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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 21.06.2012, Az.: 5 StR 286/12
Tatbestandliche Voraussetzungen für das Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 21.06.2012
Referenz: JurionRS 2012, 19739
Aktenzeichen: 5 StR 286/12
ECLI: [keine Angabe]

Fundstelle:

JA 2012, 792

Verfahrensgegenstand:

besonders schwerer räuberische Diebstahl u.a.

BGH, 21.06.2012 - 5 StR 286/12

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Das Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs setzt voraus, dass es sich um einen Gegenstand handelt, der nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen, etwa bei einer Eignung als Stichwerkzeug.

  2. 2.

    Ein Schraubendreher erfüllt diese Voraussetzungen nicht ohne weiteres.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am am 21. Juni 2012 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 7. März 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO

    1. a)

      im Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen II.1a und b der Urteilsgründe wegen Diebstahls mit Waffen in zwei Fällen verurteilt wurde;

    2. b)

      im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte im Fall II.2 der Urteilsgründe wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schuldig ist;

    3. c)

      im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

  1. 2.

    Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

  2. 3.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen Diebstahls mit Waffen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Vollziehung von einem Jahr der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilungen wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB) haben keinen Bestand.

3

a) Nach den Feststellungen hebelte der Angeklagte mit "zwei mitgebrachten Schraubendrehern" ein Fenster auf, um in die Geschäftsräume einer Firma zu gelangen, aus denen er eine LED-Lampe entwendete. Kurze Zeit später begab er sich zu den Geschäftsräumen einer weiteren Firma und schlug zwei Glasschiebetüren zum Lagerraum ein oder hebelte sie auf. Er trug anschließend einen Wandtresor mit über 7.000 € hinaus, wobei er die "verwendeten Schraubendreher gebrauchsbereit bei sich führte".

4

b) Diese Feststellungen reichen nicht aus, um die Erfüllung des Tatbestands von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB zu belegen. Das Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass es sich um einen Gegenstand handelt, der nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juni 2008 - 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257 - und vom 1. September 2004 - 2 StR 313/04, NJW 2004, 3437; Urteil vom 18. Februar 2010 - 3 StR 556/09, StV 2010, 628), etwa bei einer Eignung als Stichwerkzeug. Solche Feststellungen zur objektiven Gefährlichkeit

hinsichtlich der Beschaffenheit der als Einbruchswerkzeug mitgeführten Schraubendreher hat das Landgericht nicht getroffen. Es grenzt diese - ohne sie näher zu beschreiben - nicht von "sonstigen Werkzeugen" in Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB ab, bei denen eine Verwendungsabsicht des Täters zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist.

5

2. Auch das Konkurrenzverhältnis im Fall II.2 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

6

a) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen entwendete der Angeklagte in einem Kaufhaus ein Notebook, schlug auf der Flucht einem ihn verfolgenden Kaufhausdetektiv mit der Faust ins Gesicht und setzte Pfefferspray gegen ihn ein, um sich den Besitz des Diebesgutes zu erhalten. Als er die zwischenzeitlich eingetroffenen Polizeibeamten bemerkte, ergriff der Angeklagte das vorübergehend abgelegte Notebook und floh weiter. Gegen die ihn ergreifenden Polizeibeamten setzte sich der Angeklagte mit körperlicher Gewalt zur Wehr.

7

b) Die Wertung des Landgerichts, dass der besonders schwere räuberische Diebstahl in Tatmehrheit (§ 53 StGB) zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte steht, ist rechtsfehlerhaft. Die Beutesicherungsabsicht dauerte auch bei der Festnahme des Angeklagten fort, so dass tateinheitliche Begehung (§ 52 StGB) vorliegt.

8

c) Der Senat stellt daher den Schuldspruch entsprechend um. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

9

3. Die Aufhebung der Schuldsprüche und die Schuldspruchänderung haben den Wegfall der Einzelstrafaussprüche und der - entgegen der Darstellung in den Urteilsgründen nicht "eng zusammengezogenen" - Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.

10

4. Der Senat hebt auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) auf, weil die Erwägungen des Landgerichts nicht frei von Rechtsfehlern sind.

11

Die Strafkammer geht zutreffend von einem Hang des Angeklagten aus, zur Befriedigung seiner langjährigen Suchtmittelabhängigkeit schwerwiegende Straftaten zu begehen. Die von ihr angenommene hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg (§ 64 Satz 2 StGB) ist aber nicht ausreichend begründet. Das Landgericht legt lediglich dar, dass die Unwilligkeit des Angeklagten, sich im Maßregelvollzug therapieren zu lassen, einer Unterbringungsanordnung nicht entgegensteht. Unerörtert bleibt hingegen, ob überhaupt eine konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten durch die Behandlung zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren. Der Angeklagte hat seit 1996 eine Vielzahl von Entwöhnungsbehandlungen absolviert und ist stets wieder rückfällig geworden. Auch eine 2003/2004 durchgeführte Unterbringung in einer Entziehungsanstalt blieb nach neun Monaten ohne Erfolg und wurde für erledigt erklärt. Es versteht sich daher nicht von selbst, dass eine erneute Maßregelanordnung einen Erfolg erzielen könnte.

Raum
Schaal
Dölp
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