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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 09.04.2013, Az.: XI ZR 325/10
Anspruch des Zedenten auf Rückabwicklung einer Beteiligung an einer  GmbH & Co. KG wegen mangelnder ordnungsgemäßer Aufklärung des Zedenten über Rückvergütungen
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 09.04.2013
Referenz: JurionRS 2013, 35597
Aktenzeichen: XI ZR 325/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Frankfurt am Main - 08.01.2010 - AZ: 2-20 O 411/08

OLG Frankfurt am Main - 31.08.2010 - AZ: 17 U 48/10

BGH, 09.04.2013 - XI ZR 325/10

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Wiechers und die Richter Dr. Ellenberger, Maihold, Dr. Matthias und Pamp

am 9. April 2013

beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. August 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis 110.000 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes (im Folgenden: Zedent) auf Rückabwicklung einer Beteiligung an der V. 3 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V 3) sowie der V. 4 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V 4) in Anspruch.

2

Der Zedent zeichnete nach vorheriger Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten am 8. Juli 2003 eine Beteiligung an V 3 im Nennwert von 25.000 € zuzüglich Agio in Höhe von 1.250 € sowie am 18. Juni 2004 eine Beteiligung an V 4 im Nennwert von 75.000 €. Hierauf zahlte er einen Eigenkapitalanteil nebst Agio in Höhe von 44.625 €; der Rest in Höhe von 45,5% der Beteiligungssumme wurde durch ein endfälliges Darlehen der H. finanziert.

3

Nach dem Inhalt der Verkaufsprospekte sollten 8,9% der jeweiligen Zeichnungssumme sowie das jeweilige Agio in Höhe von 5% zur Eigenkapitalvermittlung (V 3) bzw. Eigenkapitalvermittlung, Platzierungsgarantie und Finanzierungsvermittlung (V 4) durch die V. AG (im Folgenden: V. AG) verwendet werden. Die V. AG durfte ausweislich der Prospekte ihre Rechte und Pflichten aus der Vertriebsvereinbarung auf Dritte übertragen. Die Beklagte erhielt für den Vertrieb der Anteile Provisionen in Höhe von mindestens 8,25% der jeweiligen Zeichnungssumme, ohne dass dies dem Zedenten im Beratungsgespräch offengelegt wurde.

4

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage unter Berufung auf mehrere Aufklärungs- und Beratungsfehler die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals nebst Zinsen seit Zeichnung der jeweiligen Anlage Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligungen und insofern Feststellung des Annahmeverzugs. Weiter begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die für V 4 zu erbringenden Darlehensaufwendungen des Zedenten und alle weiteren Schäden des Zedenten zu ersetzen. Ferner verlangt sie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Die Berufungen beider Parteien hiergegen sind erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen und seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass zwischen dem Zedenten und der Beklagten konkludent Beratungsverträge zustande gekommen seien, aufgrund derer die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Zedenten darauf hinzuweisen, dass sie von der V. AG aufklärungspflichtige Rückvergütungen erhalten habe. Diese Verpflichtung habe die Beklagte schuldhaft verletzt. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens habe die Beklagte nicht widerlegt.

II.

5

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da das angegriffene Urteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 139 f. und vom 18. Januar 2005 - XI ZR 340/03, BGH-Report 2005, 939 f.). Aus demselben Grunde ist das angefochtene Urteil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

6

1. Rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass zwischen dem Zedenten und der Beklagten stillschweigend ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet war, den Zedenten über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen aufzuklären, und dass eine ordnungsgemäße Aufklärung des Zedenten über diese Rückvergütungen weder mündlich noch durch die Übergabe von Informationsmaterial erfolgt ist (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 15 ff. mwN). Auch hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Nichtzulassungsbeschwerde unangegriffen insoweit ein Verschulden der Beklagten bejaht (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 24 f. mwN).

7

2. Gleichfalls rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht im Grundsatz davon ausgegangen, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung trägt, der Zedent hätte die Beteiligungen auch bei gehöriger Aufklärung über die Rückvergütungen erworben.

8

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 27 ff. mwN; BVerfG, ZIP 2012, 164 Rn. 20).

