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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 07.05.2015, Az.: I ZR 171/10
„Digibet II“
Untersagung des Anbietens von Sportwetten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über das Internet
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 07.05.2015
Referenz: JurionRS 2015, 18467
Aktenzeichen: I ZR 171/10
Entscheidungsname: Digibet II
ECLI: [keine Angabe]
 

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Köln - 22.10.2009 - AZ: 31 O 552/08

OLG Köln - 03.09.2010 - AZ: 6 U 196/09

BGH - 24.01.2013 - AZ: I ZR 171/10

nachgehend:

BGH - 30.07.2015 - AZ: I ZR 171/10

Fundstellen:

GRUR 2015, 820-822 "Digibet II"

JurBüro 2015, 558

JZ 2015, 463

MDR 2015, 850-851

Mitt. 2015, 476

NJW-RR 2015, 954-956 "Digibet II"

NZG 2015, 5

WM 2015, 1542-1544

WRP 2015, 976-978

ZfWG 2015, 225-227

BGH, 07.05.2015 - I ZR 171/10

Amtlicher Leitsatz:

Die Anwendung des § 565 Satz 2 ZPO setzt voraus, dass die mündliche Verhandlung nach der Veröffentlichung der Änderung des § 565 ZPO am 16. Oktober 2013 (BGBl. I 2013, 3786) stattgefunden hat.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen

beschlossen:

Tenor:

Die Beklagten haben die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 3. September 2010 wirksam zurückgenommen. Sie werden dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt.

Die Kosten der Revision werden den Beklagten auferlegt.

Gründe

1

I. Die Klägerin ist die staatliche Lottogesellschaft des Landes NordrheinWestfalen. Sie bietet über Lottoannahmestellen die Teilnahme an Lotterien und Sportwetten an.

2

Die Beklagte zu 1 mit Sitz in Gibraltar bietet auf der Internetseite "digibet.com" Glücksspiele und Sportwetten gegen Geldeinsatz an. Sie ist Inhaberin einer in Gibraltar erteilten Glücksspiellizenz. Der Beklagte zu 2 ist Geschäftsführer der Beklagten zu 1.

3

Die Klägerin hält das Angebot der Beklagten zu 1 wegen Verstoßes gegen glücksspiel- und strafrechtliche Bestimmungen für wettbewerbswidrig.

4

Soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, hat das Landgericht (LG Köln, Urteil vom 22. Oktober 2009 - 31 O 552/08, ) die Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über das Internet in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten und/oder zu verschaffen, Glücksspiele, insbesondere Sportwetten zu festen Gewinnquoten sowie Kasinospiele, insbesondere Poker, Videopoker, Black Jack, Roulette, Baccara, Keno, Bingo und virtuelle Slot Machines sowie Kartenspiele und Brettspiele gegen Entgelt einzugehen und/oder abzuschließen und/ oder diese Möglichkeit zu bewerben, wie nachstehend beispielhaft wiedergegeben.

(Es folgt die Wiedergabe von 102 Bildschirmausdrucken aus dem Internetangebot der Beklagten zu 1 vom September 2009).

5

Außerdem hat es die Beklagten zur Auskunft verurteilt und ihre Pflicht zum Schadensersatz festgestellt.

6

Das Berufungsgericht (OLG Köln, Urteil vom 3. September 2010 - 6 U 196/09, ) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und den Unterlassungstenor nach Maßgabe des von der Klägerin in der Berufungsinstanz gestellten Antrags unter Beschränkung auf konkret bezeichnete Spiele dahingehend gefasst, dass sich die Unterlassungspflicht der Beklagten darauf bezieht,

über das Internet in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten und/oder zu verschaffen, Sportwetten zu festen Gewinnquoten sowie Poker, Videopoker, Black Jack, Roulette, Baccara, Keno, Bingo und Spiele an virtuellen Slot Machines sowie Knobelduell und Black Jack-Duell gegen Entgelt einzugehen und/oder abzuschließen und/oder diese Möglichkeit zu bewerben, wie nachstehend wiedergegeben. ...

7

Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Revision eingelegt. Am 22. November 2012 ist vor dem Senat mündlich zur Hauptsache verhandelt worden. Mit Beschluss vom 24. Januar 2013 hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union verschiedene Fragen zum unionsrechtlichen Kohärenzgebot vorgelegt (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2013 - I ZR 171/10, GRUR 2013, 527 = WRP 2013, 515 [BGH 24.01.2013 - I ZR 171/10] - Digibet I). Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 12. Juni 2014 über die Vorlage des Senats entschieden (C-156/13, GRUR 2014, 876 = WRP 2014, 1172 [BGH 10.07.2014 - I ZB 18/13][EuGH 12.06.2014 - Rs. C-156/13] - Digibet u.a./ Westdeutsche Lotterie).

