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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 08.08.2016, Az.: AnwZ (Brfg) 15/16
Widerruf einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 08.08.2016
Referenz: JurionRS 2016, 25666
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 15/16
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:080816BANWZ.BRFG.15.16.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AGH Mecklenburg-Vorpommern - 11.12.2015 - AZ: 2 AGH 1/15

Verfahrensgegenstand:

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls
hier: Erledigung der Hauptsache

BGH, 08.08.2016 - AnwZ (Brfg) 15/16

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Richter Seiters als Berichterstatter am 8. August 2016
beschlossen:

Tenor:

Das Zulassungsverfahren wird eingestellt.

Das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs MecklenburgVorpommern vom 11. Dezember 2015 ist gegenstandslos.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Nachdem die Parteien im Hinblick auf den bestandskräftigen Widerruf der Zulassung des Klägers nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist für die noch zu treffenden Entscheidungen nach § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 87a Abs. 1 Nr. 3-5, Abs. 3 VwGO der Berichterstatter zuständig.

2

1. Gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog ist das Zulassungsverfahren einzustellen und nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO analog zur Klarstellung auszusprechen, dass das angefochtene Urteil wirkungslos geworden ist.

3

2. Über die Kosten war gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden; hierbei war der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Danach hat der Kläger die Kosten zu tragen. Denn die Beklagte hat zu Recht die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls widerrufen.

4

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn sich der Rechtsanwalt in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnisse befindet, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4 und vom 4. Juni 2014 - AnwZ (Brfg) 9/14, Rn. 4). Der Vermögensverfall wird gesetzlich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO; § 882b ZPO, vormals § 915 ZPO) eingetragen ist. Hierbei ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufs infolge des ab 1. September 2009 geltenden Verfahrensrechts auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens - hier Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2014 - abzustellen; danach eingetretene Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 9 ff. und vom 4. Juni 2014, aaO Rn. 4).

5

Der Kläger ist der Meinung, ein Vermögensverfall habe nicht vorgelegen. Er rügt insoweit, der Anwaltsgerichtshof habe übersehen, dass nach der Senatsrechtsprechung (Beschluss vom 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577) die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nicht zur Geltung komme, wenn die der Eintragung im Schuldnerverzeichnis zugrundeliegenden Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt bereits getilgt gewesen seien. Dies sei hier bezüglich der im Schuldnerverzeichnis eingetragenen drei Haftbefehle des Amtsgerichts R. der Fall gewesen. Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs rechtfertige auch die Vollstreckung durch das Finanzamt B. nicht die Annahme eines Vermögensverfalls, da bereits am 1. Dezember 2014 mit dem Finanzamt eine Stundungsvereinbarung getroffen worden sei.

6

Ob die den Haftbefehlen des Amtsgerichts R. zugrundeliegenden Forderungen zum maßgeblichen Zeitpunkt getilgt waren, ist nicht entscheidungserheblich. Anzumerken ist allerdings, dass damals gegen den Kläger noch ein weiterer Haftbefehl des Amtsgerichts W. ( M ) in der Zwangsvollstreckungssache des Finanzamts B. gegen den Kläger existierte. Inwieweit dieser zum maßgeblichen Zeitpunkt im Schuldnerverzeichnis eingetragen war, kann aber ebenfalls dahinstehen. Denn der Anwaltsgerichtshof ist im Ergebnis völlig zu Recht vom Vorliegen eines Vermögensverfalls ausgegangen.

7

Die Beklagte hatte vormals bereits unter dem 27. Juni 2012 dem Kläger die Zulassung wegen Vermögensverfalls im Hinblick auf zahlreiche gegen ihn betriebene Zwangsvollstreckungsverfahren entzogen und seinen Widerspruch mit Bescheid vom 31. August 2012 zurückgewiesen. Während des Klageverfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof hat die Beklagte am 30. Oktober 2013 ihre Bescheide widerrufen, da durch die vom Kläger vorgelegten Unterlagen die Erledigung der Forderungen nachgewiesen worden war. Der Anwaltsgerichtshof stellte daraufhin das Verfahren ein und sah im Hinblick auf eine Kostenübernahmeerklärung des Klägers von einer Kostenentscheidung ab. Bereits zu diesem Zeitpunkt bestanden offene Forderungen anderer Gläubiger und war es erneut zur Titulierung von Forderungen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger gekommen. Unter dem 28. Mai 2014 drohte die Beklagte dem Kläger den erneuten Widerruf an. In der Folgezeit zahlte der Kläger in laufenden Zwangsvollstreckungsverfahren an die Gerichtsvollzieherin. Im Widerspruchsverfahren hat der Kläger dann unter anderem vorgetragen, er habe im August 2014 mit dem Finanzamt B. eine Vereinbarung getroffen, nach der er zunächst Teilzahlungen erbringen und die Forderung im Übrigen bis Ende Oktober 2014 begleichen werde. Dazu ist es nicht gekommen; vielmehr hat das Finanzamt die Zwangsvollstreckung fortgesetzt. Auch nach dem Widerspruchsbescheid der Beklagten ist es zu zahlreichen Zwangsvollstreckungsverfahren, zum Erlass weiterer Haftbefehle, zur Einleitung eines Strafverfahrens wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen in 17 Fällen (§ 266a Abs. 3 StGB) und zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens durch das Finanzamt R. gekommen. Zwar liegen diese Ereignisse nach dem maßgeblichen Zeitpunkt. Die ihnen zugrundeliegenden Forderungen und zahlreiche Titel stammen aber aus der Zeit davor und belegen eindrucksvoll die bereits damals desolate Vermögenslage des Klägers.

