Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesfinanzhof
Urt. v. 17.12.2013, Az.: VIII R 42/12
Ertragssteuerliche Behandlung von Kursverlusten bei Hybridanleihen mit gestuften Zinsversprechen ohne Laufzeitbegrenzung und ohne Emissionsrendite
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 17.12.2013
Referenz: JurionRS 2013, 54140
Aktenzeichen: VIII R 42/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Baden-Württemberg - 27.08.2012 - AZ: 4 K 2474/10

Fundstellen:

BFHE 244, 36 - 40

AG 2014, 329-330

BB 2014, 536

BFH/PR 2014, 158

BStBl II 2014, 319-320

DB 2014, 6

DB 2014, 458-459

DStR 2014, 413-414

DStRE 2014, 379

DStZ 2014, 224

ErbStB 2014, 87

EStB 2014, 130-131

FR 2014, 615-616

HFR 2014, 694-696

KÖSDI 2014, 18760

NWB 2014, 659

NWB direkt 2014, 192

NZG 2014, 356-357

StB 2014, 55

StBW 2014, 201

StBW 2014, 213

StC 2014, 7-8

StX 2014, 147-148

WPg 2014, 390-392

BFH, 17.12.2013 - VIII R 42/12

Amtlicher Leitsatz:

Kursverluste aus der Veräußerung von Hybridanleihen mit gestuften Zinsversprechen ohne Laufzeitbegrenzung, die keine Emissionsrendite aufweisen, sind nicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG steuerwirksam, da die Vorschrift auf Wertpapiere, bei denen keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und bei denen eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich ist, keine Anwendung findet (Fortführung der Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 20. November 2006 VIII R 97/02, BFHE 216, 79, BStBl II 2007, 555).

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die steuerliche Behandlung einer sog. Hybridanleihe. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute und erklärten in der Anlage KAP zu ihrer Einkommensteuererklärung 2008 u.a. Einnahmen aus festverzinslichen Wertpapieren in Höhe von ./. 32.871 € (X-Bank) sowie ./. 4.636 €.

2

Die von den Klägern deklarierten negativen Einnahmen stammen aus dem Ansatz einer Marktrendite nach der Veräußerung einer "8,62500 % Z AG ... Anleihe ...". Hierbei handelte es sich um im Jahr 2005 ausgegebene sog. Hybridanleihen ohne feste Laufzeit. Der Zinssatz betrug bis 29. Januar 2013 jährlich 8,625 %. Die Anlage konnte der Emittent zum 30. Januar 2013 kündigen. Wenn er nicht kündigte, sollte eine variable Verzinsung nach dem 3-Monats-EURIBOR nebst einem Risikoaufschlag von 7,3 % gewährt werden, was im Zeitpunkt der Wertpapierausgabe einen ab Februar 2013 zu erwartenden Zins von etwa 9,8 % bedeutete. Beim Kauf bzw. Verkauf der Anleihe fielen Stückzinsen an. Der Anleger konnte die Anleihe jederzeit an der Börse verkaufen und dabei Kursgewinne oder Kursverluste erzielen.

3

Bei der Veranlagung berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zwar Spekulationsverluste gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG), aber keine negative Marktrendite.

4

Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 27. August 2012 4 K 2474/10 ab.

5

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. d EStG. Das FG interpretiere die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den sog. Finanzinnovationen nicht richtig. Es müsse einen Unterschied machen, ob eine Anleihe Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe aus eigenem Recht verspreche oder ob sich unterschiedliche Erträge nur als Reflexwirkung anderweitiger Änderungen ergäben, wie z.B. bei reinen EURIBOR-Floatern.

6

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 2008 unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2008 vom 7. April 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 soweit herabzusetzen, wie sie sich ergibt, wenn die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen aus der Veräußerung der Z AG ... Anleihen nach den Angaben in der Steuererklärung bemessen und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit 0 € angesetzt werden.

7

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Auf mündliche Verhandlung haben die Beteiligten übereinstimmend verzichtet.

II.

9

Die Revision ist unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die negativen Einnahmen des Klägers aus der Veräußerung der Z AG ... Anleihen sind keine negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und d EStG.

10

1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch die Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von sonstigen Kapitalforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alternative 2 EStG) oder bei denen die Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. d Alternative 1 EStG), soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Haben die Kapitalforderungen keine Emissionsrendite oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschiedsbetrag zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag. Dies gilt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG entsprechend bei Endfälligkeit von Kapitalforderungen.

11

a) Ob Wertpapiere und Kapitalforderungen dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und d EStG beschriebenen Typus von Finanzinnovationen zuzuordnen sind, ist anhand der Verhältnisse im Zeitpunkt der Emission der Anlage zu prüfen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der tatbestandlichen Regelung der steuerbaren Finanzinnovationen in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG mit der Regelung zur Höhe dieser Einkünfte gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 sowie Satz 2 EStG. Beide Merkmale, die Typenbeschreibung wie auch die Vorgaben für die Berechnung der steuerbaren Einkünfte, bilden zusammen den maßgeblichen Steuertatbestand. Die gesetzliche Ausrichtung der Besteuerung an der Emissionsrendite bezieht diesen Steuertatbestand auf den Zeitpunkt der Emission. Folglich ist auch die Typenbestimmung auf die Ausgestaltung der fraglichen Wertpapiere oder Kapitalforderungen im Zeitpunkt der Emission zu beziehen (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu im Einzelnen mit diversen Nachweisen Senatsurteile vom 13. Dezember 2006 VIII R 62/04, BFHE 216, 199, BStBl II 2007, 568; vom 20. November 2006 VIII R 97/02, BFHE 216, 79, BStBl II 2007, 555; vom 11. Juli 2006 VIII R 67/04, BFHE 215, 86, BStBl II 2007, 553; vom 13. Dezember 2006 VIII R 6/05, BFHE 216, 206, BStBl II 2007, 571).

