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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 14.03.2012, Az.: 2 StR 520/11
Erforderlichkeit eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen Hang zum Alkoholkonsum und Straftat bzgl. Anordnung der Unterbringung in einer Erziehungsanstalt
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 14.03.2012
Referenz: JurionRS 2012, 13738
Aktenzeichen: 2 StR 520/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Bonn - 16.02.2011

Rechtsgrundlage:

§ 64 S. 2 StGB

Verfahrensgegenstand:

Versuchter schwerer Raub u. a.

BGH, 14.03.2012 - 2 StR 520/11

Redaktioneller Leitsatz:

Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht einer Maßnahme nach § 64 StGB kommt es nicht darauf an, dass die "Entziehungskur" als "nicht aussichtslos im Sinne von § 64 Abs. 2 StGB" erscheint, sondern es muss nach § 64 Satz 2 StGB eine hinreichend konkrete Aussicht gegeben sein, dass die Behandlung in der Entziehungsanstalt erfolgreich sein wird.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf Antrag des Generalbundesanwalts und
nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 14. März 2012
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 16. Februar 2011 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  2. 2.

    Der Strafausspruch wird dahin ergänzt, dass die in dieser Sache in Polen erlittene Auslieferungshaft auf die verhängte Freiheitsstrafe im Verhältnis 1:1 angerechnet wird.

  3. 3.

    Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision hat hinsichtlich des Maßregelausspruchs Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1.

Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

3

a)

Die Ausführungen des Landgerichts belegen den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Straftat nicht. Mit der bloßen Bezugnahme auf die Aussage des Sachverständigen, wonach die Tat "wahrscheinlich" darauf zurückgehe, dass der Angeklagte Geld für "seinen Alkoholkonsum benötigte und er durch seinen Lebensstil gruppendynamischen Effekten unterlag" (UA S. 56), ist eine Symptomtat nicht sicher festgestellt. Hinzu kommt, dass die Einschätzung des Sachverständigen durch die Urteilsgründe nicht getragen wird. Vielmehr stellt die Kammer fest, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte die Tat unter Alkoholeinfluss begangen hat (UA S. 48). Auch ansonsten lassen sich den Feststellungen keine Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Alkoholabhängigkeit und Anlasstat entnehmen.

4

b)

Darüber hinaus ist die auf die Gefahr der Begehung erheblicher rechtswidriger Straftaten zu beziehende Prognose mit der Annahme des Landgerichts, der Alkoholkonsum habe "bereits zu dissozialen Verhaltensformen geführt" (UA S. 56), nicht tragfähig begründet. Auch im Übrigen enthalten die Feststellungen zur Person, zu den Vorstrafen und zur Tat keine ausreichende Grundlage für die Annahme, der Angeklagte werde infolge seines Hangs erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen.

5

c)

Schließlich hat das Landgericht bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht einer Maßnahme nach § 64 StGB den falschen Maßstab angewendet. Es kommt nicht darauf an, dass die "Entziehungskur" als "nicht aussichtslos im Sinne von § 64 Abs. 2 StGB" erscheint (UA S. 56), sondern es muss nach § 64 Satz 2 StGB eine hinreichend konkrete Aussicht gegeben sein, dass die Behandlung in der Entziehungsanstalt erfolgreich sein wird. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich auch nicht sicher entnehmen, dass das Landgericht bei seiner Beurteilung im Ergebnis von dem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.

6

2.

Der Schuldspruch war neu zu fassen, da ein nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 und 3 StGB qualifizierter Raub als "besonders schwer" zu bezeichnen ist (vgl. BGH NStZ 2010, 101; NStZ-RR 2009, 377). Außerdem war in die Urteilsformel (Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 260 Rn. 35 mN) gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB aufzunehmen, dass die in Polen erlittene Auslieferungshaft auf die verhängte Freiheitsstrafe im Verhältnis 1:1 (vgl. Senat, Beschluss vom 16. März 2011 - 2 StR 611/10; Fischer StGB 59. Aufl. § 51 Rn. 19 mwN) angerechnet wird.

7

3.

Zur Frage der Besetzung verweist der Senat auf seine Urteile vom 11. Januar 2012 (2 StR 482/11) und vom 8. Februar 2012 (2 StR 346/11).

Ernemann

Fischer

Appl

Schmitt

Ott

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