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Bundesfinanzhof
Urt. v. 29.07.2010, Az.: VI R 60/09
Begrenzung der Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 S. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) bei mehreren von den Ehepartnern tatsächlich genutzten Wohnungen auf den Höchstbetrag von 600 EUR im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26b EStG
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 29.07.2010
Referenz: JurionRS 2010, 24607
Aktenzeichen: VI R 60/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Baden-Württemberg - 21.07.2009 - AZ: 11 K 44/08

Fundstellen:

BFHE 230, 420 - 424

AuR 2010, 445

BFH/NV 2010, 2183-2184

BFH/PR 2010, 477

BStBl II 2014, 151-153

DB 2010, 2199-2201

DStR 2010, 2027-2028

DStRE 2010, 1278

DStZ 2010, 818-819

EStB 2010, 446

FamRZ 2010, 1900

FR 2010, 1152-1153

HFR 2010, 1308-1309

I&F 2011, 31

ImmoStR 2011, 34

KÖSDI 2010, 17186

MBP 2010, 183

NJW 2011, 703-704

NWB 2010, 3251

NWB direkt 2010, 1057

NZM 2011, 163-164

RdW 2011, 163-165

StB 2010, 378

StBW 2010, 920-921

StC 2010, 8

steueranwaltsmagazin 2011, 75

SteuerStud 2010, 557 (Pressemitteilung)

StuB 2010, 833

StX 2010, 629-630

V&S 2010, 8

WISO-SteuerBrief 2010, 2

ZAP 2010, 1159

ZAP EN-Nr. 740/2010

ZWD 2010, 9

Jurion-Abstract 2010, 225004 (Zusammenfassung)

BFH, 29.07.2010 - VI R 60/09

Amtlicher Leitsatz:

Auch im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26b EStG ist die Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG bei mehreren von den Ehepartnern tatsächlich genutzten Wohnungen auf den Höchstbetrag von 600 EUR begrenzt.

Gründe

I.

1

Streitig ist, ob ein Ehepaar für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in zwei Wohnungen des Ehepaares erbracht wurden, die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2006) geltenden Fassung (EStG) für jede Wohnung bis maximal 600 EUR, also insgesamt maximal 1.200 EUR, in Anspruch nehmen kann.

2

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Seit 1980 bewohnen sie Einfamilienhäuser in H und K. Mit Hauptwohnsitz sind sie in H gemeldet. Im Streitjahr ließen sie durch verschiedene Handwerksbetriebe Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen an den beiden Wohnungen durchführen. Für das Einfamilienhaus in H wurden Aufwendungen in Höhe von 4.241,59 EUR, für das Einfamilienhaus in K in Höhe von 2.255,10 EUR nachgewiesen.

3

Die Kläger beantragten in ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr eine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsleistungen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in Höhe von 600 EUR für die Wohnung in H und in Höhe von 451,02 EUR für die Wohnung in K. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) hat abweichend von der Einkommensteuererklärung der Kläger Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG lediglich in Höhe von 600 EUR zum Abzug zugelassen.

4

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) stützte sein Urteil im Wesentlichen darauf, dass die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG objektbezogen geregelt sei. Der Höchstbetrag könne daher bei mehreren von den Klägern unterhaltenen Haushalten für jeden einzelnen dieser Haushalte in Anspruch genommen werden. Nur bei dieser Auslegung sei gewährleistet, dass die Kläger nicht wegen ihrer Ehe benachteiligt würden, denn wären sie nicht verheiratet, könnte jeder der beiden für seinen Haushalt die Steuerermäßigung in Anspruch nehmen. § 35a Abs. 3 EStG sei nicht einschlägig, da darin nur der Fall zweier Alleinstehender mit gemeinsamen Haushalt geregelt sei, nicht jedoch der Fall von Steuerpflichtigen mit zwei Haushalten.

5

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts.

6

Das FA beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

7

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

II.

8

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vorinstanz hat zu Unrecht für die Aufwendungen der Kläger eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in Höhe von insgesamt 1.051,02 EUR gewährt.

9

1.

Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, mit Ausnahme der nach dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm der KfW Förderbank geförderten Maßnahmen, auf Antrag um 20%, höchstens 600 EUR, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen.

10

a)

§ 35a Abs. 2 Satz 2 EStG gilt nach seinem Wortlaut nur für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, "die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden". Der Begriff "Haushalt", der auch in § 35a Abs. 1 Satz 1 EStG sowie § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG Verwendung findet, ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Februar 2007 VI R 77/05, BFHE 216, 526, BStBl II 2007, 760 [BFH 01.02.2007 - VI R 77/05], und VI [BFH 28.06.2006 - XI R 32/05] R 74/05, BFH/NV 2007, 900 [BFH 01.02.2007 - VI R 74/05]) ist hierunter die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen. Dabei ist die Wohnung der räumliche Bereich, in dem sich der Haushalt entfaltet (von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz G 32; BFH-Urteil vom 14. Juni 2007 VI R 60/05, BFHE 218, 229, BStBl II 2007, 890; BFH-Beschluss vom 25. Februar 2009 VI B 102/08, www.bundesfinanzhof.de).

