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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 15.12.2011, Az.: VIII B 14/11
Berücksichtigung eines ordnungsgemäß gestellten Antrags auf Beweiserhebung durch Vernehmung von Zeugen als zulässiges Beweismittel
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.12.2011
Referenz: JurionRS 2011, 33755
Aktenzeichen: VIII B 14/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Münster - 04.11.2010 - AZ: 6 K 1973/05 G

Fundstelle:

BFH/NV 2012, 594-595

BFH, 15.12.2011 - VIII B 14/11

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet, die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügten Verfahrensmängel sind nicht gegeben.

2

a) Die Rüge, das Finanzgericht (FG) habe verfahrensfehlerhaft die beantragte Beweiserhebung unterlassen, ist unbegründet. Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat das FG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und die erforderlichen Beweise zu erheben (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FGO). Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die infrage stehende Tatsache zu Gunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (Bundesfinanzhof --BFH--, Beschluss vom 30. April 2008 VI B 131/07, BFH/NV 2008, 1475, m.w.N.).

3

Nach diesen Grundsätzen war das FG nicht gehalten, die von den Klägern benannten Zeugen A, B, C und D zu vernehmen. Das FG hat sich unter Berücksichtigung des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 27. Oktober 2010, mit dem die vorgenannten Zeugen unter Angabe des Beweisthemas benannt worden sind, sowie aufgrund des Vortrags der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2010 ausführlich mit den von den Zeugen zu bekundenden Tatsachen auseinandergesetzt, diese im Rahmen des Gesamtvortrags des Klägers gewürdigt und den Schluss gezogen, es könne als wahr unterstellt werden, der Kläger habe Schulungen bei seinen und für seine Mandanten durchgeführt.

4

Wenn das FG nach dem eigenen Vortrag des Klägers unter Würdigung der von ihm im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichten Unterlagen zu Lasten des Klägers aber den Schluss zieht, eine überwiegend unterrichtende Tätigkeit ergebe sich auch bei Berücksichtigung der vom Kläger erwarteten Aussagen der von ihm benannten Zeugen nicht, so ist diese Schlussfolgerung nicht zu beanstanden. Zum einen könnten die vom Kläger benannten Zeugen Schulungsmaßnahmen als Schwerpunkt seiner Tätigkeit allenfalls punktuell bestätigen, zumal sämtliche Zeugen über das Tätigkeitsfeld des Klägers kaum oder nur sehr eingeschränkt Überblick hatten. Zum anderen widerspricht die Behauptung des Klägers, die unterrichtende Tätigkeit präge seine gesamten Aktivitäten, seinem eigenen Vorbringen im FG-Verfahren sowie den von ihm vorgelegten Verträgen. Wenn der damalige Klägervertreter z.B. in der mündlichen Verhandlung vom 31. April 2010 ausgeführt hat, "die Tätigkeit des Klägers umfasse komplexe betriebswirtschaftliche Vorgänge von Logistik, Produktion, Finanzierung usw.; darüber hinaus werden komplexe wirtschaftliche Beratungen in konkreten Produktbedrohungssituationen von Unternehmen durchgeführt", so spricht das gegen eine die Gesamtaktivität prägende unterrichtende Tätigkeit. Das macht auch die Aufgabenzusammenstellung für den Kläger in der Anlage zum Vertrag zwischen dem Kläger und der X-GmbH vom ... 1998 deutlich. Darin wird dem Kläger unter anderem die Leitung für den Bereich Crisis Management mit den Divisionen Krisenmanagement und Response übertragen, die Koordinierung der diesen Divisionen zugeordneten Consultants, die Überwachung der Arbeitsergebnisse der Consultants nebst Funktion als Quality Control Supervisor; Training und Schulung der dem Kläger zugeordneten Consultants, Verantwortung des Jahresbudgets für den Geschäftsbereich, Kontaktpflege zu Polizei, Behörden, Subunternehmen sowie Gewinnung neuer Kunden und Betreuung von Stammkunden. Nach alledem hat das FG zutreffend davon abgesehen, die Zeugen A, B, C und D zu vernehmen.

5

Hinsichtlich der Zeugen E und F lässt die Beschwerde schon nicht erkennen, inwieweit deren Nichtvernehmung verfahrensfehlerhaft sein soll.

6

Soweit mit der Beschwerdebegründung nunmehr geltend gemacht wird, die Zeugen könnten weiter gehende Aussagen machen, die die Tätigkeit des Klägers in einem anderen Licht erscheinen ließen, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde keine Berücksichtigung finden kann (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 36, m.w.N.).

7

b) Zu Recht hat das FG auch von der Vernehmung des erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2010 benannten Zeugen G abgesehen. Mit Verfügung vom 12. Oktober 2010 hatte das FG dem Kläger unter Hinweis auf die Folgen einer Fristversäumung eine Frist nach § 79b Abs. 1, Abs. 2 FGO gesetzt bis zum 27. Oktober 2010 zur Angabe weiterer Tatsachen und zur Benennung von Beweismitteln, die bei der Entscheidung des Streitfalls noch zu berücksichtigen sind. Der Kläger hat diese Frist nicht gewahrt und den Zeugen G erst in der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2010 benannt, ohne dass die Verspätung entschuldigt worden ist. Zutreffend ist das FG deshalb davon ausgegangen, dass die Vernehmung des in der mündlichen Verhandlung nicht präsenten Zeugen eine Vertagung erfordern und daher die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde.

8

c) Unbegründet ist auch die Rüge mangelnder Sachaufklärung infolge unzureichender Auswertung der Akten und unzureichender Berücksichtigung des Vortrags des Klägers. Zum einen richten sich diese Einwendungen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG, d.h. gegen die materielle Richtigkeit des FG-Urteils; die Zulassung der Revision kann darauf nicht gestützt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 1998 X B 132/98, BFH/NV 1999, 510; vom 4. August 1999 IV B 96/98, BFH/NV 2000, 70). Zum anderen bedeutet der Umstand, dass das FG in den Urteilsgründen nicht auf sämtliche Argumente des Klägers umfassend eingegangen ist, nicht, dass es diese Gründe teilweise nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist das Gericht nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen (Entscheidungen des BVerfG vom 27. Mai 1970 2 BvR 578/69, BVerfGE 28, 378, 384; vom 10. Juni 1975 2 BvR 1086/74, BVerfGE 40, 101, 104 f.; vom 5. Oktober 1976 2 BvR 558/75, BVerfGE 42, 364, 368, und vom 15. April 1980 2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86). Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten tatsächlich auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG-Beschluss vom 15. April 1980 1 BvR 1365/78, BVerfGE 54, 43). Anders ist die Situation nur, wenn besondere Umstände des konkreten Falls auf einen diesbezüglichen Verstoß hindeuten (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 5. Oktober 1999 VII R 25/98, BFH/NV 2000, 235). Das ist hier nicht der Fall.

9

In diesem Zusammenhang lässt die Beschwerde überdies unberücksichtigt, dass die tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO) nur insoweit revisibel ist, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 30; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 87, m.w.N.). Solche Verstöße sind jedoch im Streitfall nicht erkennbar.

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