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Bundesfinanzhof
Urt. v. 29.06.2016, Az.: I R 66/09
Pflicht des Finanzgerichts zur Aussetzung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen Grundlagenbescheid
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 29.06.2016
Referenz: JurionRS 2016, 26272
Aktenzeichen: I R 66/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Rheinland-Pfalz - 30.06.2009 - AZ: 6 K 1415/09

BFH - 10.01.2012 - AZ: I R 66/09

BFH - 10.06.2015 - AZ: I R 66/09

Rechtsgrundlage:

§ 74 FGO

Fundstellen:

BFH/NV 2016, 1688

IStR 2016, 981-982

StuB 2016, 878

BFH, 29.06.2016 - I R 66/09

Redaktioneller Leitsatz:

Das Verfahren ist regelmäßig auszusetzen, wenn die Klage gegen einen Folgebescheid gerichtet ist und Besteuerungsgrundlagen streitig sind, deren abschließende Prüfung dem Verfahren über einen Grundlagenbescheid vorbehalten ist. Von der Aussetzung des Verfahrens kann aber abgesehen werden, wenn eine Entscheidung in einem Grundlagenverfahren nicht zu erwarten ist, etwa weil der Grundlagenbescheid wegen verspäteter Klageerhebung bestandskräftig geworden ist

Tenor:

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Juni 2009 6 K 1415/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

1

I. Es handelt sich um das Verfahren, das der erkennende Senat mit Beschluss vom 10. Januar 2012 I R 66/09 (BFHE 236, 304) —ergänzt durch weiteren Beschluss vom 10. Juni 2015 I R 66/09 (BFH/NV 2015, 1250)— ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der mit der Regelung des § 50d Abs. 8 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 2002 i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710) —EStG 2002 n.F.— verbundenen Abkommensüberschreibung (sog. Treaty override) vorgelegt hatte. Nachdem das BVerfG diese Frage mit Beschluss vom 15. Dezember 2015 2 BvL 1/12 (Deutsches Steuerrecht —DStR— 2016, 359) bejaht hat, war —wie mit Senatsbeschluss vom 2. März 2016 I R 66/09 ausgesprochen-- das Revisionsverfahren fortzusetzen.

2

II. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind im Streitjahr 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger erzielte im Streitjahr als Techniker —und wohl auch als Gesellschafter-Geschäftsführer— Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit bei einer im Inland ansässigen GmbH. Sein Bruttoarbeitslohn betrug insgesamt 133.276 €. Laut Arbeitgeberbescheinigung sind darin Einkünfte für in der Republik Türkei (Türkei) erbrachte Tätigkeiten in Höhe von 93.441 € enthalten. In ihrer Einkommensteuererklärung beantragten die Kläger, den für die Zeit vom 8. März bis 31. Dezember des Streitjahres auf die Türkei entfallenden Anteil des Arbeitslohns nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 16. April 1985 (BGBl II 1989, 867) —DBA-Türkei 1985— (i.V.m. dem dazu ergangenen Zustimmungsgesetz vom 27. November 1989, BGBl II 1989, 866) steuerfrei zu belassen und nur den Differenzbetrag der Einkommensteuer zu unterwerfen.

3

Da der Kläger keinen Nachweis über die Steuerfreiheit oder Steuerentrichtung für den auf die Tätigkeit in der Türkei entfallenden Arbeitslohn erbracht hat, behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) den gesamten im Streitjahr erzielten Bruttoarbeitslohn unter Hinweis auf § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 n.F. als steuerpflichtig.

4

Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos; das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz wies sie mit Urteil vom 30. Juni 2009 6 K 1415/09 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1649) als unbegründet ab.

5

Die Kläger haben auch nach dem Beschluss des BVerfG in DStR 2016, 359 [BVerfG 15.12.2015 - 2 BvL 1/12] an ihrer Rechtsauffassung insofern festgehalten, als sie einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—) rügen. Sie beantragen sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2004 dahingehend zu ändern, dass der auf die Tätigkeit in der Türkei entfallende Arbeitslohn des Klägers in Höhe von 93.441 € steuerfrei belassen wird.

6

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

7

III. Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).

8

Wie im Vorlagebeschluss in BFHE 236, 304 [BFH 10.01.2012 - I R 66/09] im Einzelnen dargelegt, ist § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 n.F. im Streitfall anwendbar; der Senat nimmt hierauf (Abschn. B.II.1. der Beschlussgründe) zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (dazu allgemein Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 105 Rz 44, m.w.N.). Die Vorschrift, nach der die vorliegend strittigen und auf die Türkei entfallenden Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit nicht von der deutschen Einkommensteuer auszunehmen sind, ist —wie vom BVerfG mit Beschluss in DStR 2016, 359 [BVerfG 15.12.2015 - 2 BvL 1/12] entschieden— auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsgemäß. Die Revision konnte hiernach keinen Erfolg haben.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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