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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 11.02.2010, Az.: VII ZB 102/08
Bestimmtheitsanforderungen an notarielle Urkunden mit Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt in Höhe der Bruttobezüge eines ledigen Regierungsrates einer näher bezeichneten Besoldungsgruppe sowie Dienstaltersstufe
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 11.02.2010
Referenz: JurionRS 2010, 11799
Aktenzeichen: VII ZB 102/08
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Saarlouis - 02.09.2008 - AZ: 15 M 1471/08

LG Saarbrücken - 03.11.2008 - AZ: 5 T 492/08

Fundstellen:

DNotZ 2011, 33-34

FamRB 2010, 269-270

FamRZ 2010, 732

JurBüro 2010, 324-325

JZ 2010, 254

MDR 2010, 656-658

NJW-RR 2010, 1365-1366

NotBZ 2010, 376-377

ZEV 2010, 377-378

ZFE 2010, 230

ZNotP 2010, 197-199

BGH, 11.02.2010 - VII ZB 102/08

Amtlicher Leitsatz:

Eine 1972 von einem Notar aufgenommene Urkunde, in der sich der Schuldner verpflichtet, an den Gläubiger Unterhalt in Höhe der Bruttobezüge eines ledigen Regierungsrates der Besoldungsgruppe A, letzte Dienstaltersstufe (14) der Saarländischen Besoldungsordnung gemäß Gesetz Nr. 935 zuzüglich Ortszuschlag I. b, Stufe 1 zu zahlen, genügt jedenfalls dann nicht mehr den Bestimmtheitsanforderungen für vollstreckbare Urkunden im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung, wenn die zum Zeitpunkt der Klauselerteilung geltende Besoldungsordnung keinen Ortszuschlag mehr enthält.

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 11. Februar 2010
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und
die Richter Dr. Kuffer, Bauner, Halfmeier und Leupertz
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Schuldnerin werden der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 3. November 2008 und der Beschluss des Amtsgerichts Saarlouis vom 2. September 2008 aufgehoben.

Die Zwangsvollstreckung aus der zugunsten der Gläubigerin erteilten Vollstreckungsklausel vom 28. Mai 2008 für die am 3. März 1972 zu UR-Nr. des Notars E. P. , S. , errichtete Urkunde wird für unzulässig erklärt.

Die Gläubigerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

1

Die Schuldnerin wendet sich gegen die Erteilung einer Vollstreckungsklausel für eine notarielle Urkunde.

2

Gemäß notarieller Urkunde vom 3. März 1972 schenkten und übertrugen der mittlerweile verstorbene Vater der Schuldnerin und die Gläubigerin (Mutter der Schuldnerin) dem Bruder der Schuldnerin und der Schuldnerin selbst jeweils als Miteigentümer zu ½ das Grundeigentum an verschiedenen Flurstücken. Des Weiteren vereinbarten die Beteiligten unter IV. C. der Urkunde Folgendes:

"Die Erwerber verpflichten sich, ihrer Mutter (...) an jedem Monatsersten, beginnend am Monatsersten nach dem Tode des Vaters (...) und endend mit der Wiederverheiratung bzw. dem Tode der Berechtigten, einen Betrag zu zahlen, welcher den Bruttobezügen eines ledigen Regierungsrates der Besoldungsgruppe A, letzte Dienstalterstufe (14) der Saarländischen Besoldungsordnung gemäß Gesetz Nr. 935 (z.Zt. 2.189,87 DMark) zuzüglich Ortszuschlag I. b, Stufe 1 (z.Zt. 306,- DMark) entspricht, insgesamt also z.Zt. 2.495,87 DMark.

Die Erwerber, als Gesamtschuldner haftend, unterwerfen sich wegen der Zahlung der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Sie gestatten, dass der Berechtigten auf Anforderung vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilt wird."

3

Der Gläubigerin wurde am 28. Mai 2008 eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt. Sie betreibt wegen eines Unterhaltsrückstands für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2008 in Höhe von 57.246 EUR die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück, dessen Bucheigentümerin die Schuldnerin ist.

4

Die gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel gerichtete Erinnerung der Schuldnerin hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Ziel, die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklären zu lassen, weiter.

II.

5

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist aufzuheben. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist der Beschluss des Amtsgerichts ebenfalls aufzuheben und die Zwangsvollstreckung aus der zugunsten der Gläubigerin am 28. Mai 2008 erteilten Vollstreckungsklausel für die notarielle Urkunde vom 3. März 1972 für unzulässig zu erklären.

6

1.

Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, das Amtsgericht sei im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die von dem zuständigen Notar erteilte vollstreckbare Ausfertigung nicht zu beanstanden sei. Die Vollstreckungsfähigkeit der vereinbarten Zahlungspflicht sei nicht wegen fehlender Bestimmtheit der Höhe des geschuldeten Betrages zu verneinen. Dieser könne ohne Weiteres und ohne Schwierigkeiten mit Hilfe öffentlich zugänglicher Quellen ermittelt werden. Er ergebe sich aus der Bundesbesoldungstabelle der Bundesbesoldungsordnung A, Anlage IV zum Bundesbesoldungsgesetz, auf die in dem Saarländischen Besoldungsgesetz Nr. 626 vom 9. Mai 1958 Bezug genommen werde.

7

2.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

8

Die Regelung in IV. C. der notariellen Urkunde vom 3. März 1972 wird jedenfalls im Zeitpunkt der Erteilung der Vollstreckungsklausel den Anforderungen an die Bestimmtheit von Vollstreckungstiteln nicht mehr gerecht.

9

a)

Nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden und hier gemäß § 22 Abs. 4 EGZPO anwendbaren Fassung (im Folgenden: a.F.) findet die Zwangsvollstreckung aus einer von einem Notar aufgenommenen Urkunde über einen Zahlungsanspruch statt, wenn diese die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand hat. Bestimmtheit in diesem Sinne liegt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der geschuldete Geldbetrag bestimmt angegeben ist oder sich jedenfalls aus für die Vollstreckungsorgane allgemein zugänglichen Quellen bestimmen lässt. Es genügt, wenn die Berechnung mit Hilfe offenkundiger, insbesondere aus dem Bundesgesetzblatt oder dem Grundbuch ersichtlicher Umstände möglich ist. Dies gilt auch für eine Vollstreckungsklausel, bei der sich der geschuldete Betrag aus der Anwendung einer Wertsicherungsklausel ergibt, die auf den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltungskosten abstellt (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2004 - IXa ZB 73/04, NJW-RR 2005, 366 m.w.N.).

10

b)

Ob ein Anspruch in Höhe der jeweils maßgeblichen Besoldung eines Bundes- oder Landesbeamten einer speziellen Besoldungsgruppe und Dienstaltersstufe bestimmt im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO a.F. ist, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden und in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur umstritten.

11

aa)

In der Literatur wird überwiegend die Meinung vertreten, dass die Bezugnahme auf die Grundvergütung eines Bundesbeamten einer bestimmten Besoldungsgruppe und Dienstaltersstufe ohne Berücksichtigung von Zuschlägen und Zulagen sowie sonstigen variablen Größen der Bezugsperson zulässig sei, da die Berechnung mittels offenkundiger, insbesondere aus dem Bundesgesetzblatt ersichtlicher Umstände möglich sei (Musielak/Lackmann, ZPO, 7. Aufl., § 704 Rdn. 8; Pohlmann, NJW 1973, 199, 200; Rosenberg/ Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl., S. 108 f.; Stein/Jonas/ Münzberg, ZPO, 22. Aufl., vor § 704 Rdn. 153; Wieczorek/Schütze/Heß, ZPO, 3. Aufl., § 704 Rdn. 11; Winkler, Beurkundungsgesetz, 16. Aufl., § 52 Rdn. 22, der auch die Bezugnahme auf das Grundgehalt eines Landesbeamten ausreichen lässt). Seien neben dem Grundgehalt allerdings weitere Bestimmungsfaktoren wie Zuschläge genannt oder bedürfe es einer unter Umständen durch Jahre hindurch vorzunehmenden wiederholten Berechnung der prozentualen Veränderungen, sei die Bestimmtheit zu verneinen. Auch hinsichtlich des Grundgehalts eines Landesbeamten wird die Bestimmtheit teilweise verneint, da dieses im Gegensatz zu demjenigen eines Bundesbeamten nicht aus allgemein zugänglichen Quellen berechenbar sei (Stein/Jonas/Münzberg, aaO, Rdn. 153 Fn. 681; wohl auch Pohlmann, aaO, S. 200).

12

bb)

Teilweise wird in Rechtsprechung und Literatur eine Bezugnahme auf die Höhe des Gehalts eines Beamten einer bestimmten Besoldungsgruppe und Dienstaltersstufe für gänzlich unzulässig erachtet (OLG Köln, FamRZ 1986, 1018 f.; OLG Nürnberg, NJW 1957, 1286 f.; Schuschke/Walker/ Schuschke, ZPO, 4. Aufl., vor §§ 704-707 Rdn. 14; ähnlich Reul, MittBayNot 2005, 265, 271; Sauer, Bestimmtheit und Bestimmbarkeit im Hinblick auf die vollstreckbare notarielle Urkunde, 1986, S. 66 ff.). Dies wird mit der Unvereinbarkeit mit dem im Vollstreckungsrecht geltenden Grundsatz der Formalisierung begründet (vgl. auch Mes, NJW 1973, 875, 879, und Müller-Frank, MittRhNotK 1975, 355, 395 f., die unabhängig von der allgemeinen Zugänglichkeit der Berechnungsfaktoren eine eindeutige Erkennbarkeit für alle an der Vollstreckung Beteiligten fordern, an der es angesichts der Kompliziertheit des Besoldungsrechts fehle).

