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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 08.02.2011, Az.: VIII ZR 108/08
Nichtzulassungsbeschwerde zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht i.R.d Ermittlung einer Anspruchsverpflichtung bei Uneinigkeit über eine Auftragserteilung für die Lieferung von Baumaterialien
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 08.02.2011
Referenz: JurionRS 2011, 11191
Aktenzeichen: VIII ZR 108/08
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Osnabrück - 14.11.2007 - AZ: 12 O 3233/06

OLG Oldenburg - 03.04.2008 - AZ: 8 U 228/07

BGH, 08.02.2011 - VIII ZR 108/08

Redaktioneller Leitsatz:

Das Berufungsgericht muss die bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen grundsätzlich nochmals gemäß § 398 Abs. 1 ZPO vernehmen, wenn es deren Aussagen anders würdigen will als die Vorinstanz.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 8. Februar 2011
durch
den Vorsitzenden Richter Ball,
die Richterin Dr. Hessel sowie
die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 3. April 2008 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf 32.471,40 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von 41.937,11 € nebst Zinsen in Anspruch. Nach dem Vortrag der Klägerin habe der Beklagte in diesem Wert Baumaterialien für sein Bauvorhaben in E. bestellt und nicht bezahlt. Der Beklagte hat eine Bestellung in eigenem Namen bestritten. Er habe vielmehr einen Festpreis mit dem Streithelfer der Klägerin vereinbart. Die Bestellungen der Baumaterialien seien durch den Streithelfer erfolgt.

2

Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung der Zeugen B. , H. und F. sowie der Zeugin K. abgewiesen. Die Klägerin sei hinsichtlich der von ihr behaupteten Anspruchsverpflichtung des Beklagten beweisfällig geblieben. Schriftliche Aufträge des Beklagten lägen nicht vor. Die Aussagen der Zeugen hätten hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Auftragserteilung durch den Beklagten kein eindeutiges Ergebnis gebracht. Insbesondere gehe aus den Aussagen der Zeugen nicht eindeutig hervor, wer jeweils die Aufträge erteilt habe. Die Zeugin K. habe zudem bekundet, der Beklagte habe einen Festpreis mit dem Streitverkündeten, der hierzu die Aussage verweigert habe, vereinbart. Auch wenn andere Handwerker vom Beklagten selbst bezahlt worden seien, lasse dies nicht den Schluss zu, dass der Beklagte die streitgegenständlichen Lieferungen selbst bestellt habe. Der Beklagte habe seine Zahlungsverpflichtung auch nicht anerkannt. Die Aussage des Zeugen B. hierzu sei zu ungenau; der Zeuge habe sich nicht an die offenstehenden Summen erinnern können. Außerdem habe der Zeuge am Ende seiner Einvernahme bekundet, der Beklagte habe gesagt, der Streitverkündete solle das bezahlen.

3

Das Oberlandesgericht hat - ohne selbst Beweis zu erheben - das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Klägerin unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen geändert und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 32.471,40 € nebst Zinsen zu bezahlen; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt der Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

II.

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg.

5

1.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Soweit das Landgericht die Klage wegen der fehlenden Passivlegitimation des Beklagten abgewiesen habe, überzeuge die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht und gebe das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vollständig wieder. Den Aussagen der von dem Landgericht vernommenen Zeugen sowie den übrigen Indizien sei zu entnehmen, dass die wesentlichen Aufträge zur Lieferung der Fenster, des Garagentores, der Innentüren und der Pflastersteine von dem Beklagten erteilt worden seien.

