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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 16.06.2016, Az.: I ZB 58/15
Unzulässigkeit einer Erinnerung nach der Verurteilung des Schuldner zur Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung des Gläubigers an einem Investmentfonds; Hinreichende Bestimmtheit der in der Übertragung einer Fondsbeteiligung bestehenden Gegenleistung im Rahmen einer Zug-um-Zug-Verurteilung durch die Angabe des Gläubigers
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.06.2016
Referenz: JurionRS 2016, 22908
Aktenzeichen: I ZB 58/15
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:160616BIZB58.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Bad Schwalbach - 12.02.2015 - AZ: 8 M 204/15

LG Wiesbaden - 29.06.2015 - AZ: 4 T 91/15

Fundstellen:

BB 2016, 2114

DGVZ 2016, 225-226

EWiR 2016, 691

JZ 2016, 685

MDR 2016, 1228-1229

NJW 2016, 10 "Investmentfondsbeteiligung"

NZG 2016, 1153-1155

RENOpraxis 2016, 277

WM 2016, 1699-1700

WuB 2016, 768-771

ZAP EN-Nr. 772/2016

ZBB 2016, 355-356

ZIP 2016, 67-68

ZIP 2016, 1797-1799

BGH, 16.06.2016 - I ZB 58/15

Amtlicher Leitsatz:

  1. a)

    Ist der Schuldner zur Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung des Gläubigers an einem Investmentfonds verurteilt worden und hat der Gerichtsvollzieher im Namen des Gläubigers dem Schuldner ein Angebot zum Abschluss eines Abtretungsvertrags gemacht, kann der Schuldner mit der Erinnerung nach § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht geltend machen, die Übertragung der Fondsbeteiligung sei von der Zustimmung Dritter abhängig.

  2. b)

    Die in der Übertragung einer Fondsbeteiligung bestehende Gegenleistung im Rahmen einer Zug-um-Zug-Verurteilung ist durch die Angabe des Gläubigers hinreichend bestimmt, wenn der Gläubiger nur Inhaber eines Anteils und nicht mehrerer Beteiligungen an dem Investmentfonds ist.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 29. Juni 2015 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 2.000 €.

Gründe

1

I. Der Schuldner war Mittelverwendungskontrolleur des Investmentfonds B. GmbH & Co. KG. Der Gläubiger hatte über eine Treuhandgesellschaft eine Kommanditbeteiligung an der Fondsgesellschaft erworben.

2

Das Landgericht hat den Schuldner wegen Verstoßes gegen die ihm obliegende Kontrollpflicht verurteilt, an den Gläubiger Schadensersatz in Höhe von 5.676,02 € zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten und Zinsen zu zahlen und zwar Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus seiner Beteiligung an der B. GmbH & Co. KG.

3

Der Gläubiger betreibt aus diesem Urteil die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners. Er hat dem Schuldner über den Gerichtsvollzieher angeboten, ihm sämtliche Ansprüche aus seiner Beteiligung an dem Investmentfonds abzutreten. Der Schuldner hat dieses Angebot abgelehnt. Der Gerichtsvollzieher hat den Schuldner daraufhin zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft geladen.

4

Dagegen hat der Schuldner Erinnerung eingelegt, mit der er geltend macht, die Zwangsvollstreckung sei unzulässig, weil der Gerichtsvollzieher die vom Gläubiger zu erbringende Gegenleistung nicht ordnungsgemäß angeboten habe. Zum einen lägen die erforderlichen Zustimmungen zur Verfügung über den Kommanditistenanteil und die Rechte aus dem Treuhandverhältnis nicht vor. Nach § 26 Abs. 2 des Kommanditgesellschaftsvertrages könne ein Kommanditist über seinen Kommanditanteil nur mit Zustimmung der geschäftsführenden Gesellschafterin verfügen. Nach § 8 Abs. 3 des Treuhandvertrages bedürfe die Verfügung des Treugebers über seine Rechte aus dem Treuhandverhältnis der Zustimmung des Treuhänders. Zum anderen sei die geschuldete Gegenleistung im Titel nicht hinreichend bestimmt bezeichnet.

5

Das Vollstreckungsgericht hat die Erinnerung des Schuldners zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Antrag weiter, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären.

