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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 07.09.2016, Az.: IV ZR 238/15
Verjährung des Anspruchs auf Schadensersatz gegenüber einem englischen Lebensversicherer wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 07.09.2016
Referenz: JurionRS 2016, 30045
Aktenzeichen: IV ZR 238/15
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:070916BIVZR238.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Karlsruhe - 11.04.2014 - AZ: 10 O 258/12

OLG Karlsruhe - 23.04.2015 - AZ: 12 U 156/14

BGH, 07.09.2016 - IV ZR 238/15

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Felsch, Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann
am 7. September 2016
beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. April 2015 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte, ein englischer Lebensversicherer, ihm im Zusammenhang mit dem im Jahre 2000 erfolgten Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages we gen der Verletzung von Aufklärungspflichten zum Schadensersatz verpflichtet sei. Diese Versicherung war Bestandteil eines als "Sicherheits-KompaktRente (SKR)" bezeichneten Kapitalanlagemodells.

2

Der Kläger hält den Abschluss der Versicherung für wirtsch aftlich nachteilig und meint, dass die Beklagte ihm sämtliche entstandenen und noch entstehenden Schäden im Zusammenhang mit dem Abschluss der SKR ersetzen müsse. Er macht geltend, dass der beim Vertragsschluss tätig gewordene Vermittler, dessen Verhalten die Beklagte sich zurechnen lassen müsse, eine überhöhte Renditeprognose gegeben und dass die Beklagte ihn nicht ordnungsgemäß über das von ihr praktizierte Glättungsverfahrens und die Quersubventionierung zwischen verschiedenen von ihr gebildeten Pools aufgeklärt habe.

3

Ende Dezember 2009 reichte der Kläger über seine Prozessbevollmächtigten bei der staatlich anerkannten Gütestelle eines Rechtsanwalts und Mediators in F. einen Güteantrag ein. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 23. März 2010 mitgeteilt hatte, dass sie an dem Güteverfahren nicht teilnehmen werde, stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 20. April 2010, eingegangen bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. April 2010, das Scheitern des Verfahrens fest. In § 7 Buchst. b der maßgeblichen Verfahrensordnung der Gütestelle heißt es: "Das Verfahren endet, (...) wenn eine Partei erklärt, dass sie nicht an einem Mediationstermin teilnehmen wird. "

4

Der Kläger behauptet, seine Prozessbevollmächtigten hätten sich schon seit spätestens 4. August 2008 in Vergleichsverhandlungen mit der Beklagten befunden. Insoweit habe es eine persönliche Unterredung mit Vertretern der Beklagten am 30. November 2008 gegeben.

5

Am 9. Oktober 2012 hat der Kläger beim Landgericht Klage eingereicht, die der Beklagten am 30. Oktober 2012 zugestellt worden ist.

6

Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.

7

In den Vorinstanzen ist die Klage ohne Erfolg geblieben .

8

II. Das Berufungsgericht hat etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers als verjährt angesehen. Es ist vom Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB ausgegangen. Diese sei ab dem 1. Januar 2002 zu berechnen und habe mit Ablauf des 2. Januar 2012 geendet.

9

Es könne offen bleiben, ob der Güteantrag missbräuchlich gewesen und ob für die Beendigung des Verfahrens der Eingang der Mitteilung der Gütestelle beim Kläger maßgeblich sei. Die Verjährung sei durch den Güteantrag schon deshalb nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB gehemmt worden, weil der Antrag nicht geeignet gewesen sei, die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche hinreichend zu individualisieren. Insoweit habe es an einer auf den konkreten Fall zugeschnittenen Darstellung des Sach- und Streitstands gefehlt.

10

Auch eine Hemmung der Verjährung durch Vergleichsverhandlungen nach § 203 BGB habe es nicht gegeben, da nach den Bekundungen des vom Landgericht vernommenen Zeugen H. keine Vergleichsverhandlungen geführt worden seien. Der Vernehmung der im Berufungsverfahren vom Kläger benannten weiteren Zeugen habe es nicht bedurft, weil es schon an substanziierten Ausführungen dazu, dass konkret über Ansprüche des Klägers verhandelt worden sei, fehle.

