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Bundesgerichtshof
Urt. v. 02.02.2011, Az.: VIII ZR 151/10
Abrechnung der Heizkosten und Warmwasserkosten für mehrere Mietshäuser als Abrechnungseinheit bei Versorgung der Gebäude über eine Zentralheizung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Versäumnisurteil
Datum: 02.02.2011
Referenz: JurionRS 2011, 11280
Aktenzeichen: VIII ZR 151/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Offenbach - 05.11.2009 - AZ: 350 C 248/09

LG Darmstadt - 30.04.2010 - AZ: 6 S 6/10

Fundstellen:

IR 2011, 108-109

WuM 2011, 159-161

ZMR 2011, 458

BGH, 02.02.2011 - VIII ZR 151/10

Redaktioneller Leitsatz:

Werden mehrere Wohngebäude von Beginn eines Mietverhältnisses an durch eine Gemeinschaftsheizung versorgt, können diese Gebäude für die Heiz- und Warmwasserkostenabrechnung zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst werden, auch wenn als Mietsache im Mietvertrag nur eines der Gebäude bezeichnet wird.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2011
durch
den Vorsitzenden Richter Ball,
die Richterinnen Dr. Milger, Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie
den Richter Dr. Bünger
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 30. April 2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 6. Mai 2010 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 5. November 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagten sind seit dem 1. März 1996 Mieter einer Wohnung der Klägerin. Die Wohnung gehört zu einem Gebäudekomplex, der aus den gemeinsam errichteten und durch einen gemeinsamen Fernwärmeanschluss versorgten Häusern K. -A. -Allee und K. -S. -Allee besteht. Die Parteien streiten über eine Nachforderung der Klägerin aus der Heiz- und Warmwasserkostenabrechnung vom 28. Oktober 2008 für das Jahr 2007. Die Klägerin hat dabei den Gebäudekomplex als Wirtschaftseinheit zugrunde gelegt. Die Abrechnung weist unter Berücksichtigung der von den Beklagten geleisteten Vorauszahlungen einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 879,51 € aus.

2

Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 879,51 € nebst Zinsen gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat Erfolg.

4

Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagten in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten waren. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

6

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Zahlung der restlichen Nebenkosten gemäß § 556 BGB in Verbindung mit § 3 des Mietvertrags zu. Die Abrechnung der Klägerin sei aus materiellen Gründen fehlerhaft.

7

Die Abrechnung unter Zugrundelegung einer Wirtschaftseinheit sei nicht zulässig. Der Mietvertrag der Parteien enthalte keine entsprechende Regelung. Eine solche Abrechnungsmöglichkeit ergebe sich auch nicht aus einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht (§ 315 BGB) der Klägerin als Vermieterin. Es sei weder hinreichend konkret dargetan noch ersichtlich, dass der Klägerin die hausbezogene Abrechnung tatsächlich unmöglich sei. Die Klägerin könne Messgeräte (z.B. Zwischenzähler zur Erfassung der Wärmemengen) jedenfalls in den jeweiligen Hauszuleitungen anbringen und so für die einzelnen Häuser abrechnen. Dies gelte umso mehr, weil die Klägerin selbst vortrage, dass in den Wohnungen der streitgegenständlichen Häuser Messgeräte vorhanden seien und Verbrauchsdaten abgelesen würden, wofür im Jahr 2007 Gesamtkosten in Höhe von 1.895,40 € entstanden seien. Letztlich ergebe die Summe dieser Messangaben (vorausgesetzt, dass solche für sämtliche Wohnungen sowie die gegebenenfalls vorhandenen Gemeinschaftsräume des Hauses vorhanden seien) die Gesamtmenge des Hausverbrauchs.

8

Ferner sei die Abrechnung von Heizungs- und Warmwasserkosten im Verhältnis von 65,84 % zu 34,16 % materiell fehlerhaft. Auf welcher Basis die Klägerin diese Werte ermittelt habe, sei inhaltlich nicht nachvollziehbar. Auch aus der ergänzend vorgelegten Berechnung vom 14. April 2010 ergebe sich dies nicht. Der in der Abrechnung mit 1,3 angegebene Faktor sei nicht zu erklären. Gemäß § 9 HeizkostenV sei ein Wert von 2,5 anzusetzen. Im Übrigen trage die Klägerin selbst vor, dass der Abrechnung für das Jahr 2007 (versehentlich) fehlerhafte Daten zugrunde gelegt worden seien. Die Gesamtverbrauchsmenge sei jedoch zutreffend angegeben.

II.

