Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Beschl. v. 12.11.2009, Az.: IX ZB 140/09
Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses für die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 12.11.2009
Referenz: JurionRS 2009, 26825
Aktenzeichen: IX ZB 140/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Aurich - 07.04.2009 - AZ: 9 IN 97/09

LG Aurich - 11.05.2009 - AZ: 4 T 192/09

BGH, 12.11.2009 - IX ZB 140/09

Redaktioneller Leitsatz:

Ein Fortsetzungsfeststellungsverfahren findet im Insolvenzverfahren nur statt, wenn eine tiefgreifende Grundrechtsverletzung zum Nachteil des Schuldners oder eine fortwirkende Beeinträchtigung, welche eine Sachentscheidung trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels ausnahmsweise erfordert, möglich erscheinen.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und
die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp
am 12. November 2009
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 11. Mai 2009 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 300 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Schuldner beantragte am 17. August 2006 die Eröffnung des (Regel-)Insolvenzverfahrens über sein Vermögen nebst Restschuldbefreiung. Am 21. September 2006 beantragte er hilfsweise die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Eine Bescheinigung über den Versuch einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) fügte er dem Antrag nicht bei. Nach einem entsprechenden Hinweis behandelte das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als zurückgenommen (§ 305 Abs. 3 Satz 2 InsO). Eine hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners verwarf das Landgericht am 15. Dezember 2006 als unzulässig.

2

Mit Antrag vom 19. März 2009 nahm der Schuldner auf den aus seiner Sicht noch offenen ursprünglichen Hauptantrag Bezug und bat das Insolvenzgericht um Entscheidung. Die Gründe zur Eröffnung des (Regel-) Insolvenzverfahrens hätten sich konkretisiert. Es lägen nunmehr Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen vor, und zwar in Form von Ansprüchen der Sozialkassen. Hilfsweise wiederholte der Schuldner den Antrag auf Eröffnung des (Regel-)Insolvenzverfahrens.

3

Durch Beschluss vom 7. April 2009 hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners in der Form des Regelverfahrens eröffnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde, die der Schuldner darauf gestützt hat, dass die Eröffnung nicht auf seinen ersten Hauptantrag aus dem Jahr 2006 erfolgt sei, hat das Landgericht als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die nach §§ 6, 7, 34 Abs. 2 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil es dem Schuldner an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens fehlt.

1.

5

Mit der Eröffnung des (Regel-)Insolvenzverfahrens auf den Hilfsantrag des Schuldners vom 19. März 2009 kann über dessen Vermögen kein weiteres Insolvenzverfahren eröffnet werden. Eine ersetzende Sachentscheidung (vgl. § 577 Abs. 5 ZPO) ist dem Senat daher nicht möglich. Die mit dem Hilfsantrag des Schuldners im Rechtsbeschwerdeverfahren erstrebte Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht ist wegen der eingetretenen prozessualen Überholung durch die Verfahrenseröffnung am 7. April 2009 ebenfalls ausgeschlossen.

2.

6

Der Schuldner ist auch nicht zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag übergegangen. Ein solcher wäre allerdings ebenfalls unzulässig. Eine solche Rechtsschutzform ist weder in der Zivilprozessordnung noch in der Insolvenzordnung allgemein vorgesehen. Sie findet daher im Insolvenzverfahren nur statt, wenn eine tiefgreifende Grundrechtsverletzung zum Nachteil des Schuldners oder eine fortwirkende Beeinträchtigung, welche eine Sachentscheidung trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels ausnahmsweise erfordert, möglich erscheinen (BGHZ 158, 212, 216 f; BGH, Beschl. v. 12. Oktober 2006 - IX ZB 34/05, WM 2006, 2329, 2330; v. 11. Januar 2007 - IX ZB 271/04, ZIP 2007, 438 f). Solche Rechtsschutzgründe sind nach der Verfahrenseröffnung in dem vom Schuldner gewünschten Regelverfahren nicht ersichtlich. Die Wirksamkeit der Verfahrenseröffnung wird von ihm nicht in Zweifel gezogen.

7

Soweit sich die Rechtsbeschwerde darauf beruft, dass sich durch die Eröffnung auf den späteren Insolvenzantrag des Schuldners der Schutzbereich des § 88 InsO zu dessen Lasten verschoben habe [RBB 7], trifft dies nicht zu. Bei einer einheitlichen Insolvenz ist der von § 88 InsO geschützte Zeitraum nach § 139 Abs. 2 Satz 1 InsO unter Einbeziehung des ersten zulässigen und begründeten Insolvenzantrags zu ermitteln (vgl. HK-InsO/Kayser, 5. Aufl. § 88 Rn. 29).

8

Die von der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Rechtsfragen zum Verhältnis von (Regel-)Insolvenzverfahren und Verbraucherinsolvenzverfahren stellen sich sonach nicht.

Ganter
Raebel
Kayser
Pape
Grupp

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.