12

Als Emissionsrendite ist die vom Emittenten bei der Begebung einer Anlage, d.h. von vornherein zugesagte Rendite zu verstehen, die bis zur Einlösung des Papiers oder bis zur Endfälligkeit einer Kapitalforderung erzielt werden kann (vgl. Senatsurteil in BFHE 216, 199, BStBl II 2007, 568, m.w.N.). Maßgeblich ist dabei, dass von vornherein eine bezifferbare Rendite versprochen wird, die mit Sicherheit erzielt werden kann.

13

b) Nach den vorstehend genannten Grundsätzen haben die hier zu beurteilenden Anleihen keine Emissionsrendite. Sie weisen im Zeitpunkt der Emission bis zum 29. Januar 2013 zwar eine feste Verzinsung von 8,625 % jährlich auf. Indes war die Anleihe zum 30. Januar 2013 kündbar und im Falle der unterbliebenen Kündigung eine variable Verzinsung vorgesehen, die nach dem --jederzeit nach den Verhältnissen des Kapitalmarkts änderbaren-- 3-Monats-EURIBOR zzgl. eines Risikoaufschlags von 7,3 % bemessen war. Grundsätzlich wäre nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG daher eine Besteuerung nach der Marktrendite geboten (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 216, 79, BStBl II 2007, 555).

14

c) Jedoch steht der Gesetzeszweck dem Ansatz der Marktrendite entgegen. Demgemäß sind die Verluste des Klägers aus der Veräußerung der hier zu beurteilenden Z AG ... Anleihen nicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG einkommensmindernd zu berücksichtigen.

15

Wie der Senat bereits mit Urteil in BFHE 216, 79, BStBl II 2007, 555 [BFH 20.11.2006 - VIII R 97/02] entschieden hat, wollte der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310) nicht jegliche Wertveränderung im Vermögensstamm erfassen, sondern lediglich solche Kapitalanlagen, bei denen an sich steuerpflichtige Zinserträge als steuerfreier Wertzuwachs konstruiert werden (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 59). Diese Kapitalanlagen machten sich den Umstand zunutze, dass nach bis dahin gültigem Recht im Privatvermögen zwischen steuerpflichtigen Kapitalerträgen (z.B. Zinsen) und steuerfreien Vermögensmehrungen zu unterscheiden war (vgl. BTDrucks 12/6078, S. 116). Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, "dass Vorteile, die unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrer zivilrechtlichen Gestaltung bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung erzielt werden, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören" (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 59).

16

Bei der hier zu beurteilenden Z AG ... Anleihe sind diese Besonderheiten nicht gegeben. Ähnlich wie bei "einfachen Floatern" (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 216, 79, BStBl II 2007, 555 [BFH 20.11.2006 - VIII R 97/02]) gibt es weder verdeckte Zinserträge noch eine Vermengung von Ertrags- und Vermögensebene. Der Zinsertrag liegt vielmehr offen und ist ohne jede Schwierigkeit zu ermitteln. Der Unterschied zu "einfachen Floatern" besteht lediglich darin, dass bei der Z AG ... Anleihe zunächst ein Zeitraum mit einer festen Verzinsung vorgesehen ist, an den sich dann eine variable Verzinsung anschließt, die sich aus dem --jederzeit veränderbaren-- 3-Monats-EURIBOR zzgl. eines festen Risikoaufschlags von 7,3 % zusammensetzt. Die Höhe der Verzinsung ist damit entscheidend vom 3-Monats-EURIBOR als Referenzzinssatz abhängig; steigt dieser, erhöht sich die Verzinsung, fällt er, ermäßigt sich die Verzinsung. Dass je nach Kapitalmarktentwicklung mit Änderungen des Referenzzinssatzes Kursschwankungen verbunden sind, versteht sich von selbst, auch wenn diese durch den festen Risikoaufschlag von 7,3 % abgemildert werden. Indes werden Kursveränderungen bei einer Zwischenveräußerung nicht nach § 20 EStG erfasst, sondern finden allenfalls im Rahmen des § 23 EStG Berücksichtigung. Wenn in derartigen Fällen die laufenden Zinsen stets nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig sind, erschließt sich nicht, weshalb bei Zwischenveräußerungen Kursgewinne/-verluste nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG --anders als bei festverzinslichen Papieren-- Berücksichtigung finden sollten. Denn auf der Grundlage, dass § 20 EStG systematisch von der objektiven Unmaßgeblichkeit jeglicher Wertveränderungen der Kapitalanlage, des Vermögensstamms, ausgeht, wäre im Streitfall die steuerliche Abschöpfung von Kursdifferenzen im Rahmen von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und d, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG als Abweichung vom Binnensystem des § 20 EStG sachlich nicht gerechtfertigt (im Einzelnen dazu Senatsurteil in BFHE 216, 79, BStBl II 2007, 555).

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.