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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 06.04.2016, Az.: VII ZR 40/15
Anspruch einer Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber einem Bauunternehmer auf Erstattung der Mängelbeseitigungskosten und Folgeschäden
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 06.04.2016
Referenz: JurionRS 2016, 15284
Aktenzeichen: VII ZR 40/15
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:060416BVIIZR40.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Neubrandenburg - 18.01.2013 - AZ: 3 O 213/10

OLG Rostock - 17.02.2015 - AZ: 4 U 7/13

Fundstellen:

BauR 2016, 1209-1210

GuG 2016, 331-332

GuG aktuell 2016, 31

BGH, 06.04.2016 - VII ZR 40/15

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, den Richter Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack, Sacher und Wimmer
beschlossen:

Tenor:

Der Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision wird teilweise stattgegeben.

Der Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 17. Februar 2015 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Anspruchs der Klägerin auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 23.860 € zuzüglich Zinsen sowie des Feststellungsausspruchs im landgerichtlichen Urteil zu 2. a) und b) wegen der Mängel an der Außenfassade zurückgewiesen hat.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen.

Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde und des stattgebenden Teils: bis 25.000 €

Gründe

I.

1

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft nimmt die Beklagte auf Zahlung eines Kostenvorschusses wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum der Wohnanlage in Anspruch und begehrt daneben die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, darüber hinausgehende Mängelbeseitigungskosten und Folgeschäden wegen näher bezeichneter Mängel zu tragen.

2

Die Beklagte errichtete in den Jahren 2002 und 2003 eine Mehrfamilienhausanlage mit insgesamt vier Wohnungen in N. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 8. November 2002 veräußerte die Beklagte eine der Wohnungen an die Eheleute Sch.; die drei anderen Wohnungen veräußerte sie an Herrn R. Die Eheleute Sch. nahmen die Leistungen der Beklagten am 26. Juni 2003 ab, der Eigentümer R. am 7. Januar 2004. Mit Schreiben vom 25. April 2008 zeigte die Verwalterin der Klägerin gegenüber der Beklagten Mängel, insbesondere Putzrisse an der Fassade, an. Die Beklagte nahm Mängelbeseitigungsarbeiten vor, die die Klägerin für unzureichend hielt. Nachdem sie die Geltendmachung der Mängelrechte an sich gezogen hatte, beantragte sie im Juli 2008 die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zu den behaupteten Mängeln und zur Höhe der zur Mangelbeseitigung erforderlichen Kosten. Nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Beseitigung der vom Sachverständigen Wo. festgestellten Mängel auf.

3

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 23.860 € zuzüglich Zinsen verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagte wegen im Tenor näher bezeichneter Mängel zur Tragung von weiteren Mängelbeseitigungskosten und Folgeschäden verpflichtet ist. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht nach entsprechendem Hinweis durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

4

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, mit der sie die Zulassung der Revision und in der Folge die Abweisung der Klage erreichen will.

II.

5

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat teilweise Erfolg.

6

1. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Interesse - ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Vorschuss für die Beseitigung von Mängeln zu. Zu Recht habe das Landgericht festgestellt, dass das Gebäude Mängel in Form von Rissen aufweise. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellten auch Risse in der Außenfassade von weniger als 0,3 mm einen Baumangel dar. Soweit die Beklagte sich mit ihrem Schriftsatz vom 30. April 2014 unter Bezugnahme auf ein Privatgutachten vom 14. April 2014 darauf berufen wolle, dass die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen unzutreffend seien, sei das neues und bestrittenes Vorbringen, was nicht zuzulassen sei (§ 531 Abs. 2 ZPO).

7

2. Der Beschluss des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, soweit das Berufungsgericht den Vorschussanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von 23.860 € zuzüglich Zinsen und den Feststellungsausspruch des Landgerichts wegen Mängeln an der Außenfassade des Gebäudes bestätigt hat. Der angefochtene Beschluss ist deshalb insoweit aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO.