7

So ergebe sich aus der Aussage des Zeugen B. , dass der Beklagte selbst die Fenster und das Garagentor bei der Klägerin ausgesucht habe und die entsprechenden Angebote auf seinen Namen ausgestellt worden seien. Auch die entsprechenden Rechnungen seien auf den Namen des Beklagten ausgestellt worden. Zwar habe der Zeuge ausgesagt, dass die Angebote an den Streithelfer der Klägerin zur Weiterleitung an den Beklagten übersandt worden seien. Allein daraus könne jedoch nicht entnommen werden, dass aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin der Streithelfer der Klägerin Auftraggeber gewesen sei. Denn nach der Aussage des Zeugen B. sei die Übersendung der Angebote an den Streithelfer der Klägerin nur zu dem Zweck erfolgt, dass Einigkeit zwischen ihm und dem Beklagten über die Auftragserteilung habe erzielt werden sollen. Zudem habe der Zeuge B. bekundet, dass der Beklagte bei einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin zugesichert habe, den zunächst angebotenen Preis für die Fenster zu zahlen. Darin sei ein deklaratorisches Anerkenntnis zu sehen. Bezüglich der Türen habe der Zeuge H. bekundet, dass der Beklagte die Türen bei der Klägerin ausgesucht habe und bei dem Aufmaß der Türen zugegen gewesen sei. Der Beklagte habe allein über die Preise verhandelt. Außerdem sei die entsprechende Auftragsbestätigung auf den Namen des Beklagten ausgestellt worden. Auch sei mit dem Zeugen vereinbart worden, dass die Rechnungen auf den Namen des Beklagten hätten ausgestellt werden sollen. Gleiches gelte für die Lieferung der Pflastersteine und Bordsteine. Nach der Aussage des Zeugen F. habe der Beklagte diese Steine bei der Klägerin ausgesucht; danach sei ihm ein Angebot gemacht worden, aufgrund dessen er selbst die Pflastersteine bestellt habe. Der Streithelfer der Klägerin sei bei der Bestellung nicht in Erscheinung getreten.

8

Soweit das Landgericht aus der Aussage der geschiedenen Ehefrau des Beklagten, es sei zwischen dem Streithelfer der Klägerin und dem Beklagten ein Festpreis vereinbart worden, gefolgert habe, dass dies gegen eine Auftragserteilung durch den Beklagten spreche, könne dem nicht gefolgt werden. Das Landgericht habe es insbesondere versäumt, eine Würdigung der Aussageverweigerung des Streithelfers der Klägerin vorzunehmen. Aber selbst wenn ein Festpreis mit dem Streithelfer der Klägerin vereinbart worden sei, folge daraus nicht zwingend, dass der Streithelfer der Klägerin die Handwerker und Lieferanten im eigenen Namen beauftragt habe. Vielmehr sei die Festpreisabrede dahin zu deuten, dass der Beklagte von den über den Festpreis hinausgehenden Forderungen der Handwerker freizustellen sei. Auch spreche der unstreitige Umstand, dass der Beklagte einige der streitgegenständlichen Rechnungen beglichen habe, dafür, dass er die Lieferungen bei der Klägerin im eigenen Namen in Auftrag gegeben habe.

9

2.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie ist auch begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat die erstinstanzlich vernommenen Zeugen entgegen § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 Abs. 1 ZPO nicht erneut vernommen, obwohl es deren Aussagen anders gewürdigt hat als das Landgericht. Diese rechtsfehlerhafte Anwendung des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verletzt den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsurteil vom 10. Februar 2010 - VIII ZR 343/08, NJW-RR 2010, 737 Rn. 18 f.; Senatsbeschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 4; jeweils mwN).

10

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden. Bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ist eine erneute Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht geboten. Insbesondere muss das Berufungsgericht die bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals gemäß § 398 Abs. 1 ZPO vernehmen, wenn es deren Aussagen anders würdigen will als die Vorinstanz. Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (Senatsbeschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, aaO Rn. 5; Senatsurteil vom 10. Februar 2010 - VIII ZR 343/08, aaO Rn. 19). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

11

Das Landgericht hat die Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen dahingehend gewürdigt, dass aus diesen Aussagen kein eindeutiger Schluss auf die Auftragserteilung durch den Beklagten gezogen werden könne. Dem Berufungsgericht haben die Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeugen indes genügt, um sich die Überzeugung von der Auftragserteilung durch den Beklagten zu verschaffen. Somit hat das Berufungsgericht die Zeugenaussagen von der Entscheidung des Landgerichts inhaltlich abweichend gewürdigt, ohne sich durch erneute Vernehmung der Zeugen einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Das angefochtene Urteil beruht auf diesem Verfahrensverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es die Zeugen erneut vernommen hätte.

12

3.

Da das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben; der Rechtsstreit ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO).

Ball
Dr. Hessel
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Dr. Bünger

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