9

3. Entgegen der Rechtsansicht der Nichtzulassungsbeschwerde bedurfte es auch keiner Erörterung durch das Berufungsgericht, ob von dieser Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin nur dann auszugehen ist, wenn der Zedent bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt, er sich also nicht in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. Wie der erkennende Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden und eingehend begründet hat, ist das Abstellen auf das Fehlen eines solchen Entscheidungskonfliktes mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr dafür, wie sich der Anleger bei gehöriger Aufklärung verhalten hätte, nicht zu vereinbaren, weshalb die Beweislastumkehr bereits bei einer - wie hier - feststehenden Aufklärungspflichtverletzung eingreift (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 30 ff. mwN).

10

4. Das angegriffene Urteil verletzt jedoch den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG.

11

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 60, 247, 249; 65, 293, 295 f.; 70, 288, 293; 83, 24, 35; BVerfG, NJW-RR 2001, 1006, 1007). Die Vorschrift gebietet außerdem die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge, gewährt allerdings keinen Schutz dagegen, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt (BVerfG, WM 2012, 492, 493 [BVerfG 24.01.2012 - 1 BvR 1819/10] mwN). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus, das heißt, im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen der Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (BVerfGE 86, 133, 146 [BVerfG 19.05.1992 - 1 BvR 986/91]; 96, 205, 216 f.; BVerfG, NJW 2000, 131 [BVerfG 23.06.1999 - 2 BvR 762/98]; Senatsbeschluss vom 20. Januar 2009 - XI ZR 510/07, WM 2009, 405 Rn. 8).

12

b) Nach diesen Maßgaben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt.

13

aa) Die Beklagte hat mit ihrem Schriftsatz vom 24. März 2010 unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Zedent vor Zeichnung von Anteilen an V 3 und V 4 bereits eine Beteiligung an dem Filmfonds M. GmbH & Co. KG gezeichnet hatte. In dem dortigen, dem Zedenten vor Zeichnung ausgehändigten Prospekt sei auf Seite 28 angegeben, dass die Beklagte für die Eigenkapitalvermittlung eine Vergütung von 8,5% des Kommanditkapitals erhalte. Diese Mitteilung der Vertriebsprovision habe den Zedenten nicht von einer Zeichnung abgehalten.

14

bb) Dieser Vortrag der Beklagten zum früheren Anlageverhalten ist erheblich (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 50 f.). Das Berufungsgericht hat sich damit nicht befasst, was sich nach den Umständen des Falles, insbesondere der Begründung des eine Tatbestandsergänzung zurückweisenden Beschlusses vom 6. Oktober 2010, nur damit erklären lässt, dass es dieses Vorbringen der Beklagten bei seiner Entscheidung überhaupt nicht erwogen hat.

15

5. Die unterlassene Würdigung des unstreitigen Vortrages der Beklagten verletzt den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise, denn das Berufungsurteil beruht auf dieser Verletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (BVerfGE 7, 95, 99 [BVerfG 24.07.1957 - 1 BvR 535/53]; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 89, 381, 392 f.). Die Gehörsverletzung führt nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Zulassung der Revision, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 296 f.), und rechtfertigt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache.

16

6. Das Berufungsgericht wird das übergangene Vorbringen zu würdigen haben (vgl. dazu Senatsurteil vom 8. Mai 2012 XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 51). Gegebenenfalls wird es auch den Mitarbeiter der Beklagten K. und den Zedenten als Zeugen zu der Behauptung der Beklagten zu vernehmen haben, bei seinem Anlageentschluss sei für den Zedenten allein die Steuerersparnis und allenfalls noch Renditechancen sowie das Sicherungskonzept der Schuldübernahme relevant, andere Aspekte jedoch bedeutungslos gewesen. Diese für die Anlageentscheidung maßgeblichen Umstände habe der Zedent dem Mitarbeiter der Beklagten im Vertriebsgespräch mitgeteilt (vgl. dazu Senatsurteil vom 8. Mai 2012 XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 42 ff.). Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung die Kausalitätsvermutung in Bezug auf verheimlichte Rückvergütungen als widerlegt ansehen, wird es sich auch mit den von der Klägerin behaupteten weiteren Verletzungen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen durch unter anderem unrichtige Angaben des Anlageberaters der Beklagten über durch Kapitalgarantien verschiedener Banken sichergestellte 100%ige Geldrückflüsse auseinanderzusetzen haben (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2011 XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 13 ff.; Henning, WM 2012, 153 ff.).

Wiechers

Ellenberger

Maihold

Matthias

Pamp

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