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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 11.05.2016, Az.: VII ZR 64/15
Geltendmachung der Erteilung von Provisionsabrechnungen, eines Buchauszugs und Provisionszahlungen durch einen Handelsvertreter im Wege der Stufenklage
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 11.05.2016
Referenz: JurionRS 2016, 16751
Aktenzeichen: VII ZR 64/15
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:110516BVIIZR64.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Stuttgart - 09.04.2014 - AZ: 40 O 71/11 KfH

OLG Stuttgart - 12.03.2015 - AZ: 2 U 61/14

Fundstellen:

ZVertriebsR 2016, 242-243

ZVertriebsR 2017, 90

BGH, 11.05.2016 - VII ZR 64/15

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Wimmer

beschlossen:

Tenor:

Der Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision wird teilweise stattgegeben.

Das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. März 2015 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Verurteilungen der Beklagten zur Erteilung von Provisionsabrechnungen und zu einem Buchauszug bezüglich im Zeitraum 1. Juni 2011 bis einschließlich 31. Dezember 2013 geschlossener Geschäfte bestätigt worden sind.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis 45.000 €;

des stattgebenden Teils: bis 5.000 € (§ 3 ZPO)

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Rahmen einer Stufenklage Erteilung von Provisionsabrechnungen und eines Buchauszugs sowie Provisionszahlungen.

2

Die Klägerin hatte ab 1995 eine Bezirksvertretung der Beklagten inne. Ab Juni 2005 betreute sie als Handelsvertreterin noch einzelne ihr zugewiesene Kunden der Beklagten. Anlässlich dieser Vertragsänderung wurde im Mai 2005 ein neuer "Handelsvertretungsvertrag (Rahmenvertrag)" unterzeichnet, der gemäß Nr. 8 mit einer Frist von zwei Jahren zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden konnte.

3

Im Jahr 2007 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 30. Juni 2009.

4

Im Mai 2009 verständigten sich die Parteien vorläufig mündlich darauf, ihre Zusammenarbeit mit der Modifikation fortzusetzen, dass sich die Vermittlungstätigkeit der Klägerin künftig auf den Kunden D. AG beschränkt.

5

Im November 2010 schloss die Beklagte mit der D. AG eine Mehrjahresvereinbarung betreffend die Belieferung der D. AG mit Serien- und Ersatzteilen ab.

6

Anschließend teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie wolle nun ihre Kunden ausschließlich mit eigenen Mitarbeitern betreuen und werde die Zusammenarbeit zum 31. Januar 2011 beenden. Entsprechend kündigte die Beklagte mit E-Mail vom 27. Januar 2011 die Beendigung der Zusammenarbeit zum 31. Januar 2011 an.

7

Die Klägerin erhielt aus Geschäften mit der D. AG bis Januar 2011 weiterhin monatlich Provisionszahlungen.

8

Mit Teilurteil vom 18. Januar 2012 hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin monatliche Provisionsabrechnungen zu erteilen über alle Lieferungen, die sie aus Geschäften mit der D. AG in der Zeit vom 1. Februar 2011 bis 31. Mai 2011 ausgeführt hat.

9

Die Berufung der Beklagten gegen dieses Teilurteil hat das Berufungsgericht mit Urteil vom 2. Mai 2013 zurückgewiesen.

10

Aufgrund einer Klageerweiterung hat das Landgericht nach Beweisaufnahme die Beklagte mit weiterem Teilurteil vom 9. April 2014 verurteilt, der Klägerin monatliche Provisionsabrechnungen zu erteilen über alle Lieferungen, die sie in der Zeit ab dem 1. Juni 2011 aus Geschäften mit der D. AG bis zum 31. Dezember 2013 ausgeführt hat. Außerdem hat das Landgericht die Beklagte zur Erteilung von Buchauszügen über alle Geschäfte verurteilt, die sie mit der D. AG für die Zeit ab dem 1. Januar 2011 bis einschließlich 31. Dezember 2013 geschlossen hat. Ferner hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 52.761,23 € nebst Zinsen verurteilt, wobei diese Verurteilung Provisionsforderungen für die Monate Februar bis einschließlich Mai 2011 betrifft.

11

Die Berufung der Beklagten gegen dieses Teilurteil hat das Berufungsgericht mit Urteil vom 12. März 2015 zurückgewiesen.

