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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 12.10.2010, Az.: I B 1/10
Forderungsverzicht einer Kapitalgesellschaft gegen ihren Gesellschafter-Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. Körperschaftsteuergesetzes
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 12.10.2010
Referenz: JurionRS 2010, 27699
Aktenzeichen: I B 1/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG München - 19.11.2009 - AZ: 6 K 4167/06

Fundstellen:

BBK 2011, 109

BFH/NV 2011, 69

NWB 2011, 180

NWB direkt 2011, 58

BFH, 12.10.2010 - I B 1/10

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

1.

Das Finanzgericht (FG) ist nicht von einem entscheidungserheblichen Rechtssatz des Senatsurteils vom 14. September 1994 I R 6/94 (BFHE 175, 412, BStBl II 1997, 89) abgewichen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Wie der Senat in dem genannten Urteil ausgeführt hat, kann der Verzicht einer Kapitalgesellschaft auf eine Forderung gegen ihren Gesellschafter-Geschäftsführer eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes sein. Das FG ist von keinem anderen Rechtssatz ausgegangen. Es hat den Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gegenüber ihrem Vorstand und deren Lebensgefährten, einem Mitglied des Aufsichtsrats, einen Forderungsverzicht ausgesprochen habe. Selbst wenn diese Würdigung fehlerhaft sein sollte, rechtfertigte dies nicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz; es handelte sich vielmehr um einen bloßen Rechtsanwendungsfehler, der die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht ermöglicht.

3

Es liegt auch keine Divergenz zu einem entscheidungserheblichen Rechtssatz der Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 4. November 2002 II ZR 224/00 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2003, 358), vom 21. Juli 2008 II ZR 39/07 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 1974) und des BGH-Beschlusses vom 2. Juni 2008 II ZR 67/07 (DStR 2008, 1599) vor. Die Klägerin macht geltend, nach ständiger Rechtsprechung des BGH führe ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung dann nicht zu einem Schadensersatzanspruch gemäß § 93 Abs. 2 des Aktiengesetzes (AktG), wenn sich der Vorstand dahingehend entlaste, dass der Kompetenzverstoß nicht kausal für den eingetretenen Schaden gewesen sei. Der BGH eröffne also dem Vorstand einer AG die Möglichkeit darzulegen und nachzuweisen, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre. Demgegenüber habe das FG in seiner Entscheidung die Auffassung vertreten, der Einwand pflichtgemäßen Verhaltens sei unzulässig.

4

Eine Divergenz ist schon deshalb nicht gegeben, weil dem Streitfall ein mit den angeblich divergierenden Entscheidungen nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde liegt und in keinem der Entscheidungen ein Verstoß gegen § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG streitgegenständlich war. In dem BGH-Beschluss in DStR 2008, 1599 [BGH 02.06.2008 - II ZR 67/07] ging es um einen geschäftsführenden Gesellschafter einer KG, der sich über die in der Gesellschaft intern zu beachtende Kompetenzordnung hinweggesetzt und ohne vorherigen Gesellschafterbeschluss Grundstücke veräußert hatte. Das BGH-Urteil in DStR 2008, 1974 [BGH 21.07.2008 - II ZR 39/07] betraf einen GmbH-Geschäftsführer, der sich zunächst ohne Gesellschafterbeschluss ein höheres als das vereinbarte Geschäftsführergehalt ausgezahlt hatte, und im BGH-Urteil in NJW 2003, 358 [BGH 04.11.2002 - II ZR 224/00] hatte eine GmbH einen Schadensersatzanspruch gegen ihre frühere Geschäftsführerin wegen mangelnder Erfüllung ihrer Aufgaben geltend gemacht. Demgegenüber hat im Streitfall nach den Feststellungen des FG der Vorstand der Klägerin ihrem Lebensgefährten, der zugleich Mitglied des Aufsichtsrats war, das neue Geschäftsfeld "Wertpapiere" unter Verstoß gegen § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG übertragen. Führen einzelne Geschäfte eines Geschäftsführers einer GmbH oder Vorstands einer AG unter Verletzung gesellschaftsinterner oder gesetzlicher Kompetenzordnungen zu einem Schaden der Kapitalgesellschaft, ist der Nachweis möglich, dass bei Einhaltung der Kompetenzvorschriften gleichwohl der Schaden entstanden wäre. Es ist aber nicht erkennbar, wie in Fällen, in denen ein gesamter Geschäftsbereich eigenständig unter Verletzung des § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG von einem Aufsichtsrat geleitet wird, bewiesen werden soll, dass ohne den Rechtsverstoß ein Schaden nicht eingetreten wäre. Denn hierzu wäre der Nachweis erforderlich, dass in diesem Geschäftsbereich, wäre er unter der Verantwortung des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) geleitet worden, genau dieselben Geschäfte zu denselben Bedingungen eingegangen und abgewickelt worden wären. Dies ist in aller Regel nicht denkbar und von der Klägerin auch nicht näher dargetan worden.

5

2.

Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Begriff der "Maßnahmen der Geschäftsführung" i.S. des § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG jedwede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit des Vorstands i.S. des § 77 Abs. 1 AktG umfasst, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), da sie im Streitfall nicht geklärt werden könnte. Die Wertpapiergeschäfte umfassten nach den Feststellungen des FG 16% bis 30% der gesamten Erlöse und etwa 29% bis 82% des Materialaufwands. Der Lebensgefährte des Vorstands war ohne Beschränkungen hinsichtlich Art, Umfang und Höhe bevollmächtigt, Wertpapiergeschäfte vorzunehmen und die Geschäfte auf eigene Initiative auszuführen. Angesichts dessen besteht für den Streitfall kein Zweifel, dass der Vorstand der Klägerin die Geschäftsführung eines erheblichen Teils der Geschäfte der Klägerin auf einen Aufsichtsrat übertragen und damit gegen § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG verstoßen hat.

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