8

Die Rüge des Klägers, der Anwaltsgerichtshof hätte seiner Behauptung zu einer erneuten mündlichen Vereinbarung mit dem Finanzamt B. nachgehen müssen, da diese vor dem maßgeblichen Zeitpunkt getroffen worden sei, geht fehl. Der Kläger hat im Schriftsatz vom 29. Juni 2015 vorgetragen, das diesbezügliche Gespräch mit dem Sachbearbeiter Br. habe "Anfang Dezember" stattgefunden. Nachdem der Anwaltsgerichtshof im Rahmen seiner Verfügung vom 16. September 2015 unter anderem darauf hingewiesen hat, dass bei dieser Darstellung unklar bleibe, an welchem Tag die behauptete Vereinbarung zustande gekommen sei, hat der Kläger im Schriftsatz vom 30. September 2015 angegeben, er sei "wenige Tage vor Datierung seines Schreibens vom 16. Dezember 2015" bei Br. im Finanzamt gewesen. Der Anwaltsgerichtshof ist deshalb zutreffend davon ausgegangen, dass das behauptete Gespräch nicht vor dem maßgeblichen Zeitpunkt stattgefunden hat. Soweit der Kläger mit der Antragsbegrünung nunmehr vorträgt, dass Gespräch habe bereits am 1. Dezember 2014 stattgefunden, ist dies angesichts seiner früheren Ausführungen nicht nachvollziehbar. Im Übrigen ergibt sich aus dem vom Kläger in den Schriftsätzen vom 29. Juni und 30. September 2015 geschilderten Gespräch keine Stundungsvereinbarung, sondern nur die Zusage des Finanzamts, die laufende Vollstreckung bis zur Prüfung vom Kläger vorzulegender Unterlagen über von ihm zu stellende Sicherheiten zeitweilig nicht fortzusetzen. Nach der Mitteilung der Oberfinanzdirektion N. vom 9. November 2015 belaufen sich auch die Rückstände des Klägers beim Finanzamt B. , die aus den Jahren 2004 - 2013 stammen, inzwischen auf knapp 180.000 €.

9

Soweit der Kläger sich darauf beruft, seine Vermögensverhältnisse seien angesichts der mit dem Zeugen Ge. abgeschlossenen Darlehensverträge über 550.000 € und 1,8 Mio. € geordnet, kommt es auf diese bereits deshalb nicht an, weil die Verträge vom 16. Januar und 4. Juni 2015 stammen und damit nach dem maßgeblichen Zeitpunkt abgeschlossen worden sind. Anzumerken ist nur, dass es verwundert, warum der Kläger die ihm nach seiner Darstellung auf Abruf zur Verfügung stehenden Geldmittel nicht in Anspruch genommen hat, um seine zahlreichen Schulden zu tilgen, sondern es stattdessen zu diversen weiteren Vollstreckungen und zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens hat kommen lassen. Bei dem Zeugen Ge. soll es sich nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen um den CFO der in H. ansässigen Firma G. Limited (G. ) handeln. Im Widerspruchsverfahren hat der Kläger eine von Ge. unterzeichnete Bestätigung vorgelegt, wonach die G. dem Kläger im Zusammenhang mit Hotelprojekten in M. und R. ca. 275.000 € schulde und G. dem Kläger dieses Geld noch im Oktober 2014 zur Verfügung stellen werde. Hierauf hat der Kläger seine Behauptung gestützt, er werde bis spätestens Ende Oktober 2014 sämtliche offenen Forderungen beglichen habe. Auch dazu ist es aber nicht gekommen.

10

Soweit der Kläger mit der Antragsbegründung ohne Vorlage von Belegen pauschal behauptet, er habe auch im Übrigen alle Forderungen - soweit sie vor dem maßgeblichen Zeitpunkt lägen, davor, soweit sie danach entstanden seien, danach - beglichen, ist dieser Vortrag unsubstantiiert. Abgesehen davon unterliegt der Kläger einem grundlegenden Missverständnis. Ein Vermögensverfall wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass titulierte und in die Zwangsvollstreckung gegangene Forderungen nachträglich bezahlt werden. Kann ein Rechtsanwalt - wie hier der Kläger - offensichtlich nur wirtschaften, in dem er neue Schulden auflaufen lässt und zahlt er Schulden über einen gewissen Zeitraum nur unter dem Druck des Widerrufs seiner Zulassung oder unter dem Druck von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, kann der Nachweis des Vermögensverfalls regelmäßig als geführt angesehen werden (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 7. Oktober 2013 - AnwZ (Brfg) 30/13, Rn. 4; vom 14. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 22/14, Rn. 5 und vom 27. Juli 2015 - AnwZ (Brfg) 26/15, Rn. 6).

11

3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Seiters

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