12

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten. Diese will die Abweisung der Klage im Hinblick auf Auskunfts- und Provisionsansprüche der Klägerin für Lieferungen aus Geschäften mit der D. AG ab 1. März 2011 mit der beabsichtigten Revision weiterverfolgen.

II.

13

Das Berufungsgericht führt, soweit im vorliegenden Verfahren von Bedeutung, im Wesentlichen Folgendes aus:

14

Das Landgericht habe in der Sache richtig entschieden.

15

In seinem Berufungsurteil vom 2. Mai 2013 habe das Berufungsgericht ein Handelsvertreterverhältnis zwischen den Parteien bejaht und dieses als nicht mit Wirkung vor dem 31. Mai 2011 gekündigt angesehen. Um Wiederholungen zu vermeiden nehme das Berufungsgericht auf die Entscheidungsgründe jenes Urteils Bezug. Davon sei auch das Landgericht in seinem weiteren Teilurteil zu Recht ausgegangen. Weder der weitere erstinstanzliche Vortrag noch die durchgeführte Beweisaufnahme gäben Grund, von einer Beendigung zu einem früheren Zeitpunkt auszugehen. Auch das Berufungsvorbringen führe zu keiner abweichenden Beurteilung.

16

Zu Recht habe das Landgericht die Mehrjahresvereinbarung auch in Bezug auf die später während ihrer Laufzeit abgeschlossenen Verträge zwischen der Beklagten und der D. AG als provisionsanspruchsbegründend angesehen.

17

Zu Recht habe das Landgericht aus der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass die Rahmenvereinbarung als das Werk der Klägerin anzusehen sei und dass aufgrund der Usancen und der tatsächlichen Abwicklung nicht nur der Zugang der Beklagten zu diesem Kunden (D. AG) eröffnet, sondern bereits eine gesicherte Erwartung auf Lieferungen während der gesamten Vertragslaufzeit begründet gewesen sei. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass mit der Mehrjahresvereinbarung faktisch der Weg für alle in der Laufzeit dieser Vereinbarung geschlossenen Verträge gebahnt und nicht lediglich eine vage Möglichkeit künftiger Vertragsabschlüsse geschaffen worden sei. Die übrige Beweisaufnahme gebe keinen tragfähigen Anlass, an der grundlegenden, weitreichenden Bedeutung der Mehrjahresvereinbarung für die folgende Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der D. AG zu zweifeln.

18

Dagegen, dass das Landgericht die Provisionspflicht für den gesamten nunmehr verfahrensgegenständlichen Zeitraum für gegeben erachtet habe, sei nichts zu erinnern. Anders als in Fallgestaltungen, bei denen der Handelsvertreter im Wesentlichen nur den Kundenkontakt herstelle und ein "Erstgeschäft" vermittelt habe, nehme die Wirkung der Bemühungen des Handelsvertreters in Bezug auf Geschäfte innerhalb der Geltungsdauer der verfahrensgegenständlichen Mehrjahresvereinbarung nicht entscheidungserheblich ab. Denn die Vereinbarung sei gerade auf eine bestimmte Dauer angelegt gewesen, so dass die zu seinem Zustandekommen beitragenden Bemühungen des Handelsvertreters den gesamten Geltungszeitraum in wesentlich gleicher Weise überwölbten. An dieser Bedeutung, die weit über eine bloße Kausalität hinausreiche, änderten auch die späteren eigenen Bemühungen der Beklagten im Zusammenhang mit den einzelnen Lieferungen nichts.

III.

19

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet, soweit die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszugs bezüglich im Zeitraum 1. März 2011 bis einschließlich 31. Mai 2011 geschlossener Geschäfte sowie die Zahlungsverurteilung vom Berufungsgericht bestätigt worden sind. Insoweit wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).

20

2. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat im Übrigen Erfolg; sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, als die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung von Provisionsabrechnungen sowie die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszugs bezüglich im Zeitraum 1. Juni 2011 bis einschließlich 31. Dezember 2013 geschlossener Geschäfte bestätigt worden sind, und im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

21

a) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Berufungsgericht im Ansatz davon ausgegangen, dass die im November 2010 - vor der Beendigung des Handelsvertretervertrags - zustande gekommene Mehrjahresvereinbarung als solche keine Provisionspflicht der Beklagten auslöst, sondern dass es für eine sich aus § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB ergebende Provisionspflicht auf den - nach Beendigung des Handelsvertretervertrags zum 31. Mai 2011 erfolgten - Abschluss der einzelnen Lieferverträge aufgrund der von der D. AG getätigten Abrufe ankommt. Die dem zugrunde liegende Vertragsauslegung steht im Einklang mit den Bestimmungen in Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 und Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 des Handelsvertretungsvertrags (Rahmenvertrags) vom 13./17. Mai 2005. Nach Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 erhält der Vertreter die Provision "vom Rechnungsbetrag ... für alle Geschäfte, die mit den benannten Abnehmern abgeschlossen worden sind". In Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 wird für den Provisionssatz als Basis auf den "Umsatz" des Vorjahres abgestellt.

