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Bundesgerichtshof
Urt. v. 08.02.2011, Az.: VI ZR 79/10
Anspruch des Geschädigten auf Ersatz tatsächlich angefallener, mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert geschätzter Reparaturkosten
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 08.02.2011
Referenz: JurionRS 2011, 12231
Aktenzeichen: VI ZR 79/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Velbert - 17.12.2008 - AZ: 11 C 58/08

LG Wuppertal - 11.03.2010 - AZ: 9 S 26/09

Rechtsgrundlagen:

§ 249 BGB

§ 287 ZPO

Fundstellen:

DAR 2011, 252

DAR 2011, 308

DAR 2011, 319

DB 2011, 7

DS 2011, 287-288

JurBüro 2011, 445

Life&Law 2011, 392-394

MDR 2011, 482

NJW 2011, 1435-1436

NJW-Spezial 2011, 233

NZV 2011, 4

NZV 2011, 335

r+s 2011, 224-225

RÜ 2011, 273-275

SVR 2011, 258

VersR 2011, 547

VRA 2011, 73

VRR 2011, 179-180

VRS 2011, 1-2

ZGS 2011, 199-200

BGH, 08.02.2011 - VI ZR 79/10

Amtlicher Leitsatz:

BGB § 249 Ga

Zum Anspruch des Geschädigten auf Ersatz tatsächlich angefallener Reparaturkosten, deren Höhe der Sachverständige auf mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert geschätzt hat.

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2011
durch
den Vorsitzenden Richter Galke,
die Richter Zoll, Pauge und Stöhr und
die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 11. März 2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 26. August 2007, bei dem sein Motorrad beschädigt wurde. Die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers steht dem Grunde nach außer Streit. Der Kläger beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zum Schadensumfang. Dieser schätzte die voraussichtlichen Reparaturkosten bei einer Reparatur durch die Firma m. auf 10.028,49 € brutto und den Wiederbeschaffungswert auf 6.900 €. Die Beklagte regulierte den Schaden auf der Grundlage des Wiederbeschaffungsaufwands. Sie brachte von dem vom Sachverständigen geschätzten Wiederbeschaffungswert einen von ihr selbst ermittelten Restwert in Höhe von 2.710 € in Abzug und zahlte an den Kläger 4.190 €.

2

Der Kläger ließ das Motorrad bei der Firma m. den Vorgaben des Sachverständigen entsprechend reparieren und nutzte es weiter. Die Firma m. erteilte ihm am 12. August 2008 eine Reparaturkostenrechnung über 8.925,35 € brutto, wobei sie dem Kläger auf den Nettorechnungsbetrag von 8.427,30 € einen Rabatt von 11 % (927 €) gewährte. Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt den Ersatz weiterer Reparaturkosten von 4.735,35 € sowie die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 489,45 € verlangt.

3

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Kläger könne nur den Wiederbeschaffungsaufwand ersetzt verlangen, denn eine Reparatur seines Motorrades sei objektiv unwirtschaftlich gewesen. Die Reparaturkostenrechnung der Firma m. weise als Zwischensumme exakt den Betrag aus, den der Sachverständige geschätzt habe und der den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 % übersteige. Dieser Betrag repräsentiere nach objektiven Kriterien die erforderlichen Kosten einer fachgerechten Reparatur. Unerheblich sei, dass die Reparaturwerkstatt dem Kläger einen - nicht näher spezifizierten bzw. begründeten Rabatt - gewährt habe.

II.

5

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

6

1.

Die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeugs ist in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig, wenn die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur - wie hier - mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen. In einem solchen Fall, in dem das Kraftfahrzeug nicht mehr reparaturwürdig ist, kann der Geschädigte vom Schädiger grundsätzlich nur die Wiederbeschaffungskosten verlangen. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug dennoch reparieren, so können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswerts) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden (vgl. Senatsurteile vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375, 378 ff. und vom 10. Juli 2007 - VI ZR 258/06, VersR 2007, 1244 Rn. 6).

7

2.

Ob der Geschädigte, wenn es ihm tatsächlich gelingt, entgegen der Einschätzung des Sachverständigen die von diesem für erforderlich gehaltene Reparatur innerhalb der 130 %-Grenze fachgerecht und in einem Umfang durchzuführen, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat, gleichwohl Ersatz von Reparaturkosten verlangen kann, hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 10. Juli 2007 noch offen gelassen (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 2007 - VI ZR 258/06, aaO Rn. 7; Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2009, 149, 150 ff.). Für den Fall, dass zwar die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten über der 130 %-Grenze liegen, es dem Geschädigten aber - auch durch Verwendung von Gebrauchtteilen - gelungen ist, eine fachgerechte und den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, hat der erkennende Senat inzwischen entschieden, dass aus dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots dem Geschädigten eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten nicht verwehrt werden kann (Senatsurteil vom 14. Dezember 2010 - VI ZR 231/09, z.V.b.).

8

3.

Der Geschädigte, der sein beschädigtes Kraftfahrzeug instand gesetzt hat, obwohl ein Sachverständiger die voraussichtlichen Kosten der Reparatur auf einen den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 % übersteigenden Betrag geschätzt hat, kann den Ersatz von Reparaturkosten aber nur dann verlangen, wenn er nachweist, dass die tatsächlich durchgeführte Reparatur, sofern diese fachgerecht und den Vorgaben des Gutachtens entsprechend ausgeführt worden ist, wirtschaftlich nicht unvernünftig war. Ob dies der Fall ist, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung (§ 287 ZPO).

9

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger diesen Nachweis nicht geführt habe, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die vom Kläger vorgelegte Reparaturkostenrechnung bestätigt die Höhe der vom Sachverständigen objektiv für erforderlich gehaltenen Reparaturkosten. Da diese die 130 %-Grenze weit überschreiten, war die Instandsetzung des Fahrzeugs wirtschaftlich unvernünftig. Eine andere Beurteilung ist nicht schon deshalb geboten, weil die Firma m. dem Kläger einen erheblichen Rabatt gewährt hat, demzufolge der Rechnungsendbetrag knapp unter der 130 %-Grenze liegt. Das Berufungsgericht hat mit Recht näheren Vortrag des Klägers dazu vermisst, worauf die Gewährung dieses Nachlasses zurückzuführen ist. Ohne Kenntnis dieses Umstandes lässt sich die Frage der Wirtschaftlichkeit nicht beurteilen. Da der Kläger die Umstände der Rabattgewährung nicht näher erläutert hat, ist die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, die Wirtschaftlichkeit der erfolgten Instandsetzung des Motorrades sei nicht nachgewiesen, aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

10

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Galke
Zoll
Pauge
Stöhr
von Pentz

Von Rechts wegen

Verkündet am: 8. Februar 2011

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