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Bundesgerichtshof
Urt. v. 03.12.2009, Az.: III ZR 139/09
Zulässigkeit tatrichterlicher Würdigung bei der Frage nach dem Gewicht des feldmäßigen Anbaus eines herkömmlichen Gartengewächses in einer betroffenen Region als Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung; Besondere Bedeutung des Anteils des feldmäßigen Anbaus des betreffenden Gewächses an der Gesamtackerfläche bzw. der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in einer bestimmten Region
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 03.12.2009
Referenz: JurionRS 2009, 28648
Aktenzeichen: III ZR 139/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Grevenbroich - 07.11.2008 - AZ: 9 C 63/08

LG Mönchengladbach - 07.04.2009 - AZ: 5 S 157/08

Fundstellen:

FStBW 2010, 524

FStHe 2010, 383-384

FStNds 2011, 175-176

GuT 2009, 404-405

GV/RP 2010, 223-224

MDR 2010, 383-384

NJW-RR 2010, 307-308 "Spargel "im feldmäßigen Anbau""

NZM 2010, 283-284

BGH, 03.12.2009 - III ZR 139/09

Amtlicher Leitsatz:

Die Beantwortung der Frage, ob der feldmäßige Anbau eines herkömmlichen Gartengewächses (hier: Spargel) in der betreffenden Region als Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung einiges Gewicht hat, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung. Dabei kann vor allem dem Anteil des feldmäßigen Anbaus des betreffenden Gewächses an der Gesamtackerfläche bzw. der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in dieser Region besondere Bedeutung zukommen.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2009
durch
den Vizepräsidenten Schlick und
die Richter Dörr, Dr. Hermann, Hucke und Tombrink
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 7. April 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Landwirt und verlangt wegen Beschädigung des von ihm in der Gemarkung N. angebauten Spargels durch Wildkaninchenverbiss von dem beklagten Jagdpächter aus § 29 Abs. 1 BJagdG Schadensersatz.

2

Der Beklagte hat eingewandt, der Anspruch aus § 29 BJagdG bestehe nicht, weil es sich bei Spargel um ein Gartengewächs im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 1 BJagdG handele und der Kläger - insoweit unstreitig - nicht für die danach erforderlichen Schutzvorkehrungen gesorgt habe.

3

In Nordrhein-Westfalen nimmt die Spargelanbaufläche im Verhältnis zur Gesamtackerfläche einen Anteil von 0,23% ein. In den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf beträgt dieser Anteil 0,43%. Das Verhältnis der Spargelanbaufläche zur Gesamtgemüseanbaufläche beläuft sich in Nordrhein-Westfalen auf über 18% und in den Regierungsbezirken Münster, Detmold, Düsseldorf, Köln und Arnsberg auf ca. 21%.

4

Der Kläger hat weiterhin geltend gemacht, der Beklagte habe anlässlich der Verhandlung des Wildschadensfalles am 4. Oktober 2007 seine Verpflichtung zum Ersatz des Wildschadens verbindlich anerkannt.

5

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Schadensersatzanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet.

I.

7

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

8

Der Anspruch des Klägers aus § 29 Abs. 1 BJagdG auf Ersatz des Wildschadens sei gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BJagdG ausgeschlossen, weil es sich bei dem Spargel des Klägers um Gartengewächse im Sinne dieser Vorschrift handele und die Herstellung der üblichen Schutzvorrichtungen unterblieben sei. Spargel, der herkömmlich ein Gartengewächs darstelle, werde nur dann zum Feldgewächs, wenn der feldmäßige Spargelanbau in der betreffenden Region als Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung einiges Gewicht habe. Hierfür sei der Vergleich zwischen der Spargelanbaufläche und der Gesamtackerfläche maßgeblich. Danach entfalle auf den Spargelanbau nur ein geringfügiger Anteil von weniger als 1%. Auf den Anteil des Spargelanbaus an der Gesamtgemüseanbaufläche komme es demgegenüber nicht an. Der Beklagte habe den Wildschadensersatzanspruch des Klägers auch nicht verbindlich anerkannt.

II.

9

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

10

1.

Der Ersatz des Wildschadens nach § 29 BJagdG ist gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BJagdG unter anderem dann ausgeschlossen, wenn Freilandpflanzungen von Gartengewächsen betroffen sind und die Herstellung von üblichen Schutzvorrichtungen unterblieben ist, die unter gewöhnlichen Umständen zur Abwendung des Schadens ausreichen. Da der Kläger solche Schutzvorkehrungen nicht getroffen hat, ist es entscheidungserheblich, ob es sich bei dem vom Kläger angebauten Spargel um Gartengewächse handelt oder aber um Feldgewächse, die von § 32 Abs. 2 Satz 1 BJagdG nicht erfasst werden. Das Berufungsgericht ist - ebenso wie das Amtsgericht - ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der Spargelanbau des Klägers als Gartengewächs anzusehen ist.