8

Die Beschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 30. April 2014, mit dem sie das Privatgutachten des Sachverständigen We. vom 14. April 2014 vorgelegt hat, unter unzutreffender Annahme der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zurückgewiesen und dadurch deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

9

a) Das Gebot aus Art. 103 Abs. 1 GG, rechtliches Gehör zu gewähren, ist verletzt, wenn das Berufungsgericht neues Vorbringen unter offensichtlich fehlerhafter Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO nicht zur Verhandlung zulässt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2015 - VII ZR 53/13, BauR 2015, 1522 Rn. 9 = NZBau 2015, 553; Beschluss vom 3. März 2015 - VI ZR 490/13, NJW-RR 2015, 1278 Rn. 7 m.w.N.; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - VII ZR 339/12, NZBau 2014, 31 Rn. 8; BVerfG, NJW 2000, 945, 946 [BVerfG 26.10.1999 - 2 BvR 1292/96], Rn. 12). Ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen ist dann nicht neu, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus erster Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2015 - VII ZR 53/13, aaO Rn. 11; Beschluss vom 21. Dezember 2006 - VII ZR 279/05, BauR 2007, 585, Rn. 7 = NZBau 2007, 245 [BGH 21.12.2006 - VII ZR 279/05]; Urteil vom 18. Oktober 2005 - VI ZR 270/04, BGHZ 164, 330, 333, Rn. 11 m.w.N.).

10

b) Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall Vorbringen der Beklagten unter Verstoß gegen § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO unberücksichtigt gelassen, soweit es um die auf das Privatgutachten We. vom 14. April 2014 gestützten Einwände der Beklagten geht, der Sachverständige Wo. habe die in der Außenfassade aufgetretenen Risse nicht hinreichend untersucht und dokumentiert, insbesondere kein Risskataster erstellt, um hieraus eine Mangelhaftigkeit des Bauwerks abzuleiten, und sei ohne Ermittlung des Wasseraufnahmekoeffizienten unter Verwendung eines Wassereindringprüfers fehlerhaft davon ausgegangen, dass der Außenputz Schlagregen nicht in ausreichendem Maße standhalte. Die Beklagte hat nach den von der Beschwerde in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts bereits in erster Instanz beanstandet, dass der Sachverständige Wo. weitergehende Untersuchungen unterlassen habe. Dieser Einwand wird mit dem von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten We. vom 14. April 2014 näher konkretisiert, so dass dieses Vorbringen nicht als neu nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zurückgewiesen werden durfte. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine Partei nicht verpflichtet ist, bereits in erster Instanz Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten unter Beifügung eines Privatgutachtens oder gestützt auf Sachverständigenrat vorzubringen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2015 - VII ZR 53/13, aaO Rn. 12; Beschluss vom 21. Dezember 2006 - VII ZR 279/05, aaO, 586, Rn. 10; Urteil vom 18. Oktober 2005 - VI ZR 270/04, aaO, 335, Rn. 15 m.w.N.).

11

c) Der Gehörsverstoß ist erheblich, soweit das Berufungsgericht den Vorschussanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von 23.860 € zuzüglich Zinsen und den Feststellungsausspruch des Landgerichts wegen der Mängel an der Außenfassade bestätigt hat. Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht eine für die Beklagte günstigere Entscheidung getroffen hätte, wenn sie ihre auf das in zweiter Instanz vorgelegte Privatgutachten We. gestützten Einwendungen berücksichtigt hätte. Im Hinblick auf den zuerkannten Kostenvorschuss, der auch Mängelbeseitigungskosten hinsichtlich der Mängel an den Außen- und Innenfugen der Fenster sowie die Kosten für die Herstellung einer mangelfreien Eingangstür umfasst, kommt eine Teilaufhebung nicht in Betracht. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen, welcher Teil des ausgeurteilten Betrags von 23.860 € auf die Beseitigung der Mängel an der Außenfassade entfällt.

12

3. Von einer Begründung der Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Übrigen wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).

Eick

Herr Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jurgeleit ist wegen Krankheit an der Unterschrift gehindert
Eick

Graßnack

Sacher

Wimmer

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