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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 12.04.2011, Az.: VI ZB 44/10
Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Beschwerde nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung durch Urteil
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 12.04.2011
Referenz: JurionRS 2011, 15380
Aktenzeichen: VI ZB 44/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Hannover - 22.12.2009 - AZ: 422 C 8925/08

LG Hannover - 01.07.2010 - AZ: 6 S 13/10

Fundstellen:

EBE/BGH 2011, 163-164

MDR 2011, 810-811

Mitt. 2011, 386 "Berufungssumme"

NJ 2011, 5

PA 2011, 113

VersR 2011, 1155

ZAP 2011, 1132

ZAP EN-Nr. 719/2011

BGH, 12.04.2011 - VI ZB 44/10

Amtlicher Leitsatz:

ZPO § 4 Abs. 1 Halbsatz 2, § 91a Abs. 1 Satz 1, § 511 Abs. 2 Nr. 1

Wird nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung durch Urteil zugleich in der Hauptsache und über die Kosten des erledigten Teils entschieden, so ist die Berufung nur zulässig, wenn der nicht erledigte Teil der Hauptsache die Berufungssumme erreicht.

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 12. April 2011
durch
den Vorsitzenden Richter Galke,
den Richter Zoll,
die Richterin Diederichsen,
den Richter Pauge und
die Richterin von Pentz
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 1. Juli 2010 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

Beschwerdewert: bis 300 €

Gründe

I.

1

Der Kläger hat die Beklagte auf Löschung über ihn gespeicherter Daten und auf Ersatz der für die Einholung von Selbstauskünften entstandenen Kosten in Höhe von 23,40 € in Anspruch genommen. Nachdem die Beklagte die beanstandeten Eintragungen nach Ablauf der Speicherfrist von 12 Monaten gelöscht hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Löschungsantrags übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Den auf Zahlung von 23,40 € gerichteten Antrag hat das Amtsgericht abgewiesen und dem Kläger gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 4. Juni 2010 hat das Landgericht den Streitwert für das Berufungsverfahren auf "bis 300 €" festgesetzt und beim Kläger angefragt, ob die Berufung aufrecht erhalten bleibe. Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass er die Berufung nicht zurücknehme, hat das Landgericht die Berufung mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige. Denn dieser richte sich nach dem Interesse des Klägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts, deren Gegenstände der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 23,40 € sowie die Kosten des Verfahrens erster Instanz seien. Diese seien mit nicht mehr als 300 € zu bewerten. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2

1.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die im Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen sind durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geklärt. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage dieser Rechtsprechung jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden.

3

a)

Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, bei dem angefochtenen Beschluss handele es sich um eine unzulässige Überraschungsentscheidung. Die Rechtsbeschwerde weist zwar zutreffend darauf hin, dass dem Berufungskläger vor der Verwerfung einer Berufung als unzulässig rechtliches Gehör zu gewähren ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2010 - XII ZB 168/08, NJW-RR 2010, 1075 Rn. 7; vom 15. April 2008 - VIII ZB 127/06, zitiert nach [...] Rn. 5; vom 18. Juli 2007 - XII ZB 162/06, VersR 2008, 1087 Rn. 6, jeweils mwN). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Berufungsgericht seiner Pflicht zur Anhörung des Rechtsmittelführers im Streitfall aber nachgekommen. Denn es hat den Kläger mit Beschluss vom 4. Juni 2010 darauf hingewiesen, dass sich der Streitwert des Berufungsverfahrens wegen der übereinstimmenden Teilerledigungserklärungen der Parteien auf weniger als 300 € belaufe, und den Kläger um Mitteilung gebeten, ob er die Berufung aufrecht erhalte. Damit hat es dem Kläger in der erforderlichen Weise Gelegenheit gegeben, sich zu dem dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht im Beschluss vom 4. Juni 2010 Ausführungen nur zum Streitwert des Berufungsverfahrens, nicht hingegen auch zu dem - für die Zulässigkeit der Berufung allein maßgeblichen - Wert des Beschwerdegegenstandes gemacht hat. Denn wie sich aus der Anfrage beim Kläger, ob das Rechtsmittel durchgeführt werden soll, ergibt, sollte der Beschwerdewert ersichtlich entsprechend dem in dem Beschluss abgehandelten Streitwert des Berufungsverfahrens behandelt werden. In diesem Sinne hat der Kläger den Beschluss auch verstanden. Denn er hat mit Schriftsatz vom 30. Juni 2010 die ihm eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme genutzt und mit näherer Begründung ausgeführt, dass er durch die Entscheidung des Amtsgerichts "erheblich beschwert" sei.

4

b)

Das Berufungsgericht hat die Berufung auch mit Recht als unzulässig verworfen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 € nicht (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind bei der Ermittlung des Beschwerdewerts weder das mit dem ursprünglichen Löschungsantrag verfolgte "Sachinteresse" des Klägers noch die auf den erledigten Teil entfallenden Prozesskosten zu berücksichtigen. Vielmehr bemisst sich die Beschwer vorliegend allein nach dem von dem Kläger weiterverfolgten Begehren, die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 23,40 € zu erreichen. Denn wird - wie im Streitfall - nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung durch Urteil zugleich in der Hauptsache und über die Kosten des erledigten Teils entschieden, so ist die Berufung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur zulässig, wenn der nicht erledigte Teil der Hauptsache die Berufungssumme erreicht (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2007 - VI ZB 73/06, VersR 2008, 557 Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 20. September 1962 - VII ZB 2/62, MDR 1963, 44 f.; vom 23. Juli 1981 - III ZR 28/81, JurBüro 1981, 1489 f.; vom 17. Mai 1990 - IX ZB 9/90, BGHR ZPO § 91a Abs. 1 Satz 1 Streitwert 1; vom 31. Oktober 1991 - IX ZR 171/91, BGHR ZPO § 91a Abs. 1 Satz 1 Streitwert 2; vom 15. März 1995 - XII ZB 29/95, NJW-RR 1995, 1089, 1090; vom 28. Februar 2007 - XII ZB 165/06, FamRZ 2007, 893 Rn. 10; OLG Karlsruhe, MDR 1996, 1298 [OLG Karlsruhe 16.09.1996 - 3 W 96/96]; KG, Beschluss vom 12. November 2009 - 8 W 91/09, zitiert nach [...] Rn. 4 jeweils mwN). Die auf den erledigten Teil der Hauptsache entfallenden Kosten bleiben hierfür außer Betracht. Denn bei ihnen handelt es sich um Nebenforderungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO, die den Streitwert und damit auch die Beschwer nicht beeinflussen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1991 - IX ZR 171/91, aaO; KG, aaO).

5

Auch das mit dem übereinstimmend für erledigt erklärten Klagantrag ursprünglich verfolgte "Sachinteresse" des Klägers vermag den Beschwerdewert nicht zu erhöhen. Denn mit den übereinstimmenden Erledigungserklärungen endet die Rechtshängigkeit des für erledigt erklärten Teils der Hauptsache; anhängig bleibt insoweit nur der Kostenpunkt, über den gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359, 366 mwN, vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Dezember 2006 - IX ZR 66/05, NJW 2007, 1591 Rn. 25).

6

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

für den urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehinderten VRBGH Galke: Zoll
Zoll
Diederichsen
Pauge
von Pentz

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