9

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Klägerin steht die geltend gemachte Nachforderung in Höhe von 879,51 € aus der Heiz- und Warmwasserkostenabrechnung für das Jahr 2007 gemäß § 556 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit dem Mietvertrag zu.

10

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weist die Abrechnung vom 28. Oktober 2008 keine materiellen Fehler auf, die der Forderung der Klägerin entgegenstünden.

11

1.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Klägerin die Häuser K. A. -Allee und K. -S. -Allee bezüglich der Heizungsund Warmwasserkosten als Wirtschaftseinheit zusammengefasst und einheitlich abgerechnet hat. Werden - wie hier - mehrere Wohngebäude von Beginn des Mietverhältnisses an durch eine Gemeinschaftsheizung versorgt, können diese Gebäude für die Heiz- und Warmwasserkostenabrechnung zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst werden, auch wenn als Mietsache im Mietvertrag nur eines der Gebäude bezeichnet wird. Einer dahin gehenden mietvertraglichen Abrechnungsvereinbarung bedarf es nicht (Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 290/09, NJW 2010, 3229; vom 20. Oktober 2010 - VIII ZR 73/10, WuM 2010, 742). Auf die Installation zusätzlicher Wärmemengenzähler für jedes einzelne Haus durch das Energieversorgungsunternehmen braucht sich die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folglich nicht verweisen zu lassen.

12

2.

Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Verhältnis der Heizungs- und Warmwasserkosten sind von Rechtsfehlern beeinflusst. Das Berufungsgericht meint, die Aufteilung zwischen Heizkosten und Warmwasserkosten im Verhältnis 65,84 % zu 34,16 % sei fehlerhaft, weil die Klägerin die Berechnung mit dem Faktor 1,3 statt dem nach § 9 Abs. 2 HeizkostenV anzusetzenden Faktor 2,5 vorgenommen und - wie sie selbst eingeräumt habe - der Abrechnung für das Jahr 2007 versehentlich falsche Daten zugrunde gelegt habe.

13

a)

Wie die Revision zutreffend rügt, hat das Berufungsgericht insoweit verkannt, dass materielle Fehler korrigiert werden können und dass dies bezüglich des von der Klägerin zunächst falsch angesetzten Wertes aus dem Jahr 2006 auch bereits geschehen ist. Denn die Klägerin hat die Abrechnung dahin korrigiert, dass für das Jahr 2007 58,54 % der Wärmekosten auf die Heizung und 41,46 % auf die Warmwassererzeugung entfallen. Dadurch ergibt sich, wie aus der korrigierten Abrechnung der Klägerin ohne weiteres ersichtlich, eine Verschiebung dahin, dass der von den Beklagten zu tragende Heizkostenanteil geringfügig niedriger und der Warmwasseranteil etwas höher ausfällt. Insgesamt ergibt die korrigierte Abrechnung eine um einige Euro höhere Nachforderung. Das Versehen der Klägerin hat sich somit zugunsten der Beklagten ausgewirkt, so dass jedenfalls der in der ursprünglichen Abrechnung ausgewiesene Nachforderungsbetrag berechtigt ist.

14

b)

Soweit das Berufungsgericht meint, die Abrechnung sei deshalb unrichtig, weil die Klägerin mit einem falschen Faktor (1,3 statt 2,5) gerechnet habe, handelt es sich ebenfalls um einen Fehler, der korrigiert werden kann. Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, führt ein solcher Fehler nicht ohne weiteres zur Unbegründetheit der Klage; vielmehr kommt es darauf an, ob sich auch bei Verwendung des richtigen Faktors eine Nachforderung in der geltend gemachten Höhe ergibt. Dies ist hier der Fall, weil eine Erhöhung des Faktors zur Folge hat, dass auf die Warmwasserkosten ein höherer Teil der Energiekosten entfällt und dies in der Gesamtabrechnung wiederum eine höhere Nachzahlung ergibt, als von der Klägerin in ihrer ursprünglichen Abrechnung verlangt.

15

Es spielt daher auch keine Rolle, dass gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 HeizkostenV bei der Versorgung mit Fernwärme die Ermittlung der auf die zentrale Warmwasserversorgung entfallenden Wärmemenge mit dem Faktor 2,0 (statt wie vom Berufungsgericht mit 2,5 angenommen) zu berechnen ist. Denn auch bei Zugrundelegung dieses Faktors ergibt sich ein Betrag, der die von der Klägerin geltend gemachte Nachforderung noch übersteigt.

III.

16

Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Ball
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Fetzer
Dr. Bünger

Von Rechts wegen

Verkündet am: 2. Februar 2011

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