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Bundesgerichtshof
Urt. v. 24.03.2011, Az.: 4 StR 602/10
Feststellung einer hinreichend konkretisierten Haupttat im Urteil als Mindestanforderung für den Bestand einer Verurteilung wegen Beihilfe zu dieser Haupttat
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 24.03.2011
Referenz: JurionRS 2011, 14221
Aktenzeichen: 4 StR 602/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Essen - 19.04.2010

Verfahrensgegenstand:

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

BGH, 24.03.2011 - 4 StR 602/10

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 24. März 2011,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Dr. Mutzbauer als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. April 2010 mit den Feststellungen aufgehoben,

    1. a)

      soweit der Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist,

    2. b)

      soweit der Angeklagte in den Fällen 17 bis 23 der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Essen vom 18. September 2009 freigesprochen worden ist, und

    3. c)

      im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

  1. 2.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  2. 3.

    Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung einer anderweit verhängten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt; im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Außerdem hat es eine Verfallsentscheidung getroffen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, dass die Strafkammer von einer einheitlichen Beihilfehandlung ausgegangen ist und den Angeklagten in den Fällen 17 bis 29 der Anklageschrift freigesprochen hat. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

I.

2

Das Rechtsmittel ist entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts wirksam beschränkt. Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Revisionsbegründungsschrift lediglich beantragt, das Urteil in dem als Beihilfe gewürdigten Fall sowie in den Fällen aufzuheben, in denen Freispruch ergangen ist (§ 344 Abs. 1 StPO). Die Beschränkung ist eindeutig; sie ist auch sachgerecht. Die revisionsführende Staatsanwaltschaft hat zutreffend erkannt, dass das Landgericht die Fälle 8 bis 16 der Anklageschrift nicht abgeurteilt hat, diese insbesondere nicht vom Freispruch "im Übrigen" umfasst waren (vgl. UA 18). Da diese Fälle somit bei der VII. Großen Strafkammer des Landgerichts Essen anhängig geblieben sind, können sie nicht zum Gegenstand revisionsgerichtlicher Prüfung gemacht werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. März 2010 - 4 StR 48/10 und vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10 Rn. 16). Auch die verfahrensrechtlich voneinander unabhängigen Straffälle 1 bis 7 der Anklageschrift sind wirksam von der Anfechtung ausgenommen; entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts bleibt nicht "unklar, welche der angeklagten Taten abgeurteilt und welche vom Freispruch erfasst sind". Der Freispruch bezieht sich nach den Ausführungen der Strafkammer auf weitere Taten, die der Angeklagte in der Zeit nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft in einem anderen Verfahren seit dem 17. Juni 2004 begangen haben soll; die Schuldsprüche in den Fällen 1 bis 7 der Anklageschrift beziehen sich auf Taten, die der Angeklagte im Jahr 2003 begangen hat. Der Hinweis des Generalbundesanwalts auf das Urteil des Senats vom 25. Juli 2002 (4 StR 104/02, NStZ-RR 2003, 292 [Ls.]) geht fehl, weil in dem dort zu Grunde liegenden Fall die gesamten von den Schuld- und Freisprüchen betroffenen Handlungen Teil einer einheitlichen Bewertungseinheit gewesen sein konnten (vgl. zur Trennbarkeit bei verfahrensrechtlich voneinander unabhängigen Straffällen noch Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 318 Rn. 9).

II.

3

Die Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der Freispruch vom Vorwurf täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen 17 bis 23 der Anklageschrift können nicht bestehen bleiben. Dem Schuldspruch wegen Beihilfe liegt zu Grunde, dass der Angeklagte nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft am 17. Juni 2004 dem Zeugen D. Kontakte zu seinem Drogenlieferanten und seinen Drogenabnehmern vermittelt und "mit seinem Namen" für die Geschäfte des Zeugen "gerade" gestanden hat. Von dem in den Fällen 17 bis 23 der Anklageschrift erhobenen Vorwurf, sich an den nämlichen Drogengeschäften mittäterschaftlich beteiligt zu haben, hat die Strafkammer den Angeklagten indes zugleich freigesprochen (UA 18). Wegen derselben Tat kann der Angeklagte jedoch nicht zugleich als Gehilfe verurteilt und als Mittäter freigesprochen werden; dies ist mit dem Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme unvereinbar. Der Widerspruch kann anhand der Urteilsgründe nicht aufgelöst werden. Da das Urteil aber ein in sich widerspruchsfreies Ganzes bilden muss, war die Entscheidung insoweit aufzuheben. Dabei wirkt die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Beihilfe nicht nur zu Lasten, sondern auch zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO).

4

Dieser Schuldspruch hätte auch unabhängig von dem aufgezeigten Widerspruch keinen Bestand. Die Strafkammer stellt zwar mit der vermittelnden Tätigkeit des Angeklagten eine Unterstützungshandlung im Sinne des § 27 StGB fest. Eine hinreichend konkretisierte Haupttat (oder deren mehrere) lässt sich den Urteilsfeststellungen jedoch nicht entnehmen. Daher genügen die Urteilsfeststellungen nicht den Mindestanforderungen, die in Fällen der Verurteilung zu stellen sind (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 267 Rn. 5).

III.

5

Der Freispruch vom Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen 24 bis 29 der Anklageschrift hält rechtlicher Überprüfung stand. Das Urteil wird den formellen Voraussetzungen, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an die Begründung eines freisprechenden Urteils zu stellen sind, noch gerecht. Diese muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind oder der Freispruch auf rechtlich einwandfreien Erwägungen beruht. Deshalb muss bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen der Tatrichter regelmäßig in einer geschlossenen Darstellung zunächst die Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 10. Juli 1980 - 4 StR 303/80, NJW 1980, 2423, und vom 29. Juli 2010 - 4 StR 190/10; Meyer-Goßner, aaO, § 267 Rn. 33).

6

Dem werden die Urteilsgründe noch gerecht. Das Landgericht teilt die Tatvorwürfe mit und erläutert, dass es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen hat. Es stützt sich hierzu auf die Einlassung des Angeklagten. Durch den Verweis auf die bereits zu den Verurteilungsfällen vorgenommene Würdigung dieser - insbesondere vom Zeugen Z. gestützten - Einlassung sowie der Aussage des den Angeklagten belastenden Zeugen D. ergeben sich hinreichend die die Strafkammer leitenden Beweisgründe. Eine Verfahrensrüge zu den von ihr vermissten weiteren Aufklärungsmöglichkeiten ist nicht erhoben.

IV.

7

Die Entscheidung des Landgerichts über den Wertersatzverfall ist, wie sich aus den Ausführungen unter Ziff. I ergibt, nicht angefochten worden; da die Strafkammer den Erlösbetrag ausschließlich aus den sieben, vom Angeklagten täterschaftlich durchgeführten Drogengeschäften errechnet hat, fußt die Maßnahme auch nicht kumulativ auf dem in Wegfall geratenen Schuldspruch wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Dies schließt eine Erhöhung des Wertersatzverfalls im Falle einer weiter gehenden Verurteilung nicht aus.

V.

8

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass für die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB auf den Zeitpunkt der ersten Tatsachenverhandlung abzustellen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2009 - 5 StR 459/09, NStZ-RR 2010, 106, und vom 14. April 2010 - 2 StR 92/10).

Ernemann
Solin-Stojanovic
Cierniak
Franke
Mutzbauer

Von Rechts wegen

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