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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 07.02.2011, Az.: AnwZ (B) 62/06
Nachträgliches Entfallen der Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft im Falle des ausreichenden Nachweises der Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 07.02.2011
Referenz: JurionRS 2011, 10924
Aktenzeichen: AnwZ (B) 62/06
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AGH Nordrhein-Westfalen - 20.05.2005 - AZ: 1 ZU 4/05

Verfahrensgegenstand:

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

BGH, 07.02.2011 - AnwZ (B) 62/06

Redaktioneller Leitsatz:

Sind die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung eines in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts nachträglich entfallen, ist dies im Verfahren der sofortigen Beschwerde zu berücksichtigen.

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat
durch
den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf,
den Richter Seiters,
die Richterin Dr. Fetzer und
die Rechtsanwälte Dr. Frey und Prof. Dr. Quaas
mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren
am 7. Februar 2011
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. Mai 2005 und der Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 3. Dezember 2004 aufgehoben.

Gerichtliche Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben.

Der Antragsteller hat die notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin zu tragen.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist seit dem Jahr 1973 im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 3. Dezember 2004 widerrief die Antragsgegnerin seine Zulassung wegen Vermögensverfalls. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Bescheid hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.

II.

2

Das nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F. statthafte Rechtsmittel ist, nachdem der Senat durch Beschluss vom 2. Juli 2007 Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gewährt hat, zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

3

1.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschluss vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschluss vom 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577). Wird der Rechtsanwalt in das von dem Vollstreckungsgericht nach § 915 ZPO zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen, wird der Vermögensverfall gesetzlich vermutet.

4

2.

Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids vor.

5

a)

Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller mit einem am 22. September 2004 ergangenen Haftbefehl im Schuldnerverzeichnis des Vollstreckungsgerichts eingetragen. Vermögensverfall wurde deshalb bei ihm gesetzlich vermutet. Diese Vermutung war auch, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat, nicht widerlegt.

6

b)

Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet (Senat, Beschluss vom 31. März 2008 - AnwZ (B) 33/07, [...]). Das ist in der Regel auch tatsächlich der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern (Senat, Beschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511). Anhaltspunkte dafür, dass hier bei Erlass des Widerrufsbescheids eine Gefährdung von Interessen der Rechtsuchenden ausnahmsweise nicht ausgeschlossen war, sind nicht ersichtlich.

7

3.

Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung sind jedoch, was nach ständiger Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigen ist (Senat, Beschlüsse vom 12. November 1979 - AnwZ (B) 16/79, BGHZ 75, 356, 357 und vom 17. Mai 1982 - AnwZ (B) 5/82, BGHZ 84, 149, 150), nachträglich entfallen.

8

Dem Antragsteller ist es im Laufe des Verfahrens gelungen, sämtliche gegen ihn erhobenen Forderungen entweder zu tilgen oder in einer Weise zu regulieren, die ihm künftig ein geordnetes Wirtschaften erlaubt. Er ist auch nicht mehr im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Der Haftbefehl vom 22. September 2004 ist am 26. Juni 2006 gelöscht worden, nachdem der Antragsteller die Forderung beglichen hatte. Gleiches gilt für einen weiteren Haftbefehl, den die Antragsgegnerin wegen eigener Forderungen am 18. Juni 2007 erwirkt hatte. Dieser Haftbefehl wurde nach vollständiger Befriedigung der Antragsgegnerin am 8. Mai 2009 gelöscht, nachdem diese schon seit spätestens 2008 im Hinblick auf vom Antragsteller erbrachte Ratenzahlungen keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mehr ergriffen hatte. Abgesehen von den Verbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse A. waren damit alle offenen Forderungen beglichen. Seit mehr als zwei Jahren sind gegen den Antragsteller keine neuen titulierten Forderungen oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mehr bekannt geworden. Seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber seiner letzten verbliebenen Gläubigerin, der Sparkasse A. , kommt er seit dem 1. Januar 2008 nach, wie diese mit Schreiben vom 29. Oktober 2009 bestätigt hat.

9

Die Verbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse A. sind geregelt. Diese stammen aus fällig gestellten Krediten zur Finanzierung von Beteiligungen des Antragstellers an als Gesellschaften bürgerlichen Rechts betriebenen SB-Märkten. Im Laufe des Verfahrens wurden die Verbindlichkeiten, die sich vorübergehend auf mehr als 550.000 € belaufen haben, durch den Verkauf von den Gesellschaften gehörenden Grundstücken reduziert und im Übrigen erfolgreich umgeschuldet. Wie der Antragsteller durch Vorlage neu abgeschlossener Kreditverträge belegt und die Sparkasse mit Schreiben vom 24. September und 29. Oktober 2009 bestätigt hat, bestehen derzeit noch Darlehensverbindlichkeiten über 216.000 € (Finanzierung der Anteile am SB-Markt L. ), 87.000 € (Finanzierung der Anteile am SB-Markt H. ) und 115.000 € (Finanzierung der Anteile am SB-Markt K. ). Der Kapitaldienst für diese Verbindlichkeiten ist, wie sich ebenfalls aus der Bestätigung der Sparkasse vom 29. Oktober 2009 ergibt, durch die Einnahmen des Antragstellers aus den verbliebenen SB-Markt-Anteilen gewährleistet und wird seit dem 1. Januar 2008 vollständig erbracht. Die Laufzeit der Darlehen wurde bis zum 30. September 2013 verlängert.

10

Dass hinsichtlich der Forderung über 115.000 € im Gegensatz zu den beiden anderen Verbindlichkeiten der Vertrag zur Gewährung des Umschuldungsdarlehens - nach dem zuletzt mitgeteilten Sachstand - noch nicht unterzeichnet wurde, weil eine Mitgesellschafterin die hierfür erforderliche Grundschuld-Zweckerklärung bisher nicht abgegeben hat, steht der Annahme einer Regulierung der Verbindlichkeit nicht entgegen. Die Sparkasse hat insoweit, wie sich aus ihren Schreiben vom 24. September und 29. Oktober 2009 ergibt, jedenfalls eine verbindliche Darlehenszusage erteilt. Im Vorgriff auf den Vertragsschluss wird das Forderungskonto schon jetzt als "normales Kreditkonto" zu den Konditionen des zugesagten Darlehens geführt. In ihrem Schreiben vom 5. Oktober 2010, in dem sie die Prolongation bestätigt, spricht sie auch insoweit von einem "Darlehen" und bezieht sich auf die Bestimmungen des weiterhin geltenden "Darlehensvertrages".

11

Unter diesen Umständen ist eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers ausreichend nachgewiesen.

12

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 Abs. 2 BRAO a.F., § 42 Abs. 6 BRAO a.F. i.V.m. § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG a.F. Da die Voraussetzungen des Widerrufs erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens entfallen sind und der Antragsteller erst hier ausreichend zu seinen Einkommensund Vermögensverhältnissen vorgetragen hat, entspricht die Anordnung der Auslagenerstattung der Billigkeit.

Tolksdorf
Seiters
Fetzer

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