

LG Schwerin - 15.10.2009 - AZ: 5 T 242/09

Fundstelle:

WuM 2010, 385

BGH, 27.04.2010 - VIII ZB 81/09

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Ein Einzelrichter hat bei Rechtssachen, denen er grundsätzliche Bedeutung beimisst, zwingend das Verfahren an das Kollegium zu übertragen. Bejaht er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters.

  2. 2.

    Nur ein im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits rechtshängiger Prozess kann gemäß § 240 ZPO unterbrochen werden.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 27. April 2010
durch
den Vorsitzenden Richter Ball,
den Richter Dr. Frellesen,
die Richterin Dr. Milger,
den Richter Dr. Achilles und
die Richterin Dr. Fetzer
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Schwerin vom 15. Oktober 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Beschwerdewert: bis 1.000 EUR

Gründe

1

I.

Die Beklagten zu 2 und 3 haben im Jahr 2004 vom Kläger ein Haus in B. zu einer monatlichen Miete von 610 EUR gemietet. Der (frühere) Beklagte zu 1 ist in dem am 13. März 2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 3 zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

2

Mit Schreiben vom 2. September 2008 kündigte der Kläger das Mietverhältnis wegen eines zwei Monatsmietenübersteigenden Zahlungsrückstands fristlos. Die von ihm erhobene Räumungsklage hat der Kläger zunächst gegen den Beklagten zu 1 als Insolvenzverwalter sowie gegen die Beklagte zu 2 gerichtet. Letztere hat er darüber hinaus auf Zahlung rückständiger Miete und Nutzungsentschädigung bis zur Herausgabe der Wohnung in Anspruch genommen. Die Klage ist der Beklagten zu 2 am 15. Dezember 2008 zugestellt worden. Kurz zuvor, am 10. Dezember 2008, war auch über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

3

Nach dem Hinweis des Beklagten zu 1, dass er das Mietobjekt nicht in Besitz genommen habe, hat der Kläger die Klage gegen diesen zurückgenommen und die Räumungsklage auf den Beklagten zu 3 erweitert.

4

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17. Juli 2009 die Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 ZPO festgestellt. Das Landgericht hat die Beschwerde des Klägers mit Beschluss des Einzelrichters vom 15. Oktober 2009 zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen die Feststellung, dass der Rechtsstreit unterbrochen sei.

5

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen (§ 575 ZPO) zulässig. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter sie zugelassen hat, obwohl er bei Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern besetzten Kammer hätte übertragen müssen. An eine unter Verstoß gegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO erfolgte Zulassung ist das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO gleichwohl gebunden (BGHZ 154, 200, 201).

6

Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, denen er - wie hier - grundsätzliche Bedeutung beimisst, zwingend das Verfahren an das Kollegium zu übertragen. Bejaht er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters. Dieser Verstoß ist vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen (BGHZ aaO, 202 ff.).

7

Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch.

8

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass nur ein im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits rechtshängiger Prozess gemäß § 240 ZPO unterbrochen werden kann (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 - IX ZB 232/08, WM 2009, 332, Tz. 9 ff.).

Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Fetzer

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