8

Im Verhandlungstermin vom 12. Februar 2015 haben die Beklagten vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache die Rücknahme der Revision erklärt. Die Klägerin hat der Revisionszurücknahme nicht zugestimmt. Die Beklagten haben daraufhin nur für den Fall mündlich verhandelt, dass die Revision nicht wirksam zurückgenommen worden ist.

9

II. Die Beklagten haben die Revision in der mündlichen Verhandlung am 12. Februar 2015 wirksam zurückgenommen. Die Vorschrift des § 565 Satz 2 ZPO ist im Streitfall nicht anzuwenden.

10

1. § 565 ZPO in der seit dem 1. Januar 2014 geltenden Fassung bestimmt in Satz 2, dass die Revision ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden kann. Eine Überleitungsvorschrift im Hinblick auf schwebende Verfahren hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen (vgl. Art. 26 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I, S. 3786); Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/13948, S. 38).

11

2. Fehlen - wie hier - Überleitungsvorschriften, so erfassen Änderungen des Prozessrechts im Allgemeinen auch schwebende Verfahren. Diese sind mit Inkrafttreten des Änderungsgesetzes grundsätzlich nach neuem Recht zu beurteilen, soweit es nicht um unter der Geltung des alten Rechts abgeschlossene Prozesshandlungen und abschließend entstandene Prozesslagen geht. Als abgeschlossene Prozesshandlungen, auf die allein das im Zeitpunkt ihrer Vornahme geltende Recht anzuwenden ist, werden punktuelle Ereignisse angesehen, wie die Erklärung über den Beitritt als Nebenintervenient oder die Einlegung eines Rechtsmittels (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2007 - II ZB 29/05, BGHZ 172, 136 Rn. 25 f.).

12

3. Nach diesen Grundsätzen konnten die Beklagten die Revision im Termin am 12. Februar 2015 noch einseitig zurücknehmen, obwohl bereits am 22. November 2012 mündlich zur Hauptsache verhandelt worden war. Die Vorschrift des § 565 Satz 2 ZPO ist nur in Verfahren anwendbar, in denen eine mündliche Verhandlung zur Hauptsache nach der Veröffentlichung der Änderung des § 565 ZPO am 16. Oktober 2013 (BGBl. I, S. 3786) stattgefunden hat.

13

a) § 565 Satz 2 ZPO knüpft an den Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache die verfahrensrechtliche Folge, dass eine einseitige Rücknahme der Revision durch den Revisionskläger ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nicht mehr möglich ist. Diese Rechtsfolge verbindet das Gesetz mit dem Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache mit einer punktuellen Prozesshandlung. Dieser kann nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts nachträglich keine Rechtswirkung beigemessen werden, die sie zum Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht hatte. Die Rechtsfolgen des Verhandelns des Revisionsbeklagten im Termin am 22. November 2012 bestimmen sich daher allein nach dem zur Zeit ihrer Vornahme geltenden Recht. Zu diesem Zeitpunkt existierte die Vorschrift des § 565 Satz 2 ZPO nicht.

14

b) Dieses Ergebnis entspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein faires Verfahren.

15

aa) Allerdings steht das grundsätzliche Verbot der echten Rückwirkung von Gesetzen der Anwendung von § 565 Satz 2 ZPO auf den Streitfall nicht entgegen. Eine echte Rückwirkung liegt nur vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (str. Rspr.; vgl. BVerfGE 63, 152, 175 [BVerfG 09.02.1983 - 1 BvL 8/80]; 72, 175, 196). Daran fehlt es hier, weil das Revisionsverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 565 Satz 2 ZPO noch nicht abgeschlossen war.

16

Die Erklärung, die Revision zurückzunehmen, erfolgte erst nach Inkrafttreten der Änderung des § 565 Satz 2 ZPO im Termin vom 12. Februar 2015. In Rede steht damit eine tatbestandliche Rückanknüpfung, bei der der Eintritt der Rechtsfolgen der Gesetzesänderung von einem tatsächlichen Ereignis aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig gemacht würde. Eine solche tatbestandliche Rückanknüpfung erfüllt nicht die Voraussetzungen einer echten Rückwirkung, sondern stellt eine unechte Rückwirkung dar (vgl. BVerfGE 39, 156, 167; 97, 69, 78 f.; Grzeszick in Maunz/Dürig, GG, Stand November 2006, Art. 20 Abschnitt VII Rn. 78).

