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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 10.07.2012, Az.: IX B 179/11
Umfang des rechtlichen Gehörs im finanzgerichtlichen Verfahren
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.07.2012
Referenz: JurionRS 2012, 20706
Aktenzeichen: IX B 179/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Niedersachsen- 18.10.2011 - AZ: 8 K 310/09

Fundstellen:

BFH/NV 2012, 1633-1634

Jurion-Abstract 2012, 251983 (Zusammenfassung)

BFH, 10.07.2012 - IX B 179/11

Redaktioneller Leitsatz:

1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird begrenzt durch die Mitverantwortung der Beteiligten. Sie haben alles in ihren Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche zu tun, um ihr Recht auf Gehör zu verwirklichen. Daran fehlt es, wenn ein Beteiligter trotz rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Ladung nicht zum Termin erscheint.

2. Wer zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erscheint, kann regelmäßig anschließend nicht die Verletzung von Hinweispflichten des Gerichts rügen.

Gründe

1

Die auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

2

a) Das Finanzgericht (FG) hat, indem es den Antrag des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) auf Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung abgelehnt hat, nicht dessen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Nach § 227 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO kann das Gericht aus erheblichen Gründen --auf Antrag oder von Amts wegen-- u.a. einen Termin zur mündlichen Verhandlung aufheben oder verlegen. Ein solcher erheblicher Grund wurde in dem Terminsverlegungsantrag, der am 17. Oktober 2011 erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung gestellt wurde, nicht in ausreichender Weise dargetan. Die angekündigte Nichtteilnahme der als Zeugin geladenen Mutter reicht dazu ersichtlich nicht aus. Deshalb musste der Kläger davon ausgehen, dass die mündliche Verhandlung --wie geschehen-- stattfinden würde.

3

b) Auch die überdies geltend gemachten Gehörsverletzungen und Verfahrensfehler, die sich im Wesentlichen mit dem Nichtberücksichtigen von Aktenbestandteilen beschäftigen, liegen nicht vor. Dies gilt schon deshalb, weil der Kläger nicht jede zumutbare Gelegenheit wahrgenommen hat, sich Gehör zu verschaffen.

4

Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird begrenzt durch die Mitverantwortung der Beteiligten (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 119 FGO Rz 58). Danach haben diese alles in ihren Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche zu tun, um ihr Recht auf Gehör zu verwirklichen. Daran fehlt es, wenn der Beteiligte trotz rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Ladung nicht zum Termin erscheint. So stehen auch die Hinweispflichten des Gerichts aus § 76 Abs. 2 FGO mit der prozessualen Mitwirkung der Beteiligten in einer gewissen Wechselwirkung. Wer zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erscheint, kann regelmäßig anschließend nicht deren Verletzung rügen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 29. Oktober 1999 III B 32/99, BFH/NV 2000, 580, und vom 1. Februar 2010 XI B 50/09, BFH/NV 2010, 921).

5

Wenn der Kläger --wie er jetzt rügt-- schon im Klageverfahren des zweiten Rechtszuges wiederholt vorgebracht hatte, die Akten (des Beklagten und Beschwerdegegners --Finanzamt--) seien unvollständig, so hätte er an der mündlichen Verhandlung teilnehmen müssen. Das Gleiche gilt für die beantragte und mit Verfügung vom 3. Juni 2010 abgelehnte Akteneinsicht (Bl. 50 der Gerichtsakten des FG, Bd. II, 2. Rechtszug). Mit der anberaumten und durchgeführten mündlichen Verhandlung hat das FG dem Kläger ausreichend Gelegenheit gegeben, sich Gehör zu verschaffen. Diese Möglichkeit hat er nicht genutzt. Er ist seiner Prozessverantwortung nicht nachgekommen. Dies gilt für die unter II. 2., 5. und 6. der Beschwerdebegründung geltend gemachten Zulassungsgründe.

6

c) Soweit der Kläger eine Überraschungsentscheidung in Bezug auf seine Einkünfteerzielungsabsicht moniert (Beschwerdebegründung unter II. 3.), steht dieser Zulassungsgrund im Zusammenhang mit der geltend gemachten mangelnden Sachaufklärung, für die die Ausführungen oben unter b) gelten. Überdies bringt der Kläger keinen Verfahrensfehler vor, sondern wendet sich gegen die seiner Auffassung nach unrichtige Tatsachenwürdigung des FG. Für einen entsprechenden Rechtsfehler legt er aber keine Zulassungsgründe dar.

7

d) Das als Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO) sowie des Anspruchs auf Mitteilung der Entscheidungsgründe (§ 119 Nr. 6 FGO) gerügte Übergehen des Hilfsantrags liegt --soweit der Senat die entsprechenden Ausführungen in der Beschwerdebegründung (unter II. 4.) nachvollziehen kann-- ersichtlich nicht vor. Das FG beschäftigt sich ausdrücklich auf S. 11 des angefochtenen Urteils mit dieser Problematik. Der Senat verweist überdies auf seinen im ersten Rechtszug ergangenen Beschluss vom 23. September 2009 IX B 52/09 (BFH/NV 2010, 220, unter 2. b) der Gründe.

8

Der Senat hält es für angemessen, von einer weiteren Begründung nach § 116 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz FGO abzusehen.

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