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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 04.11.2010, Az.: V ZB 202/10
Anspruch eines illegal eingereisten Ausländers aus Ghana auf Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten ohne Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 04.11.2010
Referenz: JurionRS 2010, 29066
Aktenzeichen: V ZB 202/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Osnabrück - 28.07.2010 - AZ: 11 T 440/10

nachgehend:

BGH - 24.02.2011 - AZ: V ZB 202/10

Rechtsgrundlage:

§ 1 PKH-VV

Fundstelle:

HRA 2011, 14-15

BGH, 04.11.2010 - V ZB 202/10

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 4. November 2010
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,
die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch,
die Richterin Dr. Stresemann und
den Richter Dr. Czub
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 28. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Betroffene ist ghanaischer Staatsangehöriger. Er reiste am 13. Juni 2010 ohne gültige Dokumente aus den Niederlanden nach Deutschland ein und wurde am gleichen Tag in die Niederlande zurückgeschoben. Am Tage darauf wurde er zurücküberstellt. Es ergab sich, dass er in Malta einen Asylantrag gestellt hatte. Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 14. Juni 2010 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückschiebung für die Dauer von höchstens drei Monaten und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 28. Juli 2010 zurückgewiesen. Der Betroffene ist am 5. August 2010 nach Malta zurückgeschoben worden.

2

Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, für die er die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten beantragt. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er nicht vorgelegt, wohl aber einen Kontoauszug der JVA Hannover, aus dem sich ergibt, dass er am 30. Juni 2010 dort über 69,75 € verfügt hat.

II.

3

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist unbegründet.

4

1.

Der Senat hat mit Beschluss vom 14. Oktober 2010 (V ZB 214/09, zur Veröffentlichung vorgesehen) entschieden, dass ein Betroffener grundsätzlich auch nach seiner Abschiebung (oder Zurückschiebung) die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem durch § 1 PKH-VV festgelegten Formular abgeben oder eine gleichgestellte Unterlage vorlegen muss. Zur näheren Begründung wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.

5

2.

Eine solche Erklärung hat der Betroffene nicht vorgelegt. Soweit er auf "die vorinstanzlich vorgelegten Erklärungen und Unterlagen" Bezug genommen hat, ist dies schon deswegen ohne Belang, weil sich in den Verfahrensakten eine formgerechte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht findet. Im Übrigen wäre sie auch - wie der Senat ebenfalls in dem zitierten Beschluss entschieden hat - nicht ausreichend, weil sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Abschiebung geändert haben können. Eine Erklärung, die den aktuellen Verhältnissen Rechnung trägt, ist dann unerlässlich, es sei denn, er macht glaubhaft, dass sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse trotz der geänderten Lebensumstände im Ergebnis nicht verändert haben. Daran fehlt es.

6

Die Angaben sind auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Betroffene unter Vorlage eines Kontoauszuges der JVA Hannover vom 30. Juni 2010 dargelegt hat, dass er zu diesem Zeitpunkt nur über 69,75 € verfügt hat. Das besagt nichts über seine jetzigen Lebensumstände und finanziellen Verhältnisse.

7

3.

Von der Abgabe der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes abzusehen.

8

a)

Der Betroffene eines Freiheitsentziehungsverfahrens vor deutschen Gerichten hat zwar einen aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierenden verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes (BVerfGE 85, 337, 345 [BVerfG 12.02.1992 - 1 BvL 1/89]; 88, 118, 123; 108, 341, 347). Der Zugang zu den Gerichten und zu den im Verfahrensrecht vorgesehenen Rechtsmittelverfahren darf ihm nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfGE 81, 123, 129 [BVerfG 29.11.1989 - 1 BvR 1011/88]). Diese Anforderung ist auch bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, die die Situation einer unbemittelten Person weitgehend der Situation eines Bemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes angleichen soll, zu beachten (vgl. BVerfGE 67, 245, 248 [BVerfG 18.07.1984 - 1 BvR 1455/83]). Sie steht aber dem Zwang zur Verwendung des mit § 1 PKH-VV festgelegten Formulars für die Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Beteiligten mit Aufenthalt in einem anderen Staat nicht entgegen. Denn auch solchen Beteiligten steht Verfahrenskostenhilfe nur zu, wenn sie bedürftig sind und dies in der von dem Gesetzgeber festgelegten Form darlegen. Diese Darlegung wird durch den Formularzwang auch bei Abgabe der Erklärung im Ausland nicht erschwert.

9

b)

Es mag allerdings Fälle geben, in denen der Betroffene in dem Staat, in den er abgeschoben worden ist, aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen, etwa infolge einer Inhaftierung, gehindert ist, die Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen unter Verwendung des vorgeschriebenen Formulars oder durch eine gleichwertige Bescheinigung des Aufenthaltsoder des Heimatstaats abzugeben. Wie dann zu verfahren ist, bedarf hier keiner Entscheidung, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass es sich in dem Fall des Betroffenen so verhält.

Krüger
Lemke
Schmidt-Räntsch
Stresemann
Czub

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