11

Im Streitfall wurden die Handwerkerleistungen in der Wohnung der Kläger in H und in der Wohnung in K erbracht und damit unstreitig in einem inländischen Haushalt. Durch die Bezugnahme auf den Haushalt des Steuerpflichtigen wird aber nach Auffassung des erkennenden Senats nur der Ort bestimmt, an dem die jeweilige steuerbegünstigte Leistung zu erbringen ist. Entgegen der Auffassung des FG kann aus der Bezugnahme des Gesetzes auf einen "inländischen Haushalt" nicht geschlossen werden, dass bei mehreren tatsächlich genutzten Wohnungen die Steuerermäßigung auch mehrfach zu gewähren ist. Der Wortlaut der Vorschrift gibt dafür allein durch die Bezugnahme auf den Ort der Leistungen keinen Anhalt.

12

b)

Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG "ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer ... auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 600 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen". Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird die Steuerermäßigung damit der Höhe nach begrenzt und zwar unabhängig davon, ob die steuerbegünstigten Leistungen in einer oder in mehreren Wohnungen erbracht worden sind. Für eine mehrfache Inanspruchnahme der Steuerermäßigung findet sich wiederum kein Anhalt im Gesetz.

13

Eine andere Betrachtung ist auch im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten nicht geboten. Da im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26b EStG die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anders vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann --z.B. für die Anwendung des § 35a EStG-- gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt werden (BFH-Urteil vom 3. August 2005 XI R 76/03, BFHE 211, 128, BStBl II 2006, 121 [BFH 03.08.2005 - XI R 76/03], m.w.N.), wird zusammen veranlagten Ehegatten die Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG nach dem insoweit klaren Wortlaut der Vorschrift nur einmal gewährt.

14

c)

Weder das Ziel der Regelung des § 35a EStG noch der systematische Zusammenhang der Vorschrift führen nach Auffassung des erkennenden Senats zu einer anderen Auslegung.

15

aa)

Das Ziel der gesetzlichen Regelung, die Schwarzarbeit in den Privathaushalten zu bekämpfen (vgl. BTDrucks 15/91, 19), zwingt nicht dazu, die Steuerermäßigung ohne betragsmäßige Begrenzung für jede Wohnung eines Steuerpflichtigen zu gewähren. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, bei steuerlichen Lenkungsnormen diese ohne jede Beschränkung auszugestalten. Aus der weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Steuergesetzgebers folgt, dass es grundsätzlich in dessen Ermessen steht, ob und ggf. in welcher Form und in welchem Umfang steuerliche Erleichterungen gewährt werden sollen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 VI R 44/08, BFHE 224, 261, BStBl II 2009, 411, m.w.N.).

16

bb)

Der systematische Zusammenhang des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG mit den Regelungen in § 26a Abs. 2 Satz 4 und § 35a Abs. 3 EStG bestätigt nach Auffassung des erkennenden Senats dieses Auslegungsergebnis. Da im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26b EStG die Steuerermäßigung --unabhängig von der Zahl der tatsächlich genutzten Wohnungen-- nur einmal gewährt wird, regelt § 26a Abs. 2 Satz 4 EStG flankierend, dass im Fall der getrennten Veranlagung von Ehegatten eine Aufteilung der Steuerermäßigung zu erfolgen hat. § 35a Abs. 3 EStG sieht das gleiche Ergebnis für Alleinstehende vor, die gemeinsam in einem Haushalt leben. Beide Regelungen wären nicht erforderlich, wenn man der Auffassung des FG folgen würde und einem Steuerpflichtigen --im Streitfall den zusammen veranlagten Ehegatten-- den Höchstbetrag von 600 EUR für jede tatsächlich genutzte Wohnung gewähren würde.

17

2.

Eine Verdoppelung bzw. Vervielfältigung der Steuerermäßigung im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG bei Ehegatten ist nicht geboten. Insbesondere ist keine Benachteiligung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch die Begrenzung der Steuerermäßigung auf 600 EUR auch bei mehreren tatsächlich genutzten Wohnungen zu beklagen. Denn auch Alleinstehende, die gemeinsam in zwei Wohnungen wirtschaften, können die Höchstbeträge des § 35a EStG ebenfalls nur einmal in Anspruch nehmen (§ 35a Abs. 3 EStG). Damit ist allein die gemeinsame Wirtschaftsführung am Ort oder den Orten der Leistungserbringung i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG, nicht aber der Familienstand entscheidend.

18

3.

Die Vorinstanz hat ein abweichendes Rechtsverständnis vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid des Streitjahres war abzuweisen.

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