17

bb) Die Anwendung von § 565 Satz 2 ZPO auf Verfahren, in denen die mündliche Verhandlung vor der Verkündung der Gesetzesänderung stattgefunden hat, würde jedoch zu einer unechten Rückwirkung führen, die im vorliegenden Fall verfassungsrechtlich unzulässig wäre.

18

(1) Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffenen Rechtspositionen nachträglich beeinträchtigt (BVerfGE 57, 361, 391 [BVerfG 14.07.1981 - 1 BvL 28/77]; 68, 287, 306). Im Fall einer unechten Rückwirkung knüpft das Gesetz zwar an einen in der Vergangenheit liegenden Umstand an. Die Rechtswirkungen ergeben sich aber erst für die Zukunft.

19

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Termin, in dem die Parteien im Revisionsverfahren mündlich verhandelt haben, lag vor dem Inkrafttreten des § 565 Satz 2 ZPO. Durch die Bestimmung wird in die Dispositionsfreiheit des Revisionsklägers eingegriffen. Dieser konnte nach der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Rechtslage die Revision noch bis zur Verkündung des Urteils einseitig zurücknehmen.

20

(2) Regelungen mit unechter Rückwirkung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar grundsätzlich zulässig. Für den Gesetzgeber ergeben sich dabei indes verfassungsrechtliche Schranken aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit. Dies bedeutet für die Betroffenen in erster Linie Vertrauensschutz. Das Vertrauen des Bürgers in eine bestehende Rechtslage wird enttäuscht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte und den er bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte. Der Einzelne kann sich allerdings nicht auf einen Vertrauensschutz berufen, wenn er mit einem Fortbestand einer ihm günstigen Regelung aufgrund der Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht rechnen durfte (vgl. BVerfGE 68, 287, 307 [BVerfG 28.11.1984 - 1 BvR 1157/82]). Für die Zulässigkeit unechter Rückwirkung ist danach maßgeblich eine Güterabwägung zwischen der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl einerseits und dem Ausmaß des durch eine Gesetzesänderung verursachten Vertrauensschadens andererseits (vgl. BVerfGE 25, 142, 154 [BVerfG 21.01.1969 - 2 BvL 11/64]; Grzeszick in Maunz/Dürig aaO Art. 20 Abschnitt VII Rn. 88).

21

(3) Nach diesen Grundsätzen würde die Anwendung von § 565 Satz 2 ZPO im Streitfall zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen, unechten Rückwirkung führen und dadurch eine schutzwürdige verfahrensrechtliche Position der Revisionskläger in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen.

22

Auf Seiten der Revisionskläger läge im Falle einer Anwendung des § 565 Satz 2 ZPO ein Eingriff in das Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren vor, das sich aus dem Rechtsstaatsgebot in Verbindung mit der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) ableitet (BVerfGE 78, 123, 126 [BVerfG 26.04.1988 - 1 BvR 669/87]; Sachs/Degenhart, GG, 7. Aufl., 2014, Art. 103 Rn. 42). Dieses Prozessgrundrecht ist im Streitfall in seiner Ausprägung als Recht auf ein vorhersehbares Verfahren betroffen. Der Eingriff ist nicht unerheblich. Eine Partei kann die Führung des Rechtsstreits nicht mehr in der ihr sinnvoll erscheinenden Weise an die jeweilige Prozesssituation anpassen, wenn einem Verhalten in einer früheren Verhandlung nachträglich Rechtswirkungen beigemessen werden, die es im Zeitpunkt seiner Vornahme nicht hatte.