13

cc)

Ob ein Anspruch in Höhe der jeweils maßgeblichen Bezüge eines Bundes- oder Landesbeamten einer speziellen Besoldungsgruppe und Dienstaltersstufe den Anforderungen des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO a.F. genügt, bedarf in dieser Allgemeinheit keiner Entscheidung. Auch kann dahingestellt bleiben, ob die Regelung unter IV. C. der notariellen Urkunde vom 3. März 1972 zum damaligen Zeitpunkt bestimmt genug gewesen ist. Der hier maßgebliche Betrag in Höhe der Bruttobezüge "eines ledigen Regierungsrates der Besoldungsgruppe A, letzte Dienstaltersstufe (14) der Saarländischen Besoldungsordnung gemäß Gesetz Nr. 935 zuzüglich Ortszuschlag I. b, Stufe 1", erfüllt jedenfalls zum Zeitpunkt der Klauselerteilung die Voraussetzungen an das Vorliegen einer bestimmten Geldsumme im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO a.F. entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht.

14

Die Urkunde enthält zwar eine Bezugsgröße, dadurch ist jedoch nicht der jeweils zu vollstreckende Betrag festgelegt worden. Die Vollstreckung kann erst nach dem Tod des Vaters stattfinden. Der Betrag, der ab diesem Zeitpunkt maßgeblich ist, ist nicht bestimmt. Das Saarländische Besoldungsgesetz und die zugehörige Besoldungsordnung haben sich seit der Unterwerfungserklärung grundlegend geändert. Deshalb können die Vollstreckungsorgane den geschuldeten Betrag nicht mehr ohne weiteres ermitteln.

15

Das Saarländische Besoldungsgesetz in seiner ersten Fassung (Gesetz Nr. 626 vom 9. Mai 1958, Amtsblatt des Saarlandes 1958, S. 459) wurde nach seinem Erlass mehrfach geändert, unter anderem durch das in der notariellen Urkunde erwähnte Gesetz Nr. 935 vom 12. Juli 1971, zuletzt durch das Gesetz Nr. 1691 vom 1. Juli 2009. Die in der notariellen Urkunde in Bezug genommene, dem Gesetz Nr. 935 zugrunde liegende Saarländische Besoldungsordnung ist durch zahlreiche Gesetzesänderungen längst überholt. Nach heutigem Stand, das heißt nach zwischenzeitlich 46 Gesetzesänderungen (Stand Oktober 2009) hat sich das Bruttogehalt eines Regierungsrates A 13 nach der dem Saarländischen Besoldungsgesetz zugrunde liegenden Besoldungsordnung unter anderem dahingehend geändert, dass der Ortszuschlag abgeschafft wurde (vgl. Saarländisches Besoldungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Januar 1989, zuletzt geändert zum 1. Juli 2009 und der zugehörigen Besoldungsordnung A).

16

Ob das aus der aktuell geltenden Besoldungsordnung ermittelbare Bruttogehalt eines Regierungsrates nach dem Willen der an der Errichtung der notariellen Urkunde Beteiligten der zu zahlende Unterhaltsbetrag sein soll, ist unklar, weil der Ortszuschlag weggefallen ist. Bei einer derartigen strukturellen Veränderung kann eine Klärung nicht durch die Vollstreckungsorgane erfolgen. Zwar ist es grundsätzlich auch Aufgabe des jeweiligen Vollstreckungsorgans, die nötige Bestimmung selbst vorzunehmen, soweit dies aus dem Titel einschließlich etwaiger Entscheidungsgründe selbst oder aufgrund allgemein zugänglicher, leicht und sicher feststellbarer anderer Urkunden, auf die der Titel verweist, möglich ist (BGH, Beschluss vom 4. März 1993 - IX ZB 55/92, BGHZ 122, 16, 18). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen bekannt gewesen wäre, dass der Ortszuschlag wegfallen würde, ist der Urkunde nicht ohne weiteres zu entnehmen. Erforderlich ist hierfür ihre Auslegung unter Heranziehung außerhalb der Urkunde und der in Bezug genommenen Besoldungsordnung liegender Umstände, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Hierfür bedürfte es unter anderem der Prüfung, ob etwa der Ortszuschlag nunmehr Teil des Bruttogehalts ist und welchen Einfluss dies auf die Ermittlung des geschuldeten Betrages hat. Diese Prüfung obliegt im Hinblick auf das formalisierte Vollstreckungsverfahren nicht den Vollstreckungsorganen.

III.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Kniffka
Kuffer
Bauner
Halfmeier
Leupertz

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