22

b) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Würdigung des Berufungsgerichts, dass mit der Mehrjahresvereinbarung faktisch der Weg für alle während der Laufzeit dieser Vereinbarung geschlossenen Lieferverträge gebahnt war und die Mehrjahresvereinbarung weitreichende Bedeutung für die folgende Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der D. AG hatte.

23

c) Indes beruht die Annahme des Berufungsgerichts, der Abschluss der Mehrjahresvereinbarung - und damit auch der Abschluss der daraus resultierenden einzelnen Lieferverträge - sei überwiegend im Sinne von § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB auf die Tätigkeit der Klägerin zurückzuführen, auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG.

24

aa) Ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Parteivorbringen nicht zur Kenntnis nimmt. Diese Voraussetzungen können auch dann erfüllt sein, wenn die Begründung der angefochtenen Entscheidung nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, nicht aber den Sinn des Parteivortrags erfassenden Wahrnehmung beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2015 - VII ZR 282/14, NJW-RR 2016, 29 Rn. 18; Beschluss vom 8. Juli 2010 - VII ZR 195/08, BauR 2010, 1792 Rn. 8; Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR 77/08, NJW 2009, 2137 Rn. 3).

25

bb) So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat in den Schriftsätzen vom 28. Dezember 2012, Seite 7 f. und vom 25. Juli 2013, Seite 18 f., auf die sie in der Berufungsbegründung vom 22. August 2014, Seite 23, Bezug genommen hat, unter Beweisantritt behauptet, der Abschluss der Mehrjahresvereinbarung sei durch im Einzelnen dargelegte Aktivitäten der Mitarbeiter der Beklagten initiiert und bewerkstelligt worden; die Klägerin habe zum Abschluss der Mehrjahresvereinbarung nichts beigetragen.

26

Das Berufungsgericht hat insoweit nur ausgeführt, das Landgericht habe aus der - aufgrund einer zu einem anderen Beweisthema durchgeführten - Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass die Rahmenvereinbarung als das Werk der Klägerin anzusehen sei.

27

Damit hat das Berufungsgericht dem Kerngehalt des genannten unter Beweis gestellten Vorbringens der Beklagten in verfassungswidriger Weise nicht Rechnung getragen.

28

d) Auf dieser Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs kann das angefochtene Urteil, soweit die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung von Provisionsabrechnungen sowie die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszugs bezüglich im Zeitraum 1. Juni 2011 bis einschließlich 31. Dezember 2013 geschlossener Geschäfte bestätigt worden sind, auch beruhen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht, wenn es das betreffende unter Beweis gestellte Vorbringen (Schriftsätze vom 28. Dezember 2012, Seite 7 f. und vom 25. Juli 2013, Seite 18 f.) berücksichtigt hätte, zu einem für die Beklagte günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

29

Sollten die Voraussetzungen für Ansprüche auf Provision nach § 87 Abs. 3 HGB (Provision für nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zum 31. Mai 2011 aufgrund von Abrufen der D. AG geschlossene Lieferverträge) zweifelsfrei zu verneinen sein, könnte die Klägerin weder Provisionsabrechnungen noch Erteilung eines Buchauszugs bezüglich derartiger nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses geschlossener Lieferverträge verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1989 - I ZR 203/87, NJW-RR 1989, 738, 739, Rn. 14). Denn bei den betreffenden Informationsansprüchen handelt es sich um Hilfsansprüche (vgl. Riemer in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, 5. Aufl., Band 1, Kap. VI Rn. 2; Emde, Vertriebsrecht, 3. Aufl., § 87c Rn. 8), die nicht gegeben sind, wenn feststeht, dass dem Handelsvertreter die fraglichen Provisionsansprüche nicht zustehen.

Eick

Kartzke

Jurgeleit

Graßnack

Wimmer

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