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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 09.07.2015, Az.: V ZB 156/14
Verwerfung der Berufung wegen Versäumung der Begründungsfrist durch Beschluss als unzulässig; Treffen von Vorkehrungen im Kranheitsfall durch den Prozessbevollmächtigten zur Wahrung von Fristen
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 09.07.2015
Referenz: JurionRS 2015, 21980
Aktenzeichen: V ZB 156/14
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Sonneberg - 16.01.2014 - AZ: 3 C 62/13

LG Meiningen - 15.05.2014 - AZ: 3 S 11/14 (4)

Rechtsgrundlage:

§ 574 Abs. 2 ZPO

BGH, 09.07.2015 - V ZB 156/14

Redaktioneller Leitsatz:

Ein Rechtsanwalt muss allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Kann er – wie hier - einen konkreten Ausfall vorhersehen, muss sich der Rechtsanwalt auch durch konkrete Maßnahmen im Einzelfall darauf vorbereiten. Dazu gehört insbesondere festzulegen, ob noch nicht erledigte Diktate von einem Rechtsanwaltskollegen oder einer Rechtsanwaltskollegin oder von ihm selbst unterschrieben werden sollen und wie die Unterschrift eingeholt werden soll.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juli 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den Richter Dr. Roth, die Richterin Dr. Brückner und den Richter Dr. Göbel
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 15. Mai 2014 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 4.000 €.

Gründe

I.

1

Durch ihnen am 21. Januar 2014 zugestelltes Urteil sind die Beklagten verurteilt worden, den Abgang von Schneelawinen vom Dach ihres Hauses auf den davor verlaufenden Weg der Kläger zu verhindern. Die gegen dieses Urteil form- und fristgerecht eingelegte Berufung haben die Beklagten mit am 27. März 2014 bei Gericht eingegangenem Fax begründet. Nach einem richterlichen Hinweis auf die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung vom 2. April 2014 haben die Beklagten mit am 9. April 2014 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Dazu hat ihr Prozessbevollmächtigter anwaltlich versichert, er habe die Begründung am 15. März 2014 zum Diktat gegeben und sei ab Montag, dem 17. März 2014, wegen einer schweren operationsbedürftigen Hüftarthrose arbeitsunfähig und außerstande gewesen, die Kontrolle der Kanzlei auszuüben. Seine Mitarbeiterin habe auf Grund der Vielzahl der Akten übersehen, dass die Begründung bis zum 21. März 2014 habe eingereicht werden müssen.

2

Das Landgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung wegen Versäumung der Begründungsfrist durch Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der Rechtsbeschwerde, mit welcher sie die Durchführung des Berufungsverfahrens erreichen wollen. Die Kläger beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.

3

Das Berufungsgericht meint, den Beklagten sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu versagen, weil sie diese schuldhaft nicht eingehalten hätten. Die Versäumung der Frist könnten die Beklagten nicht mit einer unvorhergesehenen Erkrankung ihres Prozessbevollmächtigten entschuldigen. Die Erkrankung habe den Prozessbevollmächtigten nicht unverhofft getroffen; sie habe sich nach seinen Angaben länger angekündigt. Angesichts der Vielzahl von Akten und der Eilbedürftigkeit habe er die Akte nach Fertigstellung des Diktats als besonders eilig kennzeichnen und in Rechnung stellen müssen, dass seine Mitarbeiterin während seiner Abwesenheit auf sich allein gestellt gewesen sei und auch das Tagesgeschäft in der Kanzlei habe erledigen müssen. Er habe unter diesen Umständen einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist stellen oder einen Rechtsanwaltskollegen hierum bitten müssen.

III.

4

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

5

1. Sie ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Zulässig ist sie aber gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Das ist nicht der Fall. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht keine überzogenen Anforderungen an die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags gestellt, die den Beklagten den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert hätten (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 12. April 2010 - V ZB 224/09, NJW-RR 2010, 1096 Rn. 4 mwN).

