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Bundesgerichtshof
Urt. v. 23.07.2009, Az.: VII ZR 164/08
Schadensersatzanspruch einer Versicherung aus einem übergegangenem Recht; Technische Anforderungen an eine mit der Grundüberholung einer technischen Anlage beauftragten Fachwerkstatt; Kriterien zur Ermittlung des Inhalts eines Werkvertrages
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 23.07.2009
Referenz: JurionRS 2009, 19051
Aktenzeichen: VII ZR 164/08
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Osnabrück - 26.11.2007 - AZ: 2 O 2946/05

OLG Oldenburg - 03.07.2008 - AZ: 8 U 233/07

Fundstellen:

BauR 2009, 1589-1591

BauSV 2009, 74

BB 2009, 1649

BB 2009, 2001-2002

BGHReport 2009, 1151-1152

CR 2009, 707

DAR 2010, 84-85

EBE/BGH 2009, 266-267

IBR 2009, 511

JurBüro 2009, 613

MDR 2009, 1095-1096

MDR 2010, 252

NJ 2009, 476

NJW-RR 2009, 1467-1468

NZBau 2009, 647-648

RdW 2009, 599-600

UBB 2009, 2

VersR 2011, 408-409

ZAP EN-Nr. 700/2009

ZfBR 2009, 777-778

ZGS 2009, 390-391 (Pressemitteilung)

BGH, 23.07.2009 - VII ZR 164/08

Amtlicher Leitsatz:

Eine mit der Grundüberholung einer technischen Anlage beauftragte Fachwerkstatt hat die hierfür geltenden, über die anerkannten Regeln der Technik hinausgehenden Anforderungen des Herstellers jedenfalls dann zu beachten, wenn sie die Sicherheit des Betriebs dieser Anlage betreffen.

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka,
den Richter Dr. Kuffer,
den Richter Bauner,
die Richterin Safari Chabestari und
den Richter Halfmeier
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 3. Juli 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht auf sie nach § 67 VVG a.F. übergegangene Schadensersatzansprüche ihrer Versicherungsnehmerin, der P.-GmbH, geltend. Darüber hinaus beansprucht sie Ersatz von Kosten, die ihr vorgerichtlich durch die Einschaltung von Sachverständigen entstanden sind. Das Bestehen des Versicherungsverhältnisses und die Versicherungsleistung sind bestritten.

2

Die P.-GmbH beauftragte die Beklagte im November 2003 mit der Grundüberholung eines Zwölf-Zylinder-Gasmotors der Firma C., mit dem ein Blockheizkraftwerk im Hallenbad in P. betrieben wird. Die Beklagte hat im Rahmen der Grundüberholung die Befestigungsschrauben der Kontergewichte auf der Kurbelwelle nicht ausgetauscht. Nach Inbetriebnahme des Motors Anfang Januar 2004 riss am 14. Juni 2004 ein Gegengewicht der Kurbelwelle ab und verursachte erhebliche Folgeschäden an dem Motor. Ursache des Abrisses des Gegengewichts war der Bruch von zwei hochfesten Befestigungsschrauben. Die Beklagte hat den beschädigten Motor instand gesetzt und dafür 150.586,71 EUR berechnet, auf die die P.-GmbH unter Vorbehalt 90.000 EUR gezahlt hat.

3

Die Klägerin behauptet, sie habe eine Versicherungsleistung von 124.000 EUR an die P.-GmbH erbracht. Diesen Betrag und die Kosten der von ihr beauftragten Sachverständigen, insgesamt 128.817,17 EUR, sowie vorgerichtliche Anwaltskosten hat sie in erster Instanz von der Beklagten ersetzt verlangt.

4

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 94.817,17 EUR nebst Zinsen verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht lässt offen, ob zwischen der Klägerin und der P.-GmbH ein Versicherungsverhältnis bezüglich des streitgegenständlichen Motors bestand, auf dessen Grundlage die Klägerin die behaupteten Leistungen erbracht hat. Es verneint einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht der P.-GmbH gemäß § 280 Abs. 1 BGB, § 67 VVG a.F. schon deshalb, weil es - entgegen der übereinstimmenden gegenteiligen Auffassung des vorgerichtlich tätigen Privatgutachters und des Gerichtsgutachters - der Meinung ist, die Beklagte habe bei der Grundüberholung des Motors keine schuldhafte Pflichtverletzung dadurch begangen, dass sie die Befestigungsschrauben der Kontergewichte auf der Kurbelwelle nicht ausgetauscht habe.

7

Obwohl die Wartungsvorschriften des Herstellers C. jedenfalls seit November 2002 auch bei Gas-Aggregaten den Austausch der Befestigungsschrauben vorsähen, könne der Beklagten eine Fahrlässigkeit wegen der Wiederverwendung der Schrauben nicht angelastet werden. Die Wartungsvorschriften enthielten keine allgemein anerkannten Regeln der Technik. Es handele sich allenfalls um private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Eine verfestigte Auffassung, dass einmal gelöste Befestigungsschrauben stets zu erneuern seien, habe sich im Januar 2004 noch nicht gebildet gehabt. Mit der Wiederverwendung der Befestigungsschrauben nach sorgfältiger Prüfung, wie sie von verschiedenen Herstellern vergleichbarer Motoren zugelassen worden sei, habe die Beklagte nicht gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen. Die Forderung nach dem Austausch einmal gelöster Befestigungsschrauben diene nur der Vermeidung eines Restrisikos, das aus dem Herstellungsprozess der hochfesten Schrauben herrühre. Das Maß der erforderlichen Sorgfalt sei in einem solchen Fall nach einer Kosten-Nutzen-Analyse zu bestimmen. Danach sei ein Austausch geprüfter unbeschädigter Befestigungsschrauben nicht geboten, da eine Befestigungsschraube mindestens 50 EUR koste und pro Aggregat 36 Schrauben erforderlich seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte als von dem Hersteller C. nicht autorisiertes Fachunternehmen keine Auskünfte über dessen Wartungsvorschriften erhalten habe.

