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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 09.12.2014, Az.: 5 StR 538/14
Revisionrechtliche Beurteilung der Gesamtstrafenfähigkeit von Einzelstrafen; Vorliegen eines durchgreifenden Erörterungsmangels
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 09.12.2014
Referenz: JurionRS 2014, 28555
Aktenzeichen: 5 StR 538/14
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Flensburg - 25.07.2014

Verfahrensgegenstand:

Vergewaltigung u.a.

BGH, 09.12.2014 - 5 StR 538/14

Redaktioneller Leitsatz:

Ein Urteil leidet an einem durchgreifenden Erörterungsmangel, wenn die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, ob Einzelstrafen aus einem anderen Urteil gesamtstrafenfähig sind und dies nicht fernliegt.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Dezember 2014 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 25. Juli 2014 in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und den Vorwegvollzug nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben; die weitergehende Revision des Angeklagten wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

  2. 2.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung, versuchter Anstiftung zu einer besonders schweren räuberischen Erpressung, Diebstahls, versuchten Diebstahls mit Waffen, Hehlerei, Betruges in fünf Fällen, Körperverletzung, Nötigung, sexueller Nötigung, sexueller Nötigung in Tateinheit mit Anstiftung zur Körperverletzung sowie Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt, wovon sechs Monate als vollstreckt gelten. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet; ferner hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete und auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Das Urteil leidet an einem durchgreifenden Erörterungsmangel. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob - was nicht fernliegt - die Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Schleswig vom 29. Dezember 2010 (Az. 105 Js 15270/10 50 Ls 18/10) gesamtstrafenfähig gewesen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2013 - 5 StR 594/12). Ihnen lässt sich nur entnehmen, dass das genannte Urteil am 10. November 2011 und damit nach dem hier gegenständlichen Tatzeitraum vom 18. Juli 2011 bis 2. August 2011 in Rechtskraft erwachsen ist, und teilt zudem an verschiedenen Stellen mit, dass der Angeklagte während des laufenden Berufungsverfahrens Straftaten begangen habe (vgl. UA S. 47, 52, 54, 55, 59, 62, 63). Ob und gegebenenfalls wann ein Berufungsurteil ergangen ist, in dem zumindest über die Strafhöhe entschieden worden ist, kann aus den Urteilsgründen nicht ersehen werden. Daher kann der Senat nicht prüfen, ob das Landgericht etwa gehalten war, aus den im Urteil des Amtsgerichts Schleswig verhängten und den hier zugrunde liegenden Einzelstrafen nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden, oder, sofern die dort verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten bereits vollständig vollstreckt war (vgl. etwa UA S. 4), bei der Strafzumessung einen Härteausgleich vorzunehmen hatte.

3

2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe; der Senat kann angesichts der im Übrigen maßvollen Einzelstrafen ausschließen, dass das Landgericht bei Vornahme eines Härteausgleichs jeweils niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte. Dass das Landgericht beim Ausschluss minder schwerer Fälle nach § 250 Abs. 3, § 244 Abs. 3 StGB sowie im Rahmen der Prüfung der Anwendbarkeit der Regelstrafrahmen der § 177 Abs. 1, § 240 Abs. 1, § 263 Abs. 1 StGB trotz Vorliegens von Qualifikationen nach § 177 Abs. 2, § 240 Abs. 4, § 263 Abs. 3 StGB unzutreffend von einer abgeschwächten Wirkung der "nur" nicht sicher ausschließbar verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB ausgegangen ist (vgl. UA S. 49, 52, 57, 60, 64), beschwert den Angeklagten nicht, weil es jeweils eine - überwiegend günstigere - Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen hat. Im Übrigen hätte nach den jeweiligen Tatbildern die Annahme minder schwerer Fälle oder ein Ausgehen von den Regelstrafrahmen trotz Qualifikation fern gelegen.

4

Die Aufhebung der Gesamtstrafe zieht die Aufhebung des angeordneten Vorwegvollzugs nach sich (§ 67 Abs. 2 Satz 2, 3 StGB). Für die Berechnung eines gegebenenfalls erneut anzuordnenden Vorwegvollzugs wird auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 6. März 2012 - 1 StR 40/12 verwiesen.

5

Im Übrigen bemerkt der Senat, dass für mehrere oder gar alle Taten geltende Strafzumessungserwägungen nur einmal zusammengefasst dargestellt und nicht bei jeder Tat einzeln wiederholt werden sollten.

Sander

Schneider

Dölp

König

Bellay

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