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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 10.07.2013, Az.: VII B 11/13
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.07.2013
Referenz: JurionRS 2013, 44851
Aktenzeichen: VII B 11/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Düsseldorf - 06.12.2012 - AZ: 14 K 3985/10 H

Fundstelle:

BFH/NV 2013, 1787-1788

BFH, 10.07.2013 - VII B 11/13

Gründe

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) nach § 69 der Abgabenordnung (AO) für rückständige Umsatzsteuern einer Kommanditgesellschaft (KG) als Geschäftsführer der Komplementärin der KG in Haftung genommen. Den ersten Haftungsbescheid vom 3. Februar 2009 nahm das FA gemäß § 130 Abs. 1 AO zurück. Am 31. März 2009 erließ das FA einen neuen Haftungsbescheid, in dem es die Ermessensausübung näher begründete. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger erst mit Schreiben vom 2. Juni 2010 Einspruch ein; gleichzeitig beantragte er vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trug er vor, den Haftungsbescheid erst in der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2010, bei der es um die Anfechtung einer vom FA erlassenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung ging, erhalten zu haben. Unter Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwarf das FA den Einspruch als unzulässig. Die daraufhin erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Bekanntgabe des Haftungsbescheids sei nach § 122 Abs. 5 AO i.V.m. § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes am 4. April 2009 durch Zustellung mittels Postzustellungsurkunde erfolgt. Den erforderlichen Gegenbeweis durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen habe der Kläger nicht führen können. Sein bloßes Bestreiten des Zugangs reiche hierfür nicht aus. Die Angaben in der Postzustellungsurkunde seien zur Identifizierung des Schriftstücks ausreichend. Neben der Steuernummer enthalte die Kennzeichnung die Bezugnahme auf den Haftungsbescheid vom 31. März 2009 über Umsatzsteuer.

2

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Da er im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen habe, sich an die Übergabe eines Schriftstücks durch einen Zusteller der Post nicht erinnern zu können, hätte das FG den Zusteller als Zeugen vernehmen müssen. Diese Sachaufklärung sei insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil die "persönliche Übergabe" eher einen Ausnahmefall darstelle. Darüber hinaus beruhe das Urteil nicht auf dem Gesamtergebnis des Verfahrens. In der Klageschrift seien gravierende Umstände dargelegt worden, die gegen die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids sprechen würden. Zur vermeintlichen Pflichtverletzung, zum Verschulden und zur fehlerhaften Betätigung des Auswahlermessens durch das FA sei hinreichend vorgetragen worden. Da die Sachprüfung zur Nichtigkeit des Haftungsbescheids geführt hätte, könne es auf die Zustellung des Haftungsbescheids nicht ankommen.

3

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

4

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Ungeachtet der Mängel in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Darlegung der Gründe für die Zulassung der Revision liegen die von der Beschwerde gerügten Verfahrensmängel jedenfalls nicht vor.

5

1. Entgegen der Auffassung des Klägers hätte sich dem FG eine Vernehmung des Zustellers als Zeugen für die Zustellung des Haftungsbescheids vom 31. März 2009 nicht von Amts wegen aufdrängen müssen. Den Sachverhalt hat es hinreichend aufgeklärt. Dabei durfte es sich mit der Würdigung des Inhalts der Zustellungsurkunde nach § 182 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), die den vollen Beweis für die in ihr bezeugten Tatsachen erbringt (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 14. Februar 2007 XI B 108/05, BFH/NV 2007, 1158) begnügen. Die Beweiskraft, die der Urkunde nach § 418 ZPO zukommt, erstreckt sich auch auf die Übergabe des Schriftstücks an die in der Zustellungsurkunde genannte Person (Senatsbeschluss vom 16. Juni 2005 VII B 138/04, BFH/NV 2005, 1869). Ein Gegenbeweis kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden (Senatsurteil vom 2. Juni 1987 VII R 36/84, BFH/NV 1988, 170, m.w.N.). Einen solchen Gegenbeweis hat der Kläger vor dem FG nicht ansatzweise geführt, sondern sich lediglich darauf berufen, den Haftungsbescheid nicht erhalten zu haben und sich an die Zustellung nicht erinnern zu können. Zu Recht hat das FG darauf hingewiesen, diesem Vorbringen könne eine erforderliche Substantiierung nicht entnommen werden. Eine weitere Sachaufklärung musste es aus seiner maßgeblichen Sicht nicht betreiben.

6

Im Übrigen hat der Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls keine Beweisanträge gestellt und damit sein Rügerecht verloren. Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO) hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust --z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge. Eine vom FG unterlassene Zeugeneinvernahme kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die mangelhafte Sachaufklärung erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).

7

2. Soweit der Kläger rügt, das FG habe seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt und damit gegen § 96 Abs. 1 FGO verstoßen, liegt auch dieser Verfahrensmangel nicht vor. Aus Sicht des FG kam es auf die rechtliche Würdigung der vom Kläger gegen die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vorgebrachten Argumente nicht mehr an, nachdem es die Verfristung des Einspruchs festgestellt hatte. Infolge der Unzulässigkeit des Einspruchs musste es sich nicht mehr mit den Fragen der Pflichtverletzung oder der Ermessensausübung befassen. Daran ändert auch nichts, dass sich der Kläger erstmalig im Beschwerdeverfahren auf die vermeintliche Nichtigkeit des Haftungsbescheids beruft, ohne Nichtigkeitsgründe schlüssig zu belegen.

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