II.

8

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Abweisung der Klage kann nicht darauf gestützt werden, dass der Beklagten bei der Grundüberholung des Motors keine schuldhafte Pflichtverletzung anzulasten sei.

9

1.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durfte die Beklagte bei fachgerechter Ausführung des ihr erteilten Auftrags die Befestigungsschrauben der Kontergewichte auf der Kurbelwelle auch nach erfolgter Sichtprüfung nicht weiterverwenden.

10

a)

Die P.-GmbH hat die Beklagte mit der Grundüberholung eines Gasmotors beauftragt. Welchen konkreten Inhalt ein solcher Werkvertrag hat, ist durch Auslegung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB. Beauftragt sind alle Leistungen, die für die fachgerechte Ausführung der Grundüberholung nötig sind. Dazu gehört jedenfalls, dass die ausgebauten Motorteile auf ihre Unversehrtheit hin untersucht und, soweit erforderlich, entweder hergerichtet oder erneuert werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1995 - VIII ZR 23/94, BGHZ 128, 307). Ob ausgebaute Teile erneuert werden müssen, bestimmt sich nach den anerkannten Regeln der Technik.

11

Über die anerkannten Regeln der Technik hinausgehende Anforderungen des Herstellers für die Grundüberholung und Wartung sind jedenfalls dann zu beachten, wenn sie die Sicherheit des Betriebs einer technischen Anlage betreffen. Diese Sicherheitsanforderungen fußen auf der Einschätzung des Herstellers zur Gefährdung seines Produkts und der dadurch entstehenden Risiken für den Betrieb und die Verkehrssicherheit. Ein Besteller ist regelmäßig nicht bereit, das Risiko einer anderen Einschätzung zu übernehmen. Vielmehr erwartet er, dass ein Fachunternehmen sich die Wartungsvorschriften eines Herstellers einer technischen Anlage beschafft und diese beachtet. Ob diese Erwartungshaltung auch dann angenommen werden kann, wenn kein Fachunternehmen beauftragt wird, kann dahinstehen. Denn die Beklagte ist ein Fachunternehmen auf dem Gebiet "Technologie und Service für Motoren und Antriebe".

12

Stellt der Hersteller aus Sicherheitsgründen Anforderungen an die Grundüberholung, die die Anforderungen übertreffen, die allgemein üblich sind oder den anerkannten Regeln der Technik entsprechen, darf der Unternehmer nicht eigenmächtig entscheiden, ob das bei einer abweichenden Ausführung bestehende Risiko eingegangen werden soll. Eine solche Entscheidung steht nach entsprechender Aufklärung über das Risiko allein dem Besteller zu.

13

b)

Danach hat die Beklagte ihre Leistungspflichten verletzt. Wie das Berufungsgericht zu Recht feststellt, dient der Austausch der einmal gelösten Befestigungsschrauben der Vermeidung eines Restrisikos, das aus dem Herstellungsprozess der hochfesten Schrauben erwächst und von den verschiedenen Motorenherstellern unterschiedlich eingeschätzt wird. Es kann dahingestellt bleiben, ob es bereits im November 2003 den anerkannten Regeln der Technik entsprach, bei der Grundüberholung eines Gasmotors stets die Befestigungsschrauben der Kontergewichte auf der Kurbelwelle auszuwechseln oder ob eine Weiterverwendung nach besonderer Überprüfung als zulässig angesehen wurde. Es kann deshalb auch offen bleiben, welche Art der Überprüfung nach diesen Regeln zu erfolgen hatte und ob die Beklagte eine derartige Prüfung vor der Weiterverwendung der Schrauben tatsächlich vorgenommen hat. Denn die Beklagte ist bei der Überholung des Gasmotors jedenfalls den von dem Hersteller des Aggregats gestellten Anforderungen nicht gerecht geworden. Dessen Wartungsvorschriften enthielten seit November 2002 und damit zum Zeitpunkt der Ausführung der Reparatur die ausdrückliche Anweisung, die Befestigungsschrauben nicht wieder zu verwenden. Dem hatte die Beklagte nach dem Inhalt des geschlossenen Vertrages zu entsprechen.

14

2.

Die Pflichtverletzung ist von der Beklagten auch zu vertreten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war ihr bei der Grundüberholung des Motors bekannt, dass Befestigungsschrauben nach einem Lösen wegen möglicher Schadensrisiken nicht ohne weiteres wieder verwendet werden durften. Als Fachbetrieb musste sie auch wissen, dass es für den Gasmotor bei einer Grundüberholung zu beachtende Wartungsvorschriften des Herstellers gab. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass ihr als vom Hersteller nicht autorisierter Vertragswerkstatt diese Wartungsvorschriften nicht zugänglich gewesen seien. Das daraus entstehende Haftungsrisiko hätte sie nur durch eine entsprechende Aufklärung vermeiden können.

15

3.

Nach Zurückverweisung der Sache wird das Berufungsgericht nunmehr zu prüfen haben, ob der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatz in der vom Landgericht zugesprochenen Höhe von 90.000 EUR aus übergegangenem Recht und hinsichtlich der vorgerichtlich für die von ihr eingeschalteten Sachverständigen verauslagten Beträge von 3.923,22 EUR und 893,95 EUR aus eigenem Recht zusteht.

Kniffka
Kuffer
Bauner
Safari Chabestari
Halfmeier

Von Rechts wegen

Verkündet am: 23. Juli 2009

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