6

II. Das Beschwerdegericht hat die Erinnerung des Schuldners zum Teil als unzulässig und im Übrigen als unbegründet angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

7

Die Erinnerung gegen die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft sei statthaft. Die Erinnerung sei unzulässig, soweit der Schuldner sich darauf berufe, dass die Zustimmungen der geschäftsführenden Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft und des Treuhänders zur Abtretung nicht vorgelegen hätten. Im Erinnerungsverfahren seien materiell-rechtliche Einwendungen gegen den durch das Urteil ausgewiesenen Anspruch nicht zu prüfen. Die Erinnerung sei unbegründet, soweit der Schuldner geltend mache, die geschuldete Gegenleistung sei im Titel nicht hinreichend bestimmt bezeichnet. Da der Gläubiger allein Inhaber der dem Schuldner als Gegenleistung angebotenen Beteiligung und nicht Inhaber weiterer Beteiligungen sei, sei der abzutretende Anspruch hinreichend individualisiert.

8

III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Sie ist jedoch nicht begründet. Die Erinnerung des Schuldners hat keinen Erfolg.

9

1. Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Schuldner sich mit der Erinnerung gegen die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft wenden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2009 - AnwZ (B) 103/08, NJW-RR 2009, 1581 [BGH 20.04.2009 - AnwZ (B) 103/08] Rn. 8). Mit der Erinnerung können Einwände gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung erhoben oder Verstöße des Gerichtsvollziehers gegen das von ihm bei der Zwangsvollstreckung zu beobachtende Verfahren gerügt werden (§ 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Gerichtsvollzieher ist im Rahmen der ihm obliegenden Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen nach § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO befugt, eine Vermögensauskunft des Schuldners (§ 802c ZPO) einzuholen. Die Ladung des Schuldners zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft (§ 802f Abs. 1 ZPO) ist Teil des Verfahrens zur Abnahme der Vermögensauskunft und damit Teil der Zwangsvollstreckung.

10

2. Der Schuldner macht ohne Erfolg geltend, der Gerichtsvollzieher habe die Gegenleistung nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten.

11

a) Hängt die Vollstreckung - wie im Streitfall - von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nach § 756 Abs. 1 ZPO nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat. Der Einwand des Schuldners, der Gerichtsvollzieher habe die Zwangsvollstreckung begonnen, bevor er die Gegenleistung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten habe, betrifft das vom Gerichtsvollzieher bei der Zwangsvollstreckung zu beobachtende Verfahren und kann vom Schuldner daher mit der Erinnerung geltend gemacht werden.

12

b) Nach dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Landgerichts hängt die Zwangsvollstreckung wegen der titulierten Geldforderung des Schuldners gegen den Gläubiger davon ab, dass der Gläubiger dem Schuldner im Gegenzug alle Ansprüche aus seiner Beteiligung an der B. GmbH Co. & KG abtritt. Der Gerichtsvollzieher durfte den Schuldner danach nicht zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft laden, bevor er ihm die Abtretung aller Ansprüche des Gläubigers aus dessen Beteiligung an dem Investmentfonds in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hatte.

13

aa) Der Schuldner macht vergeblich geltend, der Gerichtsvollzieher habe die Gegenleistung nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten, weil die nach dem Kommanditgesellschaftsvertrag und dem Treuhandvertrag erforderlichen Zustimmungen zur Verfügung über den Kommanditistenanteil und die Rechte aus dem Treuhandverhältnis nicht vorgelegen hätten.

14

(1) Der Schuldner kommt als Gläubiger der Gegenleistung gemäß § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Dabei muss ihm die Leistung nach § 294 BGB so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten worden sein. Die Forderung aus der Beteiligung an dem Investmentfonds konnte vom Gläubiger im Wege der Abtretung gemäß § 398 Satz 1 BGB durch Vertrag mit dem Schuldner auf diesen übertragen werden. Dazu musste der Gläubiger dem Schuldner die Schließung eines entsprechenden Vertrages antragen (§ 145 BGB). Der Gerichtsvollzieher hat dem Schuldner im Namen und mit Vollmacht des Gläubigers (§§ 164, 167 BGB) ein solches Angebot gemacht. Der Schuldner hat dieses Angebot abgelehnt und ist damit in Annahmeverzug geraten.

15

(2) Der Schuldner macht vergeblich geltend, das Angebot zur Abtretung sämtlicher Ansprüche des Gläubigers aus seiner Beteiligung an dem Investmentfonds sei unzureichend, weil die nach dem Kommanditgesellschaftsvertrag und dem Treuhandvertrag erforderlichen Zustimmungen zur Verfügung über den Kommanditistenanteil und die Rechte aus dem Treuhandverhältnis nicht vorgelegen hätten.

