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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 20.07.2011, Az.: V ZB 300/10
Eintragungsfähigkeit einer unter Vorbehalt nach § 16 Abs. 1 GBO beantragten Eintragung einer Zwangshypothek auf dem Grundstück eines Wohnungseigentümers; Umfang und Grenzen des grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 20.07.2011
Referenz: JurionRS 2011, 22323
Aktenzeichen: V ZB 300/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG Stuttgart - 04.11.2010 - AZ: 8 W 83/10

Fundstellen:

Info M 2011, 431

IWR 2012, 80

MietRB 2011, 381

NZM 2012, 176

ZfIR 2011, 802-803

ZWE 2011, 401-402

BGH, 20.07.2011 - V ZB 300/10

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    § 16 Abs. 1 GBO erfasst nur Vorbehalte, die den Grundbuchvollzug betreffen, nicht aber Konstellationen, in denen die Eintragung eines dinglichen Rechts beantragt wird, das materiell-rechtlich unter einer Bedingung steht.

  2. 2.

    Dem im Grundbuchrecht herrschenden Bestimmtheitsgrundsatz ist bei Eintragung einer Belastung genügt, wenn die höchstmögliche Belastung für jeden Dritten erkennbar und deren Umfang zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund feststellbarer Umstände bestimmbar ist.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 20. Juli 2011
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,
die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und
die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Antragstellerin werden der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. November 2010 und die Zwischenverfügung des Notariats E. - Grundbuchamt - vom 3. Februar 2010 aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag der Antragstellerin vom 22. Januar 2010 nicht aus den Gründen der Zwischenverfügung vom 3. Februar 2010 und des Beschlusses des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. November 2010 zurückzuweisen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zweckentsprechenden außergerichtlichen Auslagen, die der Antragstellerin im Rechtsbeschwerdeverfahren entstanden sind, trägt der Antragsgegner.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 2.100 €.

Gründe

I.

1

Die antragstellende Wohnungseigentümergemeinschaft erwirkte gegen den Antragsgegner, der Mitglied dieser Gemeinschaft ist, ein Versäumnisurteil, in dem Hausgeldansprüche für die Jahre 2008 und 2009 nebst Zinsen tituliert wurden. Am 22. Januar 2010 hat die Antragstellerin unter Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung dieses Urteils bei dem Notariat E. als Grundbuchamt beantragt, gemäß §§ 866, 867 ZPO auf dem Grundstück des Antragsgegners eine Zwangshypothek einzutragen, "soweit die zugrunde liegende Forderung nicht dem Vorrecht des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG unterfällt."

2

Mit Zwischenverfügung vom 3. Februar 2010 hat das Grundbuchamt beanstandet, es liege ein nach § 16 Abs. 1 GBO unzulässiger - da unter Vorbehalt stehender - Antrag vor. Der Vorbehalt möge beseitigt werden. Die dagegen gerichtete Beschwerde, mit der die Antragstellerin u.a. geltend gemacht hat, die Zwangshypothek sei "mit der begehrten Bedingung einzutragen", ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.

II.

3

Das Beschwerdegericht hat offen gelassen, ob ein unter Vorbehalt nach § 16 Abs. 1 GBO stehender Antrag vorliegt oder ob die in dem Antrag formulierte Einschränkung nur den Inhalt der erstrebten Eintragung (Hypothek unter einer Bedingung) betrifft. Selbst wenn Letzteres der Fall sein sollte, scheitere die Eintragung daran, dass der Inhalt der Einschränkung nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz genüge. Zwar sei im Bereich der nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG berechtigten Vorrechte die Eintragung einer bedingten Hypothek zulässig, deren Wirksamkeit erst mit dem Wegfall des Vorrechts eintrete. Damit seien Hausgeldansprüche jedoch nicht zu vergleichen. Ob eine Hausgeldforderung überhaupt unter § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG falle, hänge von "verschiedensten", zum Teil für den Rechtsverkehr nicht ohne Weiteres ersichtlichen Voraussetzungen ab. So müsse etwa bei einem Betreiben der Zwangsversteigerung der titulierte Betrag 3 % des Einheitswerts erreichen (§ 10 Abs. 3 ZVG i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Andererseits sei das Vorrecht auf 5 % des nach § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten Wertes begrenzt (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG). Ob die titulierten Hausgeldforderungen dem Vorrecht unterfielen, könne das Grundbuchamt nicht einmal im Ausgangspunkt überprüfen. Da ein Verbot der Doppelsicherung in Konstellationen der vorliegenden Art nicht bestehe, könne auf entsprechenden Antrag jedoch eine Sicherungshypothek ohne die gemachte Einschränkung eingetragen werden.

III.

4

1.