11

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision, mit der er seinen Feststellungsantrag weiterverfolgt.

12

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht mehr vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

13

1. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist nicht mehr erforderlich, nachdem der Senat nach Erlass des Berufungsurteils in zwei Urteilen vom 28. Oktober 2015 (IV ZR 405/14, VersR 2015, 1545 und IV ZR 526/14, VersR 2015, 1548 [BGH 28.10.2015 - IV ZR 526/14]) grundsätzlich darüber entschieden hat, welche Anforderungen an die Individualisierung des Anspruchs im Rahmen eines Güteantrags in Fällen der vor liegenden Art zu stellen sind, damit der Antrag eine Hemmung der Verjährung bewirken kann.

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2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Der mit der Klage verfolgte Schadensersatzanspruch ist jedenfalls verjährt.

15

a) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht eine Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB mangels hinreichender Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs im Güteantrag verneint.

16

aa) Wie der Senat mit Urteil vom 28. Oktober 2015 (IV ZR 405/14, VersR 2015, 1545) entschieden und im Einzelnen ausgeführt hat (aaO Rn. 12 ff.), genügt es zur Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs in Fällen der vorliegenden Art, in denen es um einen Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungsmängeln infolge ungenügender Aufklärung über Besonderheiten des von der Beklagten angebotenen Versicherungsprodukts geht, wenn Policennummer, Zeichnungssumme, Art und Umfang der behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen und des geltend gemachten Schadensersatzanspruches bezeichnet werden (aaO Rn. 19). Dabei reicht es aus, dass sich diese Angaben lediglich in einem vorprozessualen Anspruchsschreiben befinden, wenn es sich um ein einzelnes Schreiben handelt, mit dem die Erkennbarkeit des Begehrens des Antragstellers gewährleistet wird, auf dessen Inhalt in dem Antrag ausdrücklich Bezug genommen ist und das dem Antrag beigefügt wurde (aaO Rn. 15 f.).

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Die vorgenannten Angaben sind allerdings unverzichtbar. Damit die Verjährung gehemmt werden kann, muss der Güteantrag für den Schuldner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll. Er muss dementsprechend einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben und hierzu die Streitsache darstellen sowie das konkrete Begehren erkennen lassen. Der verfolgte Anspruch ist hinreichend genau zu bezeichnen. Auch wenn insoweit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind, da das Güteverfahren in erster Linie auf eine außergerichtliche gütliche Beilegung des Rechtsstreits abzielt und keine strikte Antragsbindung wie im Mahn- oder Klageverfahren besteht, kommt hinzu, dass die Gütestelle durch den Antrag in die Lage versetzt werden muss, als neutraler Schlichter und Vermittler im Wege eines Schlichtungsversuchs einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Dies setzt voraus, dass auch sie ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert wird (Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 aaO Rn. 13; BGH, Urteile vom 20. August 2015 - III ZR 373/14, NJW 2015, 3297 Rn. 17; vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, VersR 2015, 1571 Rn. 23 f.; vgl. zum letztgenannten Urteil auch BVerfG, Beschluss vom 10. September 2015 - 1 BvR 1817/15, ).

18

bb) Den vorstehend genannten Mindestanforderungen an den G üteantrag genügte der im Streitfall gestellte Güteantrag des Klägers nicht. Zwar ist darin die Policennummer des Vertrages mit der Beklagten genannt, sind die geltend gemachten Pflichtverletzungen allgemein beschrieben und ist die Art des verfolgten Schadensersatzanspruchs erkennbar, indem ausgeführt wird, dass neben der Freistellung von Darlehensverbindlichkeiten der Ersatz des Aufwands in Form von Zinszahlungen, Tilgungszahlungen und Vermittlungsgebühren verlangt wird. Auch waren weitere Angaben zum Beratungszeitraum und Beratungsgespräch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 405/14 aaO Rn. 18). Zutreffend sind aber die weiteren Beanstandungen des Berufungsgerichts.

