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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 18.04.2012, Az.: XII ZB 659/11
Zulässigkeit einer nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegten Berufung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 18.04.2012
Referenz: JurionRS 2012, 16409
Aktenzeichen: XII ZB 659/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Frankfurt am Main - 14.09.2010 - AZ: 2-10 O 84/10

OLG Frankfurt am Main - 26.10.2011 - AZ: 1 U 256/11

Rechtsgrundlage:

§ 517 Hs. 2 ZPO

BGH, 18.04.2012 - XII ZB 659/11

Redaktioneller Leitsatz:

Bei der (hier unterstellt) unwirksamen Zustellung eines Versäumnisurteils beginnt gemäß § 517 Hs. 2 ZPO die Frist zur Einlegung der Berufung grundsätzlich fünf Monate nach Verkündung des Urteils.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. April 2012 durch die Richter Dose, Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Oktober 2011 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.

Wert: 6.601 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt mit der Klage vom Beklagten, einem Rechtsanwalt, aus einem inzwischen gekündigten sogenannten Servicevertrag die Zahlung von monatlich geschuldeten Servicegebühren sowie Kostenersatz für weitere Leistungen. Der Beklagte hat Widerklage erhoben, mit welcher er Schadensersatz begehrt.

2

Das Landgericht hat zunächst das - hier angefochtene - Versäumnis- und Endurteil vom 14. September 2010 erlassen, mit welchem es die Klage (insoweit durch Versäumnisurteil) und die Widerklage (insoweit durch unechtes Versäumnisurteil) abgewiesen hat. Auf den Einspruch der Klägerin hat das Landgericht das Urteil, soweit es als Versäumnisurteil ergangen ist, durch Versäumnisurteil vom 17. Januar 2011 aufgehoben und den Beklagten auf die Klage antragsgemäß verurteilt. Auf den Einspruch des Beklagten hat das Landgericht durch Urteil vom 31. Mai 2011 das Versäumnisurteil vom 17. Januar 2011 aufrechterhalten.

3

Der Beklagte hat gegen das Urteil vom 31. Mai 2011 am 16. Juni 2011 Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat er auch gegen das Urteil vom 14. September 2010 Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Beklagte hat geltend gemacht, das Urteil vom 14. September 2010 sei nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.

4

Das Berufungsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil vom 14. September 2010 als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Es fehlt indessen an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern. Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und verletzt den Beklagten auch nicht in seinen Verfahrensgrundrechten.

6

1. Das Berufungsgericht hat eine Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Berufung versagt, weil der Beklagte weder dargelegt noch glaubhaft gemacht habe, dass er ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten. Das hält sich im Rahmen der Senatsrechtsprechung und begründet auch ansonsten die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht.

7

2. Die Frist zur Einlegung der Berufung ist selbst bei einer unterstellt unwirksamen Zustellung abgelaufen. Sie hätte in diesem Fall gemäß § 517 Halbsatz 2 ZPO fünf Monate nach Verkündung des Urteils am 14. September 2010, also am 14. Februar 2011, zu laufen begonnen und wäre mit Ablauf des 14. März 2011 verstrichen gewesen. Der Ausnahmefall, dass die Partei zu dem Termin, auf den das Urteil ergangen ist, schon nicht ordnungsgemäß geladen war (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Juli 2010 - XII ZB 135/09 - FamRZ 2010, 1646 [BGH 21.07.2010 - XII ZB 135/09] mwN; BGH Beschluss vom 20. Januar 2011 - IX ZB 214/09 - NJW-RR 2011, 490 Rn. 9 [BGH 20.01.2011 - IX ZB 214/09]), ist hier nicht gegeben.

8

Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob es für die wirksame Ersatzzustellung nach § 180 ZPO darauf ankommt, ob die Einlegung in den Briefkasten auch während der Geschäftszeiten zulässig sei, ist im Hinblick auf die Versäumung der gemäß § 517 Halbsatz 2 ZPO ausgelösten Frist zur Einlegung der Berufung schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil die Frist in jedem Fall abgelaufen ist.

9

Auch für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die genannte Rechtsfrage nicht von Bedeutung. Denn diese scheitert ohne Rücksicht darauf nach den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses an der nicht rechtzeitigen Nachholung der Berufungseinlegung. An der Einlegung der Berufung war der Beklagte jedenfalls nach Erlass und Zustellung des Versäumnisurteils vom 17. Januar 2011 nicht mehr gehindert. Dieses hat im Entscheidungstenor auf das Urteil vom 14. September 2010 ausdrücklich Bezug genommen. Ferner haben die Parteien am 10. Mai 2011 vor dem Landgericht zu dem Urteil vom 17. Januar 2011 mündlich verhandelt. Dem Beklagten musste demnach die Existenz des Urteils vom 14. September 2010 bekannt sein. Außerdem konnte er erkennen, dass das Urteil, soweit es nicht als Versäumnisurteil erlassen worden ist, zu seinem Nachteil ergangen ist und somit jedenfalls fünf Monate nach dessen Verkündung am 14. September 2010 die Frist zur Einlegung der Berufung in Gang gesetzt wurde. Er konnte demnach spätestens am 10. Mai 2011 erkennen, dass die Frist abgelaufen war (vgl. BGH Beschlüsse vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 10/04 - NJW-RR 2005, 143 Rn. 6 und vom 1. März 1994 - XI ZB 23/93 - NJW-RR 1994, 1022). Um sich vom näheren Inhalt des Urteils Kenntnis zu verschaffen, hätte er etwa Akteneinsicht beantragen können.

10

Die vom Beklagten erst mit Schriftsatz vom 16. Juni 2011 eingelegte Berufung ist somit erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist gemäß §§ 234, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO beim Berufungsgericht eingegangen. Darauf, dass das Berufungsgericht der Bitte des Beklagten um Bekanntgabe eines etwaigen Zustellungsnachweises nicht nachgekommen ist, kommt es demnach ebenso wie auf das erst nach Erlass des angefochtenen Beschlusses ergänzte Vorbringen des Beklagten zur Annahme der Kanzleipost durch die von ihm beauftragte Servicegesellschaft und zur Richtigkeit der Kanzleiadresse nicht mehr an.

Dose

Weber-Monecke

Klinkhammer

Schilling

Nedden-Boeger

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