Die gemäß § 78 Abs. 1 GBO statthafte und nach § 78 Abs. 3 GBO, § 71 FamFG auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

5

a)

Der Zulässigkeit des auf die Eintragung der Zwangshypothek gerichteten Antrags steht § 16 Abs. 1 GBO nicht entgegen. Von der Norm werden nur Vorbehalte erfasst, die den Grundbuchvollzug betreffen, nicht aber Konstellationen, in denen die Eintragung eines dinglichen Rechts beantragt wird, das materiell-rechtlich unter einer Bedingung steht (vgl. auch Demharter, GBO, 27. Aufl., § 16 Rn. 2 f.; Hügel/Reetz, GBO, 2. Aufl., § 16 Rn. 6 f. mwN). Welcher Inhalt einem verfahrenseinleitenden Antrag zukommt, hat das Rechtsbeschwerdegericht ohne Bindung an tatrichterliche Würdigungen von Amts wegen zu prüfen. Diese Prüfung führt dazu, dass der Antrag bei nächstliegender Auslegung nur so verstanden werden kann, dass die beantragte Eintragung sofort und vorbehaltlos vollzogen werden und nur das einzutragende Recht bedingt sein sollte. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Antragstellerin ersichtlich daran gelegen war, eine Sicherung der titulierten Hausgeldansprüche in der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG zu erreichen, soweit diese nicht unter Nr. 2 der genannten Bestimmung fallen, und gilt umso mehr, als die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren klargestellt hat, dass das Recht "mit der begehrten Bedingung" eingetragen werden solle.

6

b)

Die Eintragung der bedingten Zwangshypothek scheitert auch nicht an dem grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, so dass es nicht darauf ankommt, ob der von dem Beschwerdegericht aufgezeigte Ausweg besteht, auf entsprechenden Antrag eine unbedingte Zwangssicherungshypothek einzutragen (diese Möglichkeit bejahend etwa OLG Frankfurt, ZMR 2011, 401, 402 f.; Demharter, aaO, § 54 Rn 11; verneinend etwa Zeiser, Rpfleger 2008, 58).

7

Allerdings geht das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt zu Recht davon aus, dass das Grundbuch klare und eindeutige Eintragungen erfordert (Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 - V ZB 271/10, zur Veröffentlichung bestimmt, Rn. 10 mwN) und dem das Grundbuchrecht beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz daher nur entsprochen wird, wenn der Umfang der Belastung ohne Weiteres aus der Eintragung selbst oder - soweit eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung zulässig ist - in Verbindung mit dieser ersichtlich ist. Das Beschwerdegericht übersieht indessen, dass dieser Anforderung schon dann genügt wird, wenn die höchstmögliche Belastung für jeden Dritten erkennbar ist und deren Umfang zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund feststellbarer Umstände bestimmbar ist (vgl. nur Senat, Beschluss vom 13. Juli 1995 - V ZB 43/94, BGHZ 130, 342, 345 f.; Demharter, aaO, Anhang zu § 13 Rn. 5 mwN). Ist der Umfang der Belastung an eine Bedingung geknüpft, gilt selbst dann nichts anderes, wenn ein Streit über den Eintritt des Ereignisses nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BayObLG, Rpfleger 2004, 561, 562 [BayObLG 15.04.2004 - 2 Z BR 221/03]; Demharter, aaO, Rn. 6 mwN). Folgerichtig ist auch für die von § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG bevorrechtigten Abgaben anerkannt, dass der Eintragung einer Sicherungshypothek, die bedingt ist durch das Nichteingreifen des Vorrangs, keine Bedenken entgegenstehen (OLG Frankfurt, ZMR 2011, 401, 402 mwN; Demharter, aaO, § 54 Rn. 12 u. 14; Zeiser, Rpfleger 2008, 58; jeweils mwN).

8

Für die Anknüpfung einer Bedingung an § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG gilt nichts anderes (vgl. OLG Frankfurt, aaO; Demharter, aaO, § 54 Rn. 12; Schneider, ZflR 2008, 161, 170; Zeiser, S. 59). Soweit das Beschwerdegericht darauf verweist, das Gesetz stelle insoweit höhere Anforderungen an den Vorrang als bei den unter § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG fallenden Abgaben, rechtfertigt dies keine unterschiedliche Behandlung. Denn in dem einen wie in dem anderen Fall steht der Umfang der höchstmöglichen Belastung - für jedermann erkennbar - von vornherein fest. Das tatsächliche Ausmaß des Vorrangs wird in beiden Konstellationen im Zwangsversteigerungsverfahren auf der Grundlage der klaren gesetzlichen Vorgaben nach § 10 Abs. 1 ZVG festgestellt und ist damit in ausreichender Weise bestimmbar.

9

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.

Krüger
Schmidt-Räntsch
Roth
Brückner
Weinland

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