23

Dieser Beeinträchtigung der Interessen der Rechtsmittelführer steht kein überwiegendes öffentliches Interesse gegenüber, die Anwendbarkeit des § 565 Satz 2 ZPO auf mündliche Verhandlungen zu erstrecken, die vor Veröffentlichung der Gesetzesänderung stattgefunden haben. § 565 Satz 2 ZPO dient dem öffentlichen Interesse an einer Leit- und Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs, dem im Gesetzgebungsverfahren größeres Gewicht beigemessen wurde als der mit einer schrankenlosen Möglichkeit zur Rücknahme der Revision verbundenen Entlastungswirkung für den Bundesgerichtshof (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/13948, S. 36). Dieses öffentliche Interesse ist nur in äußerst geringem Maß betroffen, wenn § 565 Satz 2 ZPO nicht auf mündliche Verhandlungen angewandt wird, die vor der Veröffentlichung der Gesetzesänderung stattgefunden haben. Betroffen ist von vornherein nur eine sehr begrenzte Zahl von Fällen. Regelmäßig werden sich durch einen zeitlichen Abstand zwischen Revisionsverhandlung und Urteilsverkündung keine intertemporalen Probleme bei der Anwendung des § 565 Satz 2 ZPO ergeben. Sie können nur entstehen, wenn entweder in einer Sache, in der die mündliche Verhandlung bis zum 31. Dezember 2013 stattgefunden hat, ein Verkündungstermin nach dem 1. Januar 2014 anberaumt worden ist oder - wie im vorliegenden Fall - das Verfahren etwa im Hinblick auf eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt worden ist.

24

Eine unechte Rückwirkung von § 565 Satz 2 ZPO ist auch nicht zum Schutz berechtigter Interessen der Revisionsbeklagten geboten. Der in der Berufungsinstanz erfolgreiche Rechtsmittelbeklagte hat keinen Anspruch auf eine höchstrichterliche Bestätigung des für ihn günstigen Berufungsurteils. Vielmehr sind seine berechtigten Interessen ausreichend geschützt, wenn das zu seinen Gunsten ergangene Berufungsurteil nach Rücknahme der Revision rechtskräftig wird. Die Revisionsrücknahme unterscheidet sich insoweit grundlegend von der Klagerücknahme, die nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung der Einwilligung des Beklagten bedarf (§ 269 Abs. 1 ZPO). Im Fall der Klagerücknahme kommt es nicht zu einer rechtskräftigen Entscheidung zugunsten des Beklagten. Vielmehr kann der Kläger seinen Anspruch erneut - auch vor einem anderen Gericht - einklagen. An einer mit dem Fall der Klagerücknahme vergleichbaren Interessenbeeinträchtigung fehlt es bei der Rücknahme der Revision.

25

Eine Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Revisionskläger in die fortbestehende einseitige Rücknahmemöglichkeit fehlt auch nicht deshalb, weil es sich um eine vorhersehbare Rechtsänderung gehandelt hat (vgl. BVerfGE 13, 261, 272; 30, 367, 387). Im Termin vom 22. November 2012 konnten die Revisionskläger nicht erkennen, dass durch ein mündliches Verhandeln zur Hauptsache ihre Dispositionsfreiheit im Hinblick auf die Rücknahme der Revision beseitigt werden könnte.

26

Dies änderte sich erst mit der Veröffentlichung der Gesetzesänderung am 16. Oktober 2013. Ab diesem Zeitpunkt war von einem Revisionskläger die Kenntnis zu erwarten, dass er ab 1. Januar 2014 die Möglichkeit zur einseitigen Rücknahme der Revision verlieren würde, wenn und sobald der Revisionsbeklagte zur Hauptsache verhandelt hatte, und dass diese Rechtsfolge mangels besonderer Überleitungsvorschriften auch durch Verhandlungen zwischen dem 17. Oktober und dem 31. Dezember 2013 eintreten konnte. Ohne berechtigtes Vertrauen des Rechtsmittelführers in den Fortbestand der alten Rechtslage ist für Verhandlungen nach dem 16. Oktober 2013 das öffentliche Interesse an der Anwendung des geänderten § 565 ZPO vorrangig. Damit verringert sich die ohnehin geringe Zahl der aufgrund früherer Verhandlungen noch nach der alten Fassung des § 565 ZPO zu beurteilenden Verfahren weiter.

27

c) Da im Streitfall die erste mündliche Verhandlung bereits am 22. November 2012 stattgefunden hat, ist § 565 Satz 2 ZPO nicht anwendbar. Infolgedessen ist festzustellen, dass die Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. Februar 2015 wirksam zurückgenommen worden ist.

28

4. Der Senat kann durch Beschluss entscheiden. Die Feststellung, dass die Revisionskläger die Revision wirksam zurückgenommen haben, entspricht nach Zweck, sachlichem Gehalt und Wirkung der Verlustigkeitserklärung gemäß §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO, die durch Beschluss auszusprechen ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1966 - II ZR 230/64, BGHZ 46, 112, 113; Beschluss vom 11. Mai 1995 - V ZB 8/95, NJW 1995, 2229).

29

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO.

Büscher

Schaffert

Kirchhoff

Schwonke

Feddersen

Verkündet am: 7. Mai 2015

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