11

a)

In seinem Urteil vom 8. Mai 1957 (V ZR 150/55 - RdL 1957, 191, 192 f) hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass üblicherweise in Gärten und in der für Gärtnereien typischen Anbauweise gezogene Pflanzen ihre hierdurch vermittelte Eigenschaft als Gartengewächse nicht schon dadurch verlieren, dass sie feldmäßig angebaut werden; dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut sowie aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 32 Abs. 2 BJagdG (BGH a.a.O. S. 193). Der erkennende Senat hat diese Rechtsprechung in seinem Urteil vom 22. Juli 2004 (III ZR 359/03 - NJW-RR 2004, 1468 f) aufgenommen und fortgeführt. Er hat dargelegt, dass es durchaus denkbar ist, dass gewisse Pflanzen in der einen Gegend als Gartengewächse, in einer anderen Gegend jedoch als Feldpflanzen anzusehen sind und dass auch durch eine allgemeine Veränderung der Anbauweise (herkömmliches) "Gartengewächs zur Feldpflanze" werden kann (Senat a.a.O. S. 1469 m.w.N.). Sollte im Gefolge einer nachhaltigen, schon über Jahre andauernden Entwicklung der feldmäßige Anbau in einem größeren regionalen - über das Gebiet eines Landkreises erheblich hinausgehenden - Bereich derart im Vordergrund stehen, dass der gartenmäßige Anbau dort kaum noch eine Rolle spielt, und kommt dem feldmäßigen Anbau der Pflanze in der betreffenden Region als Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung einiges Gewicht zu, so rechtfertigt dies für das betroffene Gebiet die Einordnung eines herkömmlichen Gartengewächses als "Feldgewächs", für das der Haftungsausschluss nach § 32 Abs. 2 BJagdG nicht gilt (Senat a.a.O.).

12

b)

Für die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen davon gesprochen werden kann, dass der feldmäßige Anbau eines herkömmlichen Gartengewächses in der betreffenden Region als Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung einiges Gewicht hat, hat der Tatrichter die jeweils relevanten Umstände und Bezugsgrößen zu ermitteln und abzuwägen. Die Bedeutung und das Gewicht des feldmäßigen Anbaus der Pflanze als Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung in der betroffenen Region können in der Größe der Anbaufläche, in Umsatz- und Ertragszahlen, in der Anzahl der hierfür eingesetzten Beschäftigten (vgl. dazu OLG Karlruhe, VersR 2005, 364, 365) oder - vor allem - auch in dem Anteil an der Gesamtackerfläche bzw. der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche des Gebiets (vgl. dazu OLG Köln, OLGR 2009, 55; LG Trier, Urteil vom 5. Juli 2005 - 1 S 98/05 - [...] Rz. 14; AG Trier, Urteil vom 30. März 2007 - 32 C 609/06 - [...] Rz. 24) zum Ausdruck kommen. Die damit verbundene Tatsachenwürdigung bleibt dem Tatrichter überlassen und ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar.

13

c)

Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass es sich bei Spargel um ein herkömmliches Gartengewächs handelt (vgl. auch Senat a.a.O. S. 1469 m.w.N.). Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgezeigten Voraussetzungen für die Einordnung der herkömmlichen Gartenpflanze "Spargel" als "Feldgewächs" mit der Begründung verneint hat, der feldmäßige Spargelanbau in der betroffenen Region nehme nur einen sehr geringfügigen Anteil von deutlich weniger als 1% der Gesamtackerfläche ein.

14

aa)

Die Anknüpfung an das Verhältnis zur Gesamtackerfläche (bzw. an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche) in der Region hält sich im Rahmen der zulässigen tatrichterlichen Würdigung und wird, wie ausgeführt, auch von anderen Gerichten herangezogen. Hierbei kann der Tatrichter - was von der Revision auch nicht beanstandet wird - auf die veröffentlichten statistischen Zahlen für die politischen Bezirke abstellen, die zu dem jeweiligen Anbaugebiet gehören. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht entscheidend darauf an, welchen Anteil der Spargelanbau an der Gesamtgemüseanbaufläche der Region hat. Wird in einer Region insgesamt nur sehr wenig Gemüse angebaut, so kann der Anteil des feldmäßigen Spargelanbaus an der gesamten Gemüseanbaufläche sehr hoch ausfallen, ohne dass dem Spargelanbau damit in der betreffenden Region als Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung einiges Gewicht zukäme. Für sich allein genommen ist das Verhältnis zur gesamten Gemüseanbaufläche kein taugliches Kriterium für die Beantwortung der Frage, ob ein herkömmliches Gartengewächs zum Feldgewächs geworden ist, da dieser Gesichtspunkt jedenfalls dann keinen zuverlässigen Aufschluss über das Gewicht des Anbaus dieser Pflanze als Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung in der Region gibt, wenn nicht zugleich auch das Verhältnis zur Gesamtackerfläche (bzw. zu der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche) oder die wirtschaftliche Bedeutung dieses Anbaus in der betroffenen Region in die Würdigung mit einbezogen wird.

15

bb)

Ist der Anteil des feldmäßigen Anbaus der herkömmlichen Gartenpflanze an der Gesamtackerfläche der Region - wie hier - äußerst geringfügig (unter 1%), so kann der Tatrichter in aller Regel ausschließen, dass diesem Anbau in der betreffenden Region als Teil der landwirtschaftlichen Erzeugung einiges Gewicht zukommt, und die Qualifizierung der Pflanze als Feldgewächs verneinen, ohne dass es hierzu noch der Prüfung weiterer Gesichtspunkte bedarf.

16

2.

Ebenfalls zu Recht haben die Vorinstanzen einen Anspruch des Klägers aus einem Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) verneint. Die Auslegung des Protokolls über die Verhandlung des Wildschadens vom 4. Oktober 2007, wonach sich kein zureichender Anhalt dafür ergebe, dass der Vertreter des Beklagten eine verbindliche Einstandspflicht des Beklagten für den geltend gemachten Wildschaden anerkannt habe, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

Schlick
Dörr
Herrmann
Hucke
Tombrink

Von Rechts wegen

Verkündet am: 3. Dezember 2009

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