16

Mit der Erinnerung können allein Einwände gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung erhoben oder Verstöße des Gerichtsvollziehers gegen das von ihm bei der Zwangsvollstreckung zu beobachtende Verfahren gerügt werden (§ 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dagegen können mit der Erinnerung keine materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den durch den Vollstreckungstitel rechtskräftig zuerkannten Anspruch geltend gemacht werden (BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - I ZB 61/12, NJW 2013, 2287 Rn. 20 mwN).

17

Der Einwand des Schuldners, die zur Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung des Gläubigers an dem Investmentfonds erforderlichen Zustimmungen zur Verfügung über den Kommanditistenanteil und die Rechte aus dem Treuhandverhältnis hätten nicht vorgelegen, betrifft nicht die im Vollstreckungsverfahren vom Gerichtsvollzieher zu prüfende Frage, ob der Gläubiger dem Schuldner die im Vollstreckungstitel bezeichnete Gegenleistung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat. Bei der Frage, ob in Bezug auf die Zug-um-Zug-Verurteilung das Angebot des Gläubigers auf Übertragung der Fondsbeteiligung ausreicht und dies auch dann gilt, wenn diese Übertragung von der Zustimmung Dritter abhängig ist, handelt es sich vielmehr um eine materiell-rechtliche Frage, die im Erkenntnisverfahren vom Prozessgericht zu beantworten ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2009 - II ZR 15/08, NJW 2010, 1077 Rn. 29; Beschluss vom 6. Juli 2010 - XI ZB 40/09, NJW-RR 2010, 1295 Rn. 14; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - XI ZR 295/11, Rn. 1). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen etwaige gesellschaftsrechtliche Schwierigkeiten bei der Übertragung der Fondsbeteiligung der Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Übertragung aller Ansprüche aus der Fondsbeteiligung nicht entgegen, weil diese Schwierigkeiten in den Risikobereich des schadensersatzpflichtigen Beklagten und nicht in denjenigen des geschädigten Klägers fallen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2007 - III ZR 214/06, Rn. 3; Urteil vom 10. Juli 2012 - XI ZR 295/11, Rn. 1).

18

bb) Der Schuldner macht weiter ohne Erfolg geltend, der Gerichtsvollzieher habe die Gegenleistung nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten, weil diese im Vollstreckungstitel nicht hinreichend bestimmt bezeichnet sei.

19

(1) Der Schuldner kommt als Gläubiger der Gegenleistung nur dann in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt, obwohl sie ihm so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten worden ist (§§ 293, 294 BGB). Der Gerichtsvollzieher kann dem Schuldner die Gegenleistung daher nur dann in einer den Annahmeverzug begründenden Weise anbieten, wenn diese im Vollstreckungstitel so bestimmt bezeichnet ist, dass festgestellt werden kann, ob die angebotene Leistung mit der bezeichneten Leistung übereinstimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 1993 - XII ZB 97/93, NJW 1993, 3206, 3207; Beschluss vom 7. Juli 2005 - I ZB 7/05, WM 2005, 1954, 1955).

20

(2) Für die Bestimmtheit der Gegenleistung im Rahmen einer Zug-um-Zug-Verurteilung gelten dieselben Anforderungen wie für die Bestimmtheit der Leistung im Rahmen einer Leistungsklage. Die Zug-um-Zug-Einschränkung muss daher so bestimmt sein, dass sie ihrerseits zum Gegenstand einer Leistungsklage gemacht werden könnte (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2010 - X ZR 122/07, NJW 2011, 989 Rn. 32). Bei der hier in Rede stehenden Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Abtretung einer Forderung, muss die Forderung deshalb so genau bezeichnet sein, dass sie identifiziert werden kann.

21

(3) Die Beschwerde macht geltend, eine Identifizierung der Forderung sei im Streitfall nicht möglich. Da es sogar an der Angabe der Fondsnummer fehle, sei für das Vollstreckungsorgan aus dem Vollstreckungstitel nicht hinreichend sicher zu entnehmen, um welchen Fonds es sich handele, an dem der Gläubiger beteiligt sein solle. Damit dringt die Beschwerde nicht durch. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist der Gläubiger allein Inhaber der dem Schuldner als Gegenleistung angebotenen Beteiligung und nicht Inhaber weiterer Beteiligungen. Danach kann die abzutretende Forderung bereits anhand der persönlichen Angaben des Gläubigers identifiziert werden.

22

IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG.

Büscher

Koch

Löffler

Schwonke

Feddersen

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