6

2. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Beklagten die form- und fristgerecht beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt hat, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die weder fortzubilden noch zu ergänzen ist.

7

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Ist er als Einzelanwalt ohne eigenes Personal tätig, muss er ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall, z.B. durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen, treffen. Durch konkrete Maßnahmen im Einzelfall muss sich der Rechtsanwalt allerdings nur dann vorbereiten, wenn er einen solchen konkreten Ausfall vorhersehen kann (Senat, Beschlüsse vom 23. November 1995 - V ZB 20/95, NJW 1996, 997, 998 und vom 26. September 2013 - V ZB 94/13, NJW 2014, 228 Rn. 7).

8

b) Diesen Anforderungen hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, nicht entsprochen.

9

aa) Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten stand vor einer Sondersituation, die sich sachgerecht nur durch besondere Vorkehrungen bewältigen ließ. Das ergibt sich aus seiner anwaltlichen Versicherung. Danach litt er schon seit längerem an einer schweren Hüftarthrose, die ihm das Gehen sehr erschwerte und starke Schmerzen verursachte. Er ist in dem Zeitraum vom 4. bis 14. März 2014 mehrfach, auch stationär, mit dem Ergebnis untersucht worden, dass er ab dem 17. März 2014 wegen seiner Schmerzen krankgeschrieben und für den 7. April 2014 eine Operation seiner linken Hüfte vorgesehen war. Es stand damit jedenfalls bei der Rückkehr aus dem Krankenhaus am 14. März 2014 fest, dass er als Einzelanwalt für mehrere Wochen ausfallen und seine Sekretärin mit einer Vielzahl von laufenden Fristsachen und dem Tagesgeschäft im Wesentlichen allein auf sich gestellt sein würde. Es war offensichtlich, dass diese besondere Situation sachgerecht nur zu bewältigen war, wenn er seiner Sekretärin die erforderlichen situationsgerechten Sonderanweisungen erteilte und dabei insbesondere festlegte, ob noch nicht erledigte Diktate von einem Rechtsanwaltskollegen oder einer Rechtsanwaltskollegin oder von ihm selbst unterschrieben werden sollten und wie die Unterschrift eingeholt werden sollte.

10

bb) Solche Vorkehrungen hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht ergriffen. Nach seiner anwaltlichen Versicherung vom 9./10. April 2014 hat er zwar im Hinblick auf seine Krankschreibung ab Montag, dem 17. März 2014, vom Freitag, dem 14. März 2014 bis zum Sonntag, dem 16. März 2014, die anstehenden Fristen soweit wie möglich abgearbeitet und dabei auch die Berufungsbegründung in dieser Sache diktiert. Er hat aber nicht festgelegt, von wem der Schriftsatz nach Erledigung des Diktats unterschrieben und wie dazu verfahren werden sollte. Seiner Versicherung ist weder zu entnehmen, dass er die notwendigen Vorkehrungen für seinen bevorstehenden Ausfall getroffen hätte, noch, dass und gegebenenfalls aus welchen Gründen er dazu nicht imstande gewesen wäre. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat seine Sekretärin sehenden Auges mit der weiteren Bewältigung der bearbeiteten Akten und dem anstehenden Tagesgeschäft allein zurückgelassen und damit - wie er in seiner anwaltlichen Versicherung selbst erkennt - letztlich überfordert.

11

c) Das Versäumnis des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat sich hier auch ausgewirkt.

12

d) Den Beklagten war weder ein Hinweis auf die Notwendigkeit ergänzenden Vortrags zu erteilen noch Gelegenheit zu entsprechendem Vortrag zu geben. Denn die von ihrem Prozessbevollmächtigten fristgerecht eingereichte anwaltliche Versicherung war in sich geschlossen und vollständig (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 27. Februar 1997 - I ZB 50/96, NJW 1997, 1708, 1709; Senat, Beschluss vom 26. September 2013 - V ZB 94/13, NJW 2014, 228 Rn. 12).

IV.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann

Schmidt-Räntsch

Roth

Brückner

Göbel

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