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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 21.11.2012, Az.: XII ZB 270/12
Anforderungen des § 280 Abs. 3 FamFG an ein Sachverständigengutachten
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 21.11.2012
Referenz: JurionRS 2012, 29093
Aktenzeichen: XII ZB 270/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Itzehoe - 22.03.2012 - AZ: 84 XVII 708/11

LG Itzehoe - 17.04.2012 - AZ: 4 T 106/12

Rechtsgrundlage:

§ 280 Abs. 3 FamFG

Fundstellen:

BtPrax 2013, 26-27

FamFR 2013, 71

FamRZ 2013, 288-289

BGH, 21.11.2012 - XII ZB 270/12

Redaktioneller Leitsatz:

Das nach § 280 FamFG erforderliche Gutachten muss Art und Ausmaß der Erkrankung im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der durchgeführten Untersuchungen und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich begründen.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. November 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 17. April 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe

I.

1

Der Betroffene wendet sich gegen die Anordnung seiner Betreuung.

2

Mit Beschluss vom 24. November 2011 hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen und der Amtsärztin durch einstweilige Anordnung den Beteiligten zu 1 für die Dauer von längstens sechs Monaten zum vorläufigen Betreuer des Betroffenen für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Gerichten, Ämtern, Behörden, Kranken- und Pflegekassen, Wohnungsangelegenheiten und Postkontrolle, soweit sie nicht offensichtlich den persönlichen Bereich betrifft, bestellt.

3

Mit Beschluss vom 4. Januar 2012 hat das Amtsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber angeordnet, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Betreuung für den Betroffenen erforderlich ist. Nachdem das Amtsgericht im Termin vom 16. März 2012 den Betroffenen erneut angehört und die Fachärztin für Psychiatrie Dr. S. ihr Gutachten zu Protokoll erstattet und dieses in einem weiteren Termin vom 21. März 2012 in Anwesenheit des Betreuers und des Verfahrenspflegers ergänzt hat, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22. März 2012 den bisher vorläufigen Betreuer auch im Hauptsacheverfahren mit den gleichen Aufgabenkreisen zum Betreuer des Betroffenen bestellt. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig.

6

2. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

7

a) Allerdings war das Beschwerdegericht entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht verpflichtet, dem Betroffenen unaufgefordert die Qualifikation der Sachverständigen Dr. S. darzulegen. Die Sachverständige ist, wie sich der in den Akten befindlichen Rechnung entnehmen lässt, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Allein darin, dass das Beschwerdegericht dies dem Betroffenen nicht unaufgefordert mitgeteilt hat, liegt kein Verfahrensfehler.

8

b) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen jedoch die Bestellung eines Betreuers nicht.

9

aa) Nach § 1896 BGB bestellt das Betreuungsgericht für einen Volljährigen, der aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, auf seinen Antrag oder von Amts wegen einen Betreuer. Im Hinblick auf den erheblichen Eingriff in die Freiheitsrechte, der mit einer Betreuerbestellung verbunden ist, erfordert die Anordnung und Aufrechterhaltung einer Betreuung eine sorgfältige Sachverhaltsaufklärung zu den medizinischen Voraussetzungen einer Betreuerbestellung (Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 280 Rn. 1). Dem trägt § 280 FamFG, der für die Bestellung eines Betreuers die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch förmliche Beweisaufnahme vorschreibt und die inhaltlichen Anforderungen an das Gutachten näher spezifiziert, Rechnung.

10

bb) Das vor Anordnung der Betreuung eingeholte Sachverständigengutachten genügt den Anforderungen des § 280 Abs. 3 FamFG nicht.

11

Nach dieser Vorschrift hat sich das Gutachten auf das Krankheitsbild einschließlich der Krankheitsentwicklung (Nr. 1), die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse (Nr. 2), den körperlichen und psychiatrischen Zustand des Betroffenen (Nr. 3), den Umfang des Aufgabenkreises (Nr. 4) und die voraussichtliche Dauer der Maßnahme (Nr. 5) zu erstrecken. Das Gutachten muss daher Art und Ausmaß der Erkrankung im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der durchgeführten Untersuchungen und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich begründen. Diese Anforderungen an den Inhalt des Sachverständigengutachtens sollen gewährleisten, dass das Gericht seiner Pflicht nachkommen kann, das Gutachten auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2011 - XII ZB 256/10 - FamRZ 2011, 637 Rn. 12 und vom 15. September 2010 - XII ZB 383/10 - FamRZ 2010, 1726 Rn. 21).

12

Das vom Amtsgericht eingeholte mündliche Gutachten vom 16. März 2012 erfüllt diese Anforderungen nicht. Es fehlt sowohl an der Darstellung der von der Sachverständigen durchgeführten Untersuchungen als auch an Angaben zur Krankheitsentwicklung und einer wissenschaftlichen Begründung für die Notwendigkeit einer Betreuung. Auf der Grundlage dieses Sachverständigengutachtens durfte das Landgericht die Voraussetzungen für eine Anordnung der Betreuung nicht bejahen.

13

cc) Es fehlt auch an hinreichenden Feststellungen des Landgerichts dazu, dass der Betroffene, der die Betreuung ablehnt, zu keiner freien Willensbildung mehr in der Lage ist (§ 1896 Abs. 1 a BGB). Denn die Annahme der Sachverständigen, dass bei dem Betroffenen aus psychiatrischer Sicht keine freie Willensbildung möglich sei, ist mangels hinreichender Begründung nicht nachvollziehbar.

14

3. Das Verfahren ist deshalb zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG) an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

Dose Vézina Klinkhammer

Günter Botur

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