19

So ist schon nicht ganz eindeutig, ob der Kläger Ansprüche nur aus der mit einer Vertragsnummer bezeichneten oder auch aus weiteren bei der Beklagten abgeschlossenen Versicherungen verfolgen will, da nachfolgend mehrfach im Plural von Lebensversicherungsverträgen gesprochen wird. Vor allem aber sind die verfolgten Ansprüche nicht nur unbeziffert, sondern nach dem Inhalt des Antrags bleibt selbst die Größenordnung der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche unklar. Der Antrag lässt weder erkennen, in welchem Umfang der Kläger Darlehensverbindlichkeiten eingegangen ist, von denen er freigestellt werden möchte, noch wird der sonstige von ihm erbrachte Aufwand auch nur ungefähr dargestellt. Selbst die Zeichnungssumme ist nicht benannt. Dies schließt es aus, dass sich die Beklagte und erst recht die Gütestelle aus dem Antrag ein ausreichendes Bild über den Gegenstand des Verfahrens machen konnten.

20

Soweit der Güteantrag darauf verweist, dass der Anspruch bereits schriftlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht und dabei näher zu dem Anspruch ausgeführt worden sei, ist dies unerheblich, weil ein solches früheres Anspruchsschreiben dem Antrag nicht beigefügt war.

21

b) Auch eine ausreichende Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen gemäß § 203 BGB hat es nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gegeben.

22

Insoweit kann es sogar dahinstehen, ob es - wie das Berufungsgericht gemeint hat - überhaupt keine Hemmung nach § 203 BGB gegeben hat. Jedenfalls dauerte eine etwaige Hemmung nicht lange genug, um den Ablauf der Verjährung bis zur Einreichung der Klage im Oktober 2012 hinauszuschieben.

23

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass es nach der Aussage des Zeugen H. keine Verhandlungen zwischen den Parteien gegeben hat. Diese Würdigung der Zeugenaussage, die revisionsrechtlich beachtliche Fehler nicht erkennen lässt, greift die Revision nicht an, sondern macht einzig geltend, dass das Berufungsgericht keine weiteren Zeugen gehört habe.

24

Dessen weitere Ausführungen, nach denen die Vernehmung dieser weiteren Zeugen schon mangels ausreichenden Klägervortrags entbehrlich gewesen sei, lassen jedoch entscheidungserhebliche Rechtsfehler nicht erkennen. Denn der Kläger, der die Aufnahme von Verhandlungen in seinem Fall ab dem 4. August 2008 behauptet hat, hat sich insoweit lediglich darauf berufen, dass diese Verhandlungen in einer persönlichen Unterredung zwischen den Klägervertretern und Vertretern der Beklagten am 30. November 2008 gegipfelt hätten und sich konkret auf eine Verjährungshemmung durch Verhandlungen über 2 1/2 Monate berufen. Dass auch nach dieser Unterredung - die nach der Aussage des Zeugen H. nicht am 30. November, sondern am 30. Oktober 2008 stattfand noch konkrete Verhandlungen über Ansprüche des Klägers stattgefunden hätten, ist zu keiner Zeit vorgetragen. Es ergibt sich auch nicht aus dem von der Revision als übergangen gerügten Beweisantritt im Schriftsatz vom 3. März 2014, mit dem die weiteren Zeugen benannt worden sind. Soweit es darin pauschal heißt, dass umfangreiche Korrespondenz geführt worden sei, ohne dass dazu Daten mitgeteilt werden, genügt dies nicht für einen schlüssigen Vortrag, dass damit abweichend vom früheren Vorbringen auch noch Verhandlungen nach November 2008 behauptet werden sollten. Auch im Berufungsverfahren ist das zu keiner Zeit geltend gemacht worden.

25

War somit eine Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen schon nach dem Klägervortrag allenfalls für die Zeit vom 4. August 2008 bis Ende November 2008 in Betracht zu ziehen, so endete die Verjährung danach spätestens am 30. April 2012 und damit jedenfalls vor der Klageerhebung im Oktober 2012.

Mayen

Felsch

Lehmann

Dr. Brockmöller

Dr. Bußmann

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