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Bundesgerichtshof
v. 20.07.2009, Az.: 1 StR 344/08
Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger nach Rechtskraft für die Revisionshauptverhandlung; Stillschweigende Beiordnung eines Rechtsanwalts zum Verfahren
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Entscheidung
Datum: 20.07.2009
Referenz: JurionRS 2009, 22222
Aktenzeichen: 1 StR 344/08
ECLI: [keine Angabe]

Fundstellen:

NStZ-RR 2009, 348

StRR 2010, 29 (Volltext mit red. LS u. Anm.)

StV 2011, 645

VRA 2009, 211

VRR 2009, 474-475

Verfahrensgegenstand:

Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.
hier nur: Antrag auf nachträgliche Bestellung eines Verteidigers für die Revisionshauptverhandlung vom 2. Dezember 2008

BGH, 20.07.2009 - 1 StR 344/08

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Die für das Verfahren erster Instanz erfolgte Beiordnung eines Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger erstreckte sich nicht auf die Mitwirkung in der Revisionshauptverhandlung.

  2. 2.

    In der Zustellung einer Terminsnachricht und im Auftreten als Verteidiger in der Revisionshauptverhandlung kann eine stillschweigende Bestellung als Pflichtverteidiger liegen.

Tenor:

Der Antrag der Rechtsanwältin S. vom 15. Juli 2009, ihre Beiordnung zur Revisionshauptverhandlung vom 2. Dezember 2008 zu beschließen, wird zurückgewiesen.

Es wird festgestellt, dass Rechtsanwältin S. zur Verteidigerin bestellt war.

Gründe

1

Die Angeklagte war vom Landgericht Bielefeld durch Urteil vom 19. Dezember 2007 wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 14 Fällen und Beihilfe zur versuchten Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Gegen dieses Urteil richtete sich die Revision der Staatsanwaltschaft; ausweislich ihres Antrags richtete sich die Revision ausschließlich gegen den Strafausspruch. In der Revisionshauptverhandlung vom 2. Dezember 2008 trat für die Angeklagte die im Verfahren erster Instanz als Verteidigerin bestellte Rechtsanwältin S.... aus G.... auf. Während der Generalbundesanwalt die teilweise Abänderung und teilweise Aufhebung des Urteils im Strafausspruch und insoweit die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht beantragte, beantragte Rechtsanwältin S.... Verwerfung der Revision.

2

Der Senat hat durch Urteil vom gleichen Tag das Urteil teilweise auch im Schuldspruch aufgehoben, da er ihn insoweit trotz des Revisionsantrags wegen der Begründung der Revision als angefochten ansah, sowie im gesamten Strafausspruch (vgl. wistra 2009, 189, 190 m. Anm. Schützeberg a.a.O. 278 f.).

3

Nunmehr beantragt Rechtsanwältin S.... mit Schreiben vom 15. Juli 2009,

sie nachträglich für die Revisionshauptverhandlung als Verteidigerin beizuordnen.

4

1.

Der Antrag kann in dieser Form keinen Erfolg haben, weil eine nachträgliche Bestellung eines Verteidigers nicht möglich ist. Die Beiordnung erfolgt im Strafprozess nicht im Kosteninteresse des Angeklagten, sondern dient allein dem Zweck, die ordnungsgemäße Verteidigung in einem noch ausstehenden Verfahren zu gewährleisten.

5

2.

Die für das Verfahren erster Instanz erfolgte Beiordnung erstreckte sich nicht auf die Mitwirkung in der Revisionshauptverhandlung. Vielmehr ist im Revisionsverfahren aufgrund des jeweiligen Verfahrensstandes neu zu prüfen, ob bei Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Rechtsmittels auch in der Revisionshauptverhandlung noch ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt.

6

3.

Rechtsanwältin S.... ist jedoch durch den Vorsitzenden des Strafsenats in der Revisionshauptverhandlung vom 2. Dezember 2008 stillschweigend zur Verteidigerin des Angeklagten bestellt worden. Sie hatte - obwohl nicht als gewählte Verteidigerin ausgewiesen - nicht nur eine Terminsnachricht zugestellt bekommen, sondern war in der Revisionshauptverhandlung auch als Verteidigerin der Angeklagten aufgetreten.

7

Hierin kann eine stillschweigende Bestellung liegen, wenn die Mitwirkung eines Verteidigers in der Revisionshauptverhandlung rechtlich geboten erscheint (vgl. zu alledem näher BGH NStZ 1997, 299 f. [BGH 19.12.1996 - 1 StR 76/96]m.w.N.).

8

4.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Verteidigers waren schon wegen der Schwierigkeit der Rechtslage, wie sie sich bereits aus der notwendigen Prüfung des Umfangs der Revision ergibt, gegeben (vgl. § 140 Abs. 2 StPO).

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