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Bundesgerichtshof
Urt. v. 16.04.2015, Az.: 3 StR 5/15
Rechtmäßigkeit der Unterbringung eines wegen Sexualdelikten Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 16.04.2015
Referenz: JurionRS 2015, 22349
Aktenzeichen: 3 StR 5/15
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Bückeburg - 22.09.2014

Rechtsgrundlagen:

§ 21 StGB

§ 63 StGB

Fundstelle:

NStZ-RR 2015, 322

Verfahrensgegenstand:

Sexuelle Nötigung u.a.

BGH, 16.04.2015 - 3 StR 5/15

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April 2015, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,

die Richter am Bundesgerichtshof Hubert,

Dr. Schäfer,

Mayer,

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt
als Verteidiger,

Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 22. September 2014 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  2. 2.

    Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, wegen vorsätzlicher Brandstiftung, Diebstahls in zwei Fällen, wegen Diebstahls mit Waffen und Wohnungseinbruchdiebstahls mit Waffen unter Einbeziehung von zwei früheren Urteilen zur Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Weiterhin hat es bestimmt, dass die (gesamte) Jugendstrafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Die zu Gunsten des Angeklagten eingelegte, wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft rügt allgemein die Verletzung materiellen Rechts, beanstandet im Einzelnen den Strafausspruch des angefochtenen Urteils sowie die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten gemäß § 63 StGB. Sie erstrebt die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs sowie die Zurückverweisung der Sache insoweit zu erneuter Verhandlung und Entscheidung. Der Angeklagte begründet seine Revision mit der allgemein erhobenen Sachrüge und beanstandet im Einzelnen ebenfalls die Strafhöhe sowie die Anordnung seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

2

Beide Rechtsmittel führen zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Das wirksam beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat somit vollen, die Revision des Angeklagten lediglich teilweisen Erfolg; denn seine weitergehende Revision ist unbegründet.

3

Nach den Feststellungen des Landgerichts beging der Angeklagte die gegenständlichen Taten zwischen dem 27. März 2012 (Fall II. 1. der Urteilsgründe: Sexuelle Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung) und dem 10. November 2013 (Fall II. 6. der Urteilsgründe: Wohnungseinbruchdiebstahl mit Waffen). Während das Landgericht zu Fall II. 1. festgestellt hat, dass sich der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat aufgrund einer "hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens und der sich daraus bei ihm entwickelnden dissozialen Persönlichkeitsstörung" sicher in einem Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB befand, hat es in den Fällen II. 2. (vorsätzliche Brandstiftung) und II. 6. der Urteilsgründe einen solchen Zustand seiner Schuldfähigkeit lediglich nicht auszuschließen vermocht. In den zwischen dem 17. September 2013 und dem 1. Oktober 2013 begangenen Fällen II. 3. bis 5. der Urteilsgründe (Diebstahl in zwei Fällen und Diebstahl mit Waffen) war der Angeklagte nach Auffassung des Landgerichts demgegenüber voll schuldfähig.

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I. Revision des Angeklagten

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1. Die auf die Sachrüge des Angeklagten veranlasste umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuldspruch aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht.

6

2. Demgegenüber kann der Rechtsfolgenausspruch nicht bestehen bleiben.

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a) Der Strafausspruch weist durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift und in der Hauptverhandlung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"... b) Hinsichtlich der Zumessungserwägungen zu Fall I. 1. ist jedoch zu besorgen, dass die Jugendkammer das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes strafschärfend berücksichtigt hat, denn das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass 'kein Vorverhalten der Zeugin K. vor[gelegen habe], aufgrund derer der Angeklagte die berechtigte Erwartung auf einverständliche sexuelle Handlungen haben konnte' (UA S. 23; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - 3 StR 514/13). Ferner berücksichtigte die Kammer zuungunsten des Beschwerdeführers, dass 'auch ... keine länger andauernde Freundschaft oder gar intime Beziehung zwischen den Beteiligten' bestand (UA S. 23).

c) Das Landgericht hat ferner bei der Bewertung des Tatunrechts die Prüfung, ob besondere Umstände vorliegen, die bei einem Erwachsenen das Vorliegen eines minder schweren Falles begründet hätten, lediglich in den Fällen II. 1., 4. und 5. vorgenommen (UA S. 23-25), für den Fall II. 2. (UA S. 8) jedoch eine vergleichbar gebotene Erörterung des § 306 Abs. 2 StGB unterlassen.

d) Des Weiteren hat das Landgericht zwei - noch nicht erledigte - Urteile gemäß § 31 Abs. 2 JGG einbezogen, diese aber nicht näher dargestellt. Bei der Einbeziehung rechtskräftiger früherer Urteile nach § 31 Abs. 2 JGG sind die früher begangenen Straftaten im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zusammen mit der neuen Straftat zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen. Um die hierfür erforderliche vollständige Beurteilungsgrundlage zu gewinnen, sind die früheren Taten an sich deshalb zumindest kurz darzustellen. Eine bloße Mitteilung der früheren Urteilssprüche, ohne die zugrundeliegenden Sachverhalte und die Zumessungsgründe, genügt daher grundsätzlich nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 1996 - 3 StR 10/96 - StV 1998, 344 f.; BGH, Beschluss vom 14. April 1988 - 1 StR 139/88, StV 1989, 307 f.)."

8

Dem stimmt der Senat zu; er vermag unter den gegebenen Umständen letztlich nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Zumessung auf eine niedrigere Einheitsjugendstrafe erkannt hätte.

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b) Die Aufhebung des Strafausspruches hat hier zur Folge, dass auch der Maßregelausspruch nicht bestehen bleiben kann.

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aa) Dies folgt bereits aus dem im Jugendstrafrecht gemäß § 5 Abs. 3 JGG bestehenden besonders engen Sachzusammenhang zwischen der Verhängung von Jugendstrafe und einer Maßregelanordnung (§ 5 Abs. 3 JGG; vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 3 StR 299/13, Rn. 4; Brunner/Dölling, JGG, 12. Aufl., § 5 Rn. 2 ff.). Mit Blick hierauf soll dem neuen Tatrichter eine einheitliche Rechtsfolgenentscheidung ermöglicht werden.

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bb) Der Maßregelausspruch erscheint aber auch für sich betrachtet als nicht unproblematisch.

12

II. Revision der Staatsanwaltschaft

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Die zugunsten des Angeklagten eingelegte, wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat aus den insoweit zur Revision des Angeklagten dargelegten Gründen vollen Erfolg.

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Die Sache bedarf daher auf beide Rechtsmittel zum Rechtsfolgenausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Die mit der Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs vorliegend gebotene Aufhebung der zugehörigen Urteilsfeststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) zwingt den nunmehr befassten Tatrichter, zu den Voraussetzungen des § 21 StGB und des § 63 StGB neue Feststellungen zu treffen. Hierzu wird die Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen zu erwägen sein.

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Soweit das Landgericht im angefochtenen Urteil angeordnet hat, dass die (gesamte) Jugendstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu vollstrecken ist, weist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts hierzu in seiner Terminantragsschrift hin und ergänzt diese dahin, dass die Umkehr der gesetzlichen Vollstreckungsreihenfolge grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn dadurch der Zweck der Maßregel leichter erreicht wird (vgl. Brunner/Dölling aaO, Rn. 2a).

Becker

Hubert

Schäfer

Mayer

